#Amazon

Amazon und die PIN Mail AG

von , 23.12.13

Amazon ist derzeit in aller Munde. Oder besser: „Ammazohn“ – wie Tagesschau-Sprecher den Versandhändler aus Seattle hartnäckig einzudeutschen pflegen. Amazon wurde und wird bestreikt. In Bad Hersfeld und Leipzig – in zwei der acht deutschen Logistikzentren – soll über einen neuen Tarifvertrag verhandelt werden.

Die Amazon-Beschäftigten möchten lieber nach den höheren Tarifen des Einzelhandels bezahlt werden, nicht mehr nach den niedrigeren Tarifen der Logistikbranche. Denn Amazon stelle Waren nicht nur bereit, es verkaufe sie auch. Als Einzelhandels-Beschäftigte könnten die Packer bei Amazon dann pro Stunde bis zu zwei Euro mehr bekommen, und auch das Weihnachtsgeld, die Arbeitszeit und der Urlaub wären besser geregelt.

Durch ihren ausdauernden Protest haben die Beschäftigten bereits einiges erreicht. In Leipzig z.B. stieg der Stundenlohn von 7,76 € (im Jahr 2010) auf 9,55 €. Auch Weihnachtsgeld wurde inzwischen ‚gewährt’. Außerdem verfügen fast alle deutschen Standorte neuerdings über einen Betriebsrat.

Doch die Firma Amazon bleibt der deutschen Presse ein Graus. Vor allem die Wirtschafts-Ressorts glänzen – anders als sonst – mit einfühlsamer Streikberichterstattung und moralischer Klage über den unmenschlichen Leistungsdruck.

 

Ausbeutung hier, Lohnvernunft da

Ein ähnlicher Fall spielte sich zur gleichen Zeit in Berlin ab. Dort lässt der Senat seit geraumer Zeit die gesamte Behörden-Post vom privaten Dienstleister PIN Mail AG zustellen. Bis zu 60 Kilogramm schleppen die grünen Postboten mit ihren Lastfahrrädern bei Wind und Wetter durch die Straßen.

Laut Gewerkschaft ver.di hatte die PIN Mail AG die Löhne seit 14 Jahren nicht erhöht. Also streikten auch dort im Dezember die Beschäftigten. Sie wurden von der Betriebsleitung kurzerhand ausgesperrt und mit einer „Streikabbruchprämie“ gelockt. Dem stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden wurde gekündigt.

In Sachen Lohn hatte sich das Unternehmen schon früher hartleibig gezeigt. Nachdem die PIN-Mitarbeiter zwei Jahre lang den Post-Mindestlohn von 9,80 € in der Stunde erhalten hatten, klagten die privaten Post-Dienstleister gegen diese Vereinbarung und sorgten dafür, dass die Löhne der Zusteller wieder sanken. Der Vorweihnachts-Streik bewirkte nun, dass die Mindest-Stundenlöhne ab 1. Januar 2014 von 7,94 € auf 8,90 € steigen werden.

Das heißt: Sowohl bei Amazon als auch bei der PIN Mail AG gab es einen (kleinen) Erfolg der Protestierenden. Doch während die großen Zeitungen mit Abscheu und Empörung über die schlechten Arbeitsbedingungen bei Amazon berichteten, verloren sie über den “Leistungsdruck“ bei den PIN Mail-Zustellern nur selten ein Wort.

Ob es daran liegt, dass die PIN Mail AG ein Unternehmen der großen Zeitungsverlage war (Springer) und heute zur Hälfte der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck gehört?

 

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