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Der BND und die Technologie namens Polygon

von , 18.7.13

Das ARD-Magazin FAKT hat gestern darüber berichtet, dass der BND selbst im Besitz der PRISM-Überwachungstechnologie sei. Ob das zutrifft, kann ich natürlich nicht beurteilen. Dass der BND allerdings ähnliche Konzepte und Technologien wie PRISM einsetzt, ist ziemlich offensichtlich. Hierzu hatte ich bereits vor mehr als einem Monat gebloggt.

Nachdem die Existenz des “elektronischen Staubsaugers” schon längere Zeit bekannt ist und auch der Umstand, dass der BND nach eigenen Angaben im Jahr 2010 ca. 37 Millionen E-Mails überprüft hat, muss dafür auch eine entsprechende technische Lösung vorhanden sein, die die Kommunikation an zentralen Knotenpunkten, beispielsweise in Frankfurt, abfischt. Der Bericht von FAKT zu der Softwarelösung der Boeing-Tochter Narus erscheint vor diesem Hintergrund durchaus plausibel.

Zunächst arg verzerrt, aber mittlerweile geändert, war die Darstellung auf der Website des MDR zu der angeblichen Analyse-Software Polygon. Bei netzpolitik.org wird noch die alte und unrichtige Formulierung zitiert. Polygon ist keine Analyse-Software, sondern eine Datenbanktechnologie, die heute u.a. im polizeilichen Informationssystem der Kriminalpolizei des Landes Brandenburg eingesetzt wird.

Wenn auch der BND diese Technologie, wie von FAKT berichtet, weiterhin einsetzt, dann hätte er sich Polygon unter Verstoß gegen das Patent- und Urheberrecht angeeignet und im Zuge dessen sogar die Strafbarkeit eines eigenen Mitarbeiters in Kauf genommen. Im Zusammenhang mit Polygon hat sich nämlich ein Spionage- und Wirtschaftskrimi abgespielt, über den Focus und c’t schon vor mehr als 10 Jahren berichtet haben, dessen wirkliche Ausmaße und Zusammenhänge sich aber nur erahnen lassen.

Im Bundestag hat Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche auf die Frage des Abgeordneten Neskovic, ob die deutschen Nachrichtendienste das Datenbankprodukt Polygon nutzen, am 07.12.2011 Folgendes geantwortet:
 

Der BND nutzte das Datenbankprodukt Polygon der Firma Genesys von 1998 bis Anfang 2000 sowie zum letzten Mal im Jahr 2003 zu Testzwecken.

 
Sollte der BND die Technologie aktuell noch nutzen, dann hätte er sowohl die Bundesregierung als auch den Bundestag belogen und würde zudem gegen die Schutzrechte des Herstellers verstoßen. Das würde man in Pullach dann aber kaum einräumen.

Die öffentlich bekannte Geschichte hinter Polygon rückt den BND einmal mehr ins Zwielicht: Ein leitender BND-Mitarbeiter hatte einen Vertrag mit der Firma Polygenesys, der Herstellerin von Polygon, verfälscht. Deswegen ist der BND-Mitarbeiter rechtskräftig wegen Urkundenfälschung und versuchten Betrugs verurteilt worden. Das Ziel dieser Urkundenfälschung war es, dem “Amt für Auslandsfragen”, einer Tarnbehörde des BND, ausschließliche Nutzungsrechte an Polygon einzuräumen.

Der BND-Mitarbeiter hatte also durch Fälschung eines Vertrages versucht, die Schutzrechte an dem Produkt widerrechtlich auf den BND zu übertragen. Offiziell war das natürlich nur eine eigenmächtige Dummheit des Geheimdienstmitarbeiters, den man anschließend in Pullach interessanterweise aber nicht entlassen hat.

Ob der BND die Technologie von Polygon weiterhin nutzt, möglicherweise auch im Rahmen eines Informationssystems für eine deutsche Version von Prism, ist eine durchaus interessante Frage, auf die die Öffentlichkeit mit Sicherheit nie eine Antwort erhalten wird.

Die Nachfolgefirma von Polygenesys, die Polygon Visual Content Management GmbH. hat zu dem Bericht von FAKT übrigens auch Stellung genommen.
 
Crosspost von Internet Law

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