#Medienmanagement

Eine Apokalypse der klassischen Medienindustrie?

von , 26.7.09

Kürzlich schrieb ich hier zur Überwindung der Medienkrise:

Am Ende wird den Medienunternehmen schlicht die Überzeugung in die eigene Produktqualität helfen — und ein  intelligentes Absichern von Werbepreisniveaus.

Doch: So sicher ist die Zukunft der Werbefinanzierung und der klassischen Medienindustrie nicht. Bleibt es bei der hergebrachten Konzentration auf eine überwiegende Werbefinanzierung ist es denkbar, dass sich die Krise des Geschäftsmodells Werbefinanzierung mittelfristig zu einer Apokalypse der Medienwirtschaft entwickeln kann.

Was nicht bedeutet, dass in Zukunft ein geringeres Bedürfnis nach Werbeträgern erwartbar wäre. Nein! Der Trend zeigt durch die Vermehrung von Nischenangeboten sogar deutlich nach oben. Folgt man der dem Geschäft eigenen Logik der Zielgruppenansprache, sind Nachfrager nach so genannten spezifischen soziodemographischen Gruppen mit der Preisgestaltung für Werberaum der klassischen, aber auch neuen Medien immer weniger zufrieden. Die fehlende Intermedia-Währung, die einheitliche Orientierungsgröße zur Werthaltigkeit konkurrierender Werbe-Oberflächen, klemmt in der Falle der Besitzstandswahrungen und Bauchnabelschauen. Mit unangenehmen, zum Teil nur mittelbar abhängigen Effekten:

Das Preisniveau im Internet fällt aufgrund permanenter Angebotsausweitung im Special-Interest-Segment. Angebot und Nachfrage! Begünstigt durch, gemessen an den klassischen Medien, marginalen Markteintrittsbarrieren. Die Kosten für den Unterhalt von Websites sind außerordentlich gering: Facebook beispielsweise „versorgt“ rund 200 Millionen aktive und von der Werbung wie den Medien heißgeliebte Nutzer mit weniger als 1.000 Mitarbeitern. Auch sorgen eine nahezu unüberschaubare Fülle von Vermarktungs-Tools und Reichweiten-Definitionen nicht unbedingt für stabile Preise. Tendenz: stürmische See ohne verlässliche Navigatoren.

Das Fernsehen bewegt sich sukzessive in die Nähe des Radios als anerkanntes Nebenbei-Medium. Werbespots werden bereits heute so produziert, dass ein „Schauen“ nicht mehr nötig ist. Den Zusehern wird in den Raum „hinterhergerufen“. Printmedien verlieren insgesamt kontinuierlich an Abdeckung des Leserpotentials (Internet und Print verlangen nach einer aktiven Informationsaufnahme, die im Medienzeitbudget der Nutzer nicht beliebig ausdehnbar ist – von der Parallelnutzung bleiben sie, anders als Fernsehen und Radio, ausgeschlossen); das Kino schafft es strukturell bis heute nicht, die Einzigartigkeit der Rezeptionssituation, das intime Verhältnis zwischen Besucher und dargebotenem Inhalt im Vorführungssaal kommunizieren und vermarkten zu können.

Lediglich das Radio und das Plakat als Außenwerbefläche bleiben von diesen Entwicklungen größtenteils unberührt. Ihr Platz im Medienrepertoire der Nutzer ist vom Medienwandel qua Digitalisierung ausgenommen. Ohne erwartbare Veränderung in der Zukunft. Tendenz: das sehen auch die Werbungtreibenden so.

In der Summe kann der mit dem technischen Medienangebotswandel einhergehende Mediennutzungswandel zu einer andauernden Schrumpfung des gesamten kommerziellen Medienmarktes und dessen Beiträgen zu volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen führen. Langer Satz, aber Kernaussage!

Heißt das, dass sich die Mediennutzer nicht mehr für ihre liebgewonnene Unterhaltung oder Information interessieren und sich von den Produzenten/Redaktionen abwenden und damit die Werbevermarktung gleich „irgendwohin“ mitnehmen?

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Fällt die „Digital Generation“ irgendwann in „analoge Nutzungsmuster“ zurück?

Nein, nicht zwabgsläufig. Aber gemessen an der Gratifikationserwartung der Nutzer liegt die Option der interpersonalen Kommunikation zusammengenommen vor der der Nutzung von „Einwegkommunikation“ redaktionell gestalteten Medieninhalts. Punkt. Ein der Bedeutung unangemessener Vergleich zwischen Kennwerten der Telekommunikationsindustrie und der Medienindustrie verdeutlicht das Verhältnis auf nahezu jeder statistischen Ebene.

Diese Gedanken zur Ausbreitung von neuen Kommunikationsräumen in einer von klassischen Medienunternehmen besetzten Sphäre und deren ökonomische Auswirkungen heben die wichtigste Ressource des Mediengeschäfts, die Nutzer, auf ein noch nicht dagewesenes Niveau der strategischen Beachtung. Das, was derzeit von einer, gemessen an der Gesamtbevölkerung relativ kleinen Gruppe von Netzaffinen, jungen Menschen, Technikbegeisterten, der Medienszene selbst, als Wandel der Kulturtechnik Mediennutzung sowie der Medienwirtschaft messbar verkündet wird, muss zuvor einer Reihe von Problemstellungen standhalten, will sie, die kleine Gruppe der Gesellschaft, den Anspruch auf Weisheit beanspruchen:

Wie verhält sich der aktuell zu beobachtende Wandel der Mediennutzung als signifikante Größe zu den Sozialisationsetappen der Altersgruppen in der Gesellschaft? Fällt die „Digital Generation“ im Zuge der sich verändernden Lebensumstände (Beruf, Familie, Privatheit), sich einstellender Langeweile im Umgang mit neuen medialen Optionen, Umweltbewusstsein (Energiebilanz Endgeräte) oder Restrukturierungen des eigenen Zeitbudgets („Zeitfresser“ Online) in „analoge Nutzungsmuster“ zurück und bereinigt ihren Kommunikationsraum um viele „Freunde“? Welche Bedeutungen werden den technischen Endgeräten beigemessen und welchen Grad der Alltagsnotwendigkeit erfahren Medien unabhängig von den durch sie transportierten Inhalten?

Ein heute nicht abschließend zu beantwortendes Bündel an Fragen. Ein Dilemma für die Entscheidungsträger der kommerziellen Medien, die nicht nur Verantwortung für die Höhe der Rendite tragen. Die Beantwortung der Frage, ob es sich wirklich um eine Apokalypse der Medienwirtschaft handelt, können die heute 13Jährigen in 20, 25 Jahren beantworten.
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