#Auflage

Der Spiegel unter Druck. Warum?

von , 22.4.12

Georg Altrogge, Chefredakteur von Meedia, witterte gleich einen Machtkampf um die Chefredaktion beim Nachrichtenmagazin. Der unaufhaltsame Erfolg von Spiegel Online, so die allgemeine Interpretation, gefährde den Absatz des 4 Euro teuren Magazins.

„Mascolo hat deshalb intern entschieden eine Bezahlschranke gefordert – und damit eine Maßnahme, zu der sich bislang kein namhafter Wettbewerber (aus guten Gründen) hat durchringen können. Der Widerstand im eigenen Haus dagegen ist nicht nur bei den Onlinern, allen voran Mascolo-Chefredakteurskollege Blumencron, groß. Auch die Geschäftsführung hält wenig von einer rabiaten Maßnahme.“

Die Zahlen des gedruckten Spiegel sind zwar immer noch gut – vor allem im Vergleich zu den herben Verlusten mancher Konkurrenten – aber rosig sieht anders aus.

2006 und 2007 lag die verkaufte Auflage je vier Mal unter der wichtigen Millionengrenze, 2008 drei Mal, 2009 sieben Mal.

Doch 2010 gab es einen spürbaren Einschnitt: Das Blatt lag in diesem Jahr 33 Mal unterhalb der Million, 2011 sogar 45 Mal. Und Ende 2011 unterschritt der Spiegel zum ersten Mal seit anno dunnemals die Marke von 900.000 verkauften Exemplaren. Im ersten Quartal 2012 wurde die 900.000er-Marke bereits zwei Mal gerissen.

Kein Wunder, dass man in den oberen Etagen nervös wird. So ist das im gedruckten Spiegel zuletzt immer heftiger werdende Internet-Bashing vielleicht auch der internen Situation geschuldet (Titelgeschichte am Montag: „Avanti dilettanti“ über dickbäuchige Piraten). Wäre doch peinlich, wenn der altehrwürdige Spiegel eines Tages nur noch der Wurmfortsatz des Online-Magazins wäre.

Die These von der Kannibalisierung durch Online findet allerdings auch Widerspruch. Vor allem der Erfolg der gedruckten Zeit wird dem Spiegel immer wieder als leuchtendes Beispiel vorgehalten. Zeit Online, obwohl mit Texten aus dem gedruckten Blatt sehr freigiebig, gefährde das Mutterschiff keineswegs. Allerdings stütze die Zeit ihr Printprodukt sehr viel umsichtiger mit allerlei Aktivitäten rund ums Blatt, während der Spiegel vor allem auf gedruckte „Line Extensions“ setze (nach dem Modell Geo). Außerdem habe der Rückgang beim gedruckten Spiegel erst 2010 so richtig eingesetzt – da aber sei Spiegel Online schon zehn Jahre lang erfolgreich gewesen. Wieder andere vermuten, die Schwäche des gedruckten Spiegel habe mit dem Angebot und der Haltung des Blattes zu tun.

 

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