von Andreas Grieß, 16.12.09
Es scheint ruhig geworden um den Bildungsstreik. Seit der Kultusministerkonferenz bringen die Medien kaum etwas zum Thema. Für das kommende Wochenende haben Studenten ein bundesweites Bildungsstreiktreffen in Potsdam geplant. Hier soll über das bisher Erreichte debattiert werden. Doch was hat man bisher erreicht?
Zunächst einmal versprach Bildungsministerin Schavan eine BAföG-Erhöhung. Interessanter weise war das nicht einmal eine der zentralen Forderungen der Studierenden. Aber mit Geld kann man gut Leute ruhig stellen. So sahen es zumindest die meisten der Streikenden… und machten weiter.
Was folgte, war ein interessantes Spiel: Bund, Länder und Hochschulen spielten sich immer wieder gegenseitig den Ball zu. Der Bund müsse mehr Geld geben, die Länder seien für Bildungspolitik zuständig, die Hochschulen müssten ihre Gestaltungsräume effektiver nutzen, die Länder böten dafür nicht genügend Raum – usw. usf.
Alle schoben den schwarzen Peter zum anderen und vergaßen darüber, dass nicht einer, sondern alle zusammen in der Verantwortung stehen.
Zudem bekam es die Protestbewegung mit „friendly fire“ in Form von unverantwortlichen Sachbeschädigungen in Frankfurt zu tun. Einige Chaoten sorgten für Negativschlagzeilen, welche natürlich ein gefundenes Fressen für die Kritiker darstellten.
Die Bildungsproteste erzwangen dennoch Reaktionen. Am 10. Dezember stellten Kultusministerkonferenz und Hochschulrektorenkonferenz gemeinsam eine Liste mit geplanten Änderungen vor. Konkret soll es weniger Prüfungen geben und eine geringere Arbeitsbelastung. Außerdem sollen Prüfungsleistungen leichter anderswo anerkannt werden; zu guter Letzt soll auch die Gestaltungsfreiheit für einzelne Studiengänge erhöht werden. Das letztere beide Punkte gelegentlich im Widerspruch stehen, stört eine Pressemitteilung (hier ganz nachzulesen) freilich nicht.
Nach diesen Versprechungen seitens der Politik befinden sich die Studierenden in einer Zwickmühle. Einerseits müssen sie nun erst einmal wieder zum Regelbetrieb übergehen und warten, ob die Änderungen bei ihnen ankommen. Denn nur nach einiger Zeit kann man sehen, ob es leere Versprechen sind oder nicht. Andererseits sind nicht alle Forderungen erfüllt.
Das zwischen Bund, Hochschulen und Ländern der Ball immer wieder hin- und herging, führte zu einer Verdichtung der Schuldzuweisungen in Richtung des Wortes “Bologna” – woran auch die Medien Anteil hatten. Andere Anliegen gerieten aus dem öffentlichen Blickfeld, was einigen Entscheidungsträgern sicher sehr gelegen kam. Konkret wären dies unter anderen: Einflussnahme der Wirtschaft, in einigen Teilen ein Abbau von Demokratie (in Hessen etwa durch das geplante neue Hochschulgesetz), Studiengebühren, schließlich: fehlende Masterstudienplätze.
Gehen die Studenten weiter auf Konfrontationskurs, laufen sie Gefahr, dass es heißt „die geben sich mit nichts zufrieden und meckern mehr als das sie studieren!“. Tun sie nichts, kann es für einige zu spät sein. Auf Seiten der Politik mangelt es an der Einsicht, dass viele Studierende wenig Verständnis dafür haben können, neue Systeme zunächst auszuprobieren und dann nach und nach anzupassen. Ehe das System ohne Probleme läuft, haben sie wohlmöglich ihr Studium bereits beendet, im schlimmsten Fall nur zur Hälfte, weil der passende Master fehlt.
Aus diesen Gründen ist die Studentenlandschaft in Deutschland derzeit gespalten. Einige wollen abwarten, andere weiter kämpfen. Hinzu kommen diejenigen, die sich von Anfang an von den Methoden des Bildungsstreiks distanzierten. Für die weitere Entwicklung wird es spannend sein, was das bundesweite Bildungsstreiktreffen in Potsdam, und mehr noch die vielerorts anstehenden Hochschulwahlen zum Semesterende, für Ergebnisse bringen werden. Die Schülerinnen und Schüler haben für das kommende Jahr derweil weitere, eigene Proteste angekündigt. Ihre Forderung nach einer Abschaffung oder zumindest weitreichenden Reform des „Turboabiturs“ wurde nämlich ebenfalls (noch) nicht berücksichtigt.