#Bloggen

Blogs, die noch fehlen

von , 12.2.13

Valentin Groebner schreibt in der FAZ davon, dass zu viel gebloggt wird. Wissenschaftliches Publizieren im Netz hätte eine Überproduktionskrise, die Lesezeit sei zu knapp, und auf Wissenschaftsblogs stelle sich das “Gefühl rastloser Masturbation” ein. Da andere Plattformen wie YouPorn, die das gleiche Gefühl vermitteln, ja enorme Erfolge feiern, sollten wir vielleicht noch ein paar weitere Blogs gründen. Hier sind daher ein paar, die der geschichtswissenschaftlichen Blogosphäre noch fehlen:

 

Das Debattenblog

Das Konzept des Kneipenlogs ist wunderbar. Einfach mal ungezwungen wie in einer Kneipe über Gott und die Welt plaudern, ohne gleich einen riesigen komplexen Beitrag zu erstellen. Das darf gerne kopiert werden. Umsetzung: Man schnappe sich interessierte Leute, vernetze diese und lasse sie über die wichtigen und unwichtigen Themen der Geschichtswissenschaft diskutieren. Das Tagesgeschehen bietet genug Material, dass die Themen nie ausgehen.

Das englischsprachige Blog

Englisch ist die Weltsprache. Deutsch spricht international kaum einer. Was würde also näher liegen, als einfach die wichtigsten Beiträge aus der deutschen Blogosphäre einfach mal zu übersetzen, damit die hier geführten Debatten und Themen sichtbarer werden?

Das Blog des Scheiterns

Nicht jedes Forschungsvorhaben klappt. Nicht jeder Archivbesuch fördert das Gewünschte hervor. Manchmal merkt man, dass die gewählte Fragestellung nicht passt. Dann wechselt man das Thema. Und irgendwann macht sich dann der/die Nächste auf den Weg ins Archiv. Warum also nicht mal gescheiterte Forschungsprojekte in einem Blog dokumentieren?

Der Planet

Im eigentlichen Sinne kein Blog, aber es gibt nun mal Blogplaneten wie Plan3t.info, der Beiträge aus der bibliothekarischen Blogosphäre sammelt, oder Planet Wikimedia, wo es um die Wikipedia geht. Uns Historikern fehlt so eine zentrale Anlaufstelle noch.

Das “Wir erklären jetzt mal die Hintergründe”-Blog

Geschichte ist fast jeden Tag in den Medien. Es fehlt aber eine Schnittstelle zwischen Forschung und Öffentlichkeit, wo die Hintergründe der aktuellen Nachrichten verständlich, aber fachwissenschaftlich erklärt werden. Bestes Beispiel ist der Prozess gegen John Demjanjuk gewesen, wo auch komplexe Themen der NS-Täterforschung verhandelt wurden. Diese darf man auch vermitteln. Vorbild: USA Erklärt.

Das FALSCH!-Blog

Daran anschließend: Geschichte wird gerne als Argument genutzt. Geschichte wird gerne verdreht und falsch benutzt, um auf den politischen Gegner einzudreschen. Warum nicht mal ein Blog gründen, das laut “FALSCH” schreit und erklärt, warum es dann doch Crackpot History ist, wenn die 68er mal wieder an allem Schuld sein sollen oder im Alleingang den Nationalsozialismus aufgearbeitet haben. Das amerikanische History News Network hat die wunderbaren Bachmann Awards, davon darf man sich gerne was abgucken.

Das Peer-Blog

Was die SPD kann, können wir auch! Wenn gerne gemeckert wird, dass ja jeder irgendwas in diese Blogs schreiben kann und dass es kein Peer Review gibt – warum nicht einfach mal ein freches Blog aufsetzen, in dem man dreist fremde Blogbeiträge reviewt?

Das Whistleblower-Blog

Hinter den Kulissen wird in der Wissenschaft fleißig gekeilt, getreten, intrigiert und gekämpft. Alleine die Schlacht um die Exzellenzinitiative war höchst dramatisch, aber auch sonst geht es um Millionen, Forschungsprojekte, DFG-Cluster, Netzwerke, Seilschaften und Deals. Da fehlt nur noch der schreibwillige anonyme Insider.

Das Wanderblog

Der offizielle Twitter-Account von Schweden wechselt jede Woche seinen Besitzer, und es darf dann ein neuer Bürger des Landes twittern. Ohne inhaltliche Vorgaben, ohne Zensur, aber mit 67.000 Followern. Warum nicht mal ein Blog gründen, in dem sich jede Woche/jeden Monat eine neue Person austoben darf?

Das Lexikonblog

Gut, der Name ist schlecht gewählt. Stefan Sasse schreibt regelmäßig längere Überblickstexte zu diversen Themen. Es gibt keinen Grund, warum man nicht auch andere Fachgebiete mit lexikonartigen Artikeln erschließen könnte. Wo ist der Mediävist, der fleißig Artikel von A wie Aachener Kaiserkrönung bis Z wie Zisterzienser schreibt?

Das “Wir lesen Quellen”-Blog

Eines der Dinge, die ich in meinem Blog leider vernachlässige, ist es, Quellen wirklich mal zu lesen und seine Gedanken dazu zu äußern. Dabei gibt es im Internet jede Menge spannender Quellen – letztens stolperte ich etwa über den Artikel “Die Vergangenheit, die nicht vergehen will” von Ernst Nolte, der damals den Historikerstreit auslöste. Ich bin bislang noch nicht dazu gekommen, darüber etwas zu schreiben, aber der Text ist höchst spannend. Warum also kein Gruppenblog, in dem jede Woche eine kurze, aber knackige Quelle vorgestellt und besprochen wird?

Das Kolloquiumsblog

Es gibt, soweit ich das sehe, noch kein Blog eines Lehrstuhls, der seine wissenschaftliche Arbeit wirklich umfassend im Internet dokumentiert. Im Semester findet meistens jede Woche ein Kolloquium statt, in dem Lehrende, Studierende und Gäste über ihre Forschung referieren. Ein quium ist natürlich ein geschützter Raum, in dem Vorträge auch durchaus gründlich schiefgehen können, aber eigentlich spricht wenig dagegen, es etwas nach außen zu öffnen – vor allem, da die meisten Referenten eh vorlesen und nicht vortragen.

Das Studierendenblog

Das ist eigentlich das wirklich Überraschende: Angeblich sind ja alle jungen Leute total vernetzt, online-affin und digital native, aber es bloggt kaum einer über sein Studium. Dabei gäbe es genügend zu bloggen – das Überraschende, was man in der Vorlesung gelernt hat. Gedanken zu wichtigen Texten. Die Hausarbeit, in die man viel Arbeit und Mühe gesteckt hat. Es ist schlicht und einfach erstaunlich, dass von den vielen tausend Geschichtsstudenten praktisch keiner regelmäßig über das Studium bloggt.

Also: Freiwillige vor!

Update
Da es erstaunlich viel positives Feedback für die Idee des Quellenblogs gab, habe ich einfach mal hier ein Pad mit einem groben Konzept gestartet. Wer sich beteiligen will, ist herzlich eingeladen.

Crosspost von schmalenstroer.net

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