#Bildungsstreik

Hier und da: Studentenproteste im Netz

von , 24.11.09

Über den „digitalen Gehalt“ der aktuellen Hochschulproteste wird inzwischen vielerorts spekuliert (ich trage dazu bei, so gut ich kann). Hier nun eine kleine Liste von good practices, die zeigen, warum eine gute Protest-Präsenz im Web 2.0 tatsächlich funktional sein kann. Natürlich ist die Aufzählung unvollständig, sie wird fortlaufend aktualisiert. Kommentare, Hinweise und Ergänzungen – gerne!

1. unibrennt.at

Die zentrale Protestplattform für die Aktionen in Österreich bündelt die Aktivitäten und ist eine übersichtliche Anlaufstelle. Sie funktioniert nicht nur als klassische „Homepage“, sondern bindet auch die diversen Web 2.0-Plattformen ein – auf diese Weise werden die vielen „digitalen Lagerfeuer“ (die – sehr treffende – Überschrift des ORF-Beitrages ist nicht von mir!) integriert.

2. Google-Mashups

Die Karte „Unsere Unis“ mit den Proteststandorten von Tom Schaffer (@schaffertom) ist zum heimlichen Protestportal geworden. Mit inzwischen mehr als einer Million Zugriffen erzielt diese weltweite Visualisierung eine extrem hohe Reichweite. Die Ortsmarken enthalten zudem Verweise auf die lokalen Streikseiten und bieten so Verzweigungsmöglichkeiten in die Protesthochburgen an.
Update
: inzwischen gibt es auch so etwas wie „Micro-Maps“, die die Besetzungen von Hochschuleinrichtungen an einzelnen Standorten anzeigen. Hier das Beispiel aus Gießen.

3. unibrennt.tv

Das auf die Sammlung und Sortierung von Online-Videos spezialisierte Portal trägt dem Bedeutungszuwachs der audiovisuellen Protestinhalte Rechnung. Die Website bezeichnet sich zwar als „globales Portal“, doch dominieren (bislang) noch die Beiträge aus Österreich. Ein ähnliches Angebot mit dem Fokus auf Deutschland (oder eine bessere, nach Ländern rubrizierbare Darstellung auf unibrennt.tv) würde einen Beitrag dazu leisten, die Flut der lokalen Berichte zu archivieren und recherchierbar zu machen.

4. @unibrennt

Der Twitter-Account des ersten besetzten Hörsaals in Wien ragt mit seinen knapp 2.500 Followern aus der Vielzahl der kaum wahrgenommenen Streik-Twitterer heraus. Noch spannender wäre ja eine koordinierte Namensgebung von Twitter-Accounts aus Hochschulstandort und Hörsaal-Name gewesen (umgesetzt etwa bei @hu_audimax). Das hätte die Liste der „Dinge, die twittern“ sehr produktiv erweitert und wahrscheinlich mehr Aufmerksamkeit in den alten Medien gefunden als die diversen Lokal-Accounts wie @marburgstreikt, @giessenstreikt, @streikbielefeld

5. Twitter-Listen

Die Vielzahl der lokalen Twitter-Accounts (vgl. Punkt 4.) macht die Verfolgung der aktuellen Ereignisse nicht unbedingt leicht – die umfangreiche Liste „Das Thema Bildung brennt“ von @twitgeridoo zeigt, wie man die vielstimmigen Berichte wieder integrieren kann. Leider hat sie erst 34 Follower.

6. Hashtags

Die Begriffe #unsereuni, #unibrennt, #bildungsstreik spielen eine große Rolle bei der „digitalen Wiedervereinigung“ der Protestinhalte im Netz. Von Österreich ausgehend, haben sich #unibrennt und #unsereuni nachhaltig in den deutschen Twitter-Rankings eingenistet. Der etwas harmlosere #bildungsstreik kam etwas später aus Deutschland dazu. Neben der Funktion der „Erkennungsmarke“ in der Kurzmitteilungsflut können gut gewählte Hashtags aber auch zur Pointierung und Unterstützung eines Kampagnenanliegens beitragen – das beste Beispiel in Deutschland ist sicher #zensursula, das gleichermaßen als Erkennungsmerkmal und politische Aussage funktioniert. Hier haben die Proteste noch Potenzial…
PS
: Blickt man in die USA, dann haben die dortigen Hashtags oder auch Twitter-Accounts einen „aggressiveren“ Einschlag, dort findet man neben #UCstrike (für den Streik an der University of California in Berkeley) etwa @reclaimUC („UC zurückerobern“) oder #occupyca („Kalifornien besetzen“).

7. Live-Blogging (Mikro oder Makro)

Als die Server des Daily Californian am 20. November von der großen Zahl der Zugriffe überfordert waren, berichtete die Hochschulzeitung der UC Berkeley per Twitter von der Besetzung der Wheeler Hall auf dem Campus. Diese Form der Ticker-Berichterstattung ist besonders dann hilfreich, wenn kein Livestreaming möglich ist.

8. Soziale Netzwerke

Vorbildlich gestaltet ist die österreichische Facebook-Seite Audimax Besetzung in der Uni Wien, die einerseits als direkter Protestsammelpunkt fungiert, gleichzeitig aber auch viele Vernetzungsleistungen erbringt und auf andere Online-Inhalte und -Plattformen verweist.
(Frappierend ist auch der Unterschied zum Versuch, eine gleichartige Seite bei StudiVZ einzurichten – ein Blick auf die Hyperlink-Adresse zum Edelprofil „Bildungsstreik – Proteste jetzt weltweit“ spricht Bände.)

9. Wikis

Auch hier haben die Österreicher die Nase vorn, ebenfalls unter der Domain unsereuni.at finden sich auf Verweise auf lokale Wiki-Angebote der bestreikten Hochschulen. Neben aktuellen Terminen, Kontaktdaten und Infos zu den AGs und natürlich Forderungskatalogen finden sich dort auch detaillierte Protestchroniken.

Fortsetzung folgt.

Christoph Bieber bloggt bei Internet und Politik. Crossposting mit freundlicher Genehmigung. Ebenfalls von ihm zum Thema: Es ist Bewegung im Netz beim Freitag.

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