#AfD

Das Europa der Memmen

von , 2.3.14

Selbst wenn wir die widerlichsten Billig-Populismus-Parolen von AfD (Abzocke und Verschaukeln des deutschen Volkes etc.) und Linkspartei (militaristisch, undemokratisch, neoliberal etc.) beiseite lassen, so bleiben uns noch europa-euphorische Statements der Europa-Befürworter wie: „Europa ist eine gute Idee, aber mit Demokratiedefizit.“ „Europa ist eine gute Idee, aber Deutschland darf nicht der Zahlmeister werden.“ „Europa ist eine gute Idee, aber viel zu bürokratisch“ (im Gegensatz zu Deutschland, haha). „Europa ist eine gute Idee, aber, dass man dort den Krümmungsgrad von Gurken, Bananen, Abflussrohren festlegen will, geht zu weit.“ „Europa ist eine gute Idee, aber die Umweltstandards sind viel zu hoch/zu niedrig.“ „Europa ist eine gute Idee, aber es sind jetzt viel zu Viele dabei“ und so weiter und so fort.

Vielleicht bin ja nur ich es, aber ich würde gerne eine Partei wählen, die europa-skeptische Umfragen nicht zum Anlass nimmt, einen europa-skeptischen Wahlkampf zu führen. Ich würde gerne eine Partei wählen, die ihren Wahlkampf nicht auf kleinkarierte Bauern oder kleinkarierte Plattenbaubewohner ausrichtet. Ich würde gerne eine Partei wählen, die Umfragen nicht als Mahnung, sondern als Herausforderung begreift. Ich würde gerne eine Partei wählen, die den größten demokratischen, friedlichen, wirtschaftlichen und völkerverbindenden Erfolg in der Geschichte dieses Planeten diesen ewig missmutigen Skeptikern in ihre verzagten Hintern schiebt, aus denen ja laut Luther bekanntlich sowieso nie ein fröhlicher Furz kommen wird.

Ich möchte eine Partei wählen, die es feiert, dass Menschen aus 28 Nationen – in Worten Achtundzwanzig – in einem Staatenbund leben, der völlig zu Recht mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde.

Ich möchte eine Partei wählen, die es feiert, dass der größte gemeinsame Markt der Welt gerade dabei ist, seine größte Krise und vielleicht sogar die größte Finanz- und Wirtschaftskrise der modernen Welt zu meistern. Und zwar so zu meistern, dass selbst Länder, die zu den jüngeren Demokratien zählen (Portugal 1974, Spanien 1977, viele Osteuropäer erst nach 1990) und eine hohe Arbeitslosigkeit zu beklagen haben, dies ohne Rückfall in undemokratische Tendenzen schaffen.

Ich möchte eine Partei wählen, die es feiert, dass Deutschland mit dem Euro und der Europäischen Union wirtschaftlich so erfolgreich ist, dass nach jüngsten Umfragen über 75% der Bevölkerung sagen, dass es ihnen persönlich wirtschaftlich „gut“ oder sogar „sehr gut“ gehe.

Ich möchte eine Partei wählen, die dem Dreher im kleinen Maschinenbaubetrieb, dem fröhlichen Taxifahrer in Berlin, der Verwaltungsangestellten bei Siemens, dem Schweißer bei Audi, der Bäuerin in der Uckermark, dem Start-Up in Leipzig und allen anderen vorrechnet, dass sie und ihre Kinder und Kindeskinder von diesem großartigen Europa profitieren.

Ich möchte eine Partei wählen, die dem dumpfen Gemecker über unsere angeblichen Transferzahlungen entgegenhält, dass wir die EU-Länder nicht nur unterstützen, weil wir so wahnsinnig gute Menschen sind, sondern weil wir ihnen unsere teuren Maschinen, unsere Audis, Daimlers, BMWs und VWs, unsere Medizintechnik, unsere Finanzdienstleistungen, unsere SAP-Programme und vieles mehr verkaufen wollen und deshalb ein großes Interesse daran haben, dass sie schnell wieder auf die Beine kommen.

Ich möchte eine Partei wählen, die den Hochnäsigen, die gerne mit dem Finger auf andere Länder zeigen und sich selbst loben, weil wir in Deutschland so mutige Reformen angepackt haben, sagt: Wir Deutschen haben den letzten Kanzler, der mutig für Reformen gesorgt hat, zum Teufel gejagt und abgewählt – so mutig waren wir. Wir haben gejammert, gezetert und geheult und die Reformen, die uns heute nutzen, wurden gegen Volkeswillen durchgesetzt – weil einer die Eier hatte, gegen den Strom zu schwimmen.

Ich möchte eine Partei wählen, die denen, die staatliche Transferleistungen für das Grundübel der Wirtschaft halten, antwortet: Als 2009 in Baden Württemberg und Bayern bei den ganzen Vorzeige-Betrieben die Bänder still standen, weil keiner mehr unsere Produkte kaufen konnte – wie haben wir das denn gemeistert? Richtig: Mit staatlicher Intervention in Form von Kurzarbeitergeld, Abwrackprämie, Konjunkturprogrammen und massiven Investitionen auf Pump. Also, all den Dingen, die wir anderen in der EU vorenthalten wollen und die am Ende niemandem mehr nützen würden als uns.

Ich möchte eine Partei wählen, die dem Vater, der seine Kinder „vor Überfremdung schützen“ will, antwortet: Vielleicht und hoffentlich sind deine Kinder eines Tages gar nicht so vernagelt wie Du Vollpfosten, sondern nutzen ihre Chance, aus Deiner jämmerlich kleinen Vorstellungswelt zu entkommen, ihr Glück zu suchen und als Ärztin in Dublin, als Monteur in Marseille, als Lehrerin in Barcelona oder als IT-Spezialist in Warschau zu arbeiten.

Ich möchte eine Partei wählen, die den Nazis und den verkappten Nazis endlich mit voller Wucht entgegentritt, die Europa feiert, die den Frieden feiert, die den Erfolg feiert, die das Miteinander feiert, die die Freiheit feiert und die vor allem einen Bund feiert, den es so in der Geschichte der Menschheit noch nie gegeben hat und es deshalb verdient, mit jeder Faser und jeden Tag aufs Neue verteidigt, gestärkt und gepriesen zu werden: Die Europäische Union. Mein wunderbares, einzigartiges, liebenswertes Europa.

PS: Gibt es diese Partei? Dann bitte ich um ihre Bewerbungsunterlagen.

Crosspost von frank-stauss.de.

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