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Was sind Hipster und wie leben sie?

von , 9.3.13

Nerdbrille, Jutebeutel und Flanellhemd – man sieht sie an jeder Ecke: So genannte Hipster. Einerseits seltsam retro, in der Hand aber immer das neueste iPhone. Was steckt hinter dieser Bewegung und Subkultur der Hipster, die anders sein will, aber längst im Mainstream angekommen ist?

Als Hipster bezeichnet man Mitglieder einer subkulturartigen gesellschaftlichen Gruppierung älterer Jugendlicher bis junger Erwachsener. Als Teil der urbanen, gehobenen Mittelschicht sind sie meist in den Szenevierteln von Großstädten angesiedelt. Charakteristisch ist ein ausgelebter Nonkonformismus und ausgelassener, erlebnisorientierter Lebensstil, der sich durch alle Bereiche des Lebens zieht.

 

Die Hipster des 20. Jahrhunderts

Ursprünglich kommt der Begriff von der avantgardistischen, US-amerikanischen Subkultur des mittleren 20. Jahrhunderts. Er beschreibt in diesem Zusammenhang Mitglieder einer intellektuellen Randkultur von vorwiegend schwarzen Künstlern, Dichtern und Musikern um die Freejazz- und Bebop-Bewegung. Die damals als sozialkritisch angesehene Subkultur weckte während der fünfziger Jahre vermehrt das Interesse von Weißen, welche die Kultur zu imitieren begannen. Die intime, kleine Szene bestand bis zu ihrer langsamen Auflösung während der sechziger Jahre aus wenigen, klassenverschiedenen Außenseitern, die durch ihre Kleidung und ihr avantgardistisches Benehmen leicht erkennbar waren.

Der Versuch, sich von der ermüdenden Popkultur der damaligen Zeit loszulösen, indem man ihr einen Schritt voraus war oder in ihren längst vergessenen Aspekten verweilte, ist der heutigen Hipster-Kultur sehr ähnlich. Mit dem aufkommenden Vintage-Look ab dem Ende der neunziger Jahre verbreitet sich der Hipster-Trend erst in den großen US-amerikanischen Städten und anschließend international. Anhänger der Subkultur werden größtenteils der „Generation Y“ zugeschrieben. Diese beschreibt gut ausgebildetete Mitglieder der oberen Mittelschicht; meist Studenten, die größtenteils in einem Umfeld von Internet und mobiler Kommunikation aufgewachsen und von der gesellschaftlichen Teilhabe weitestgehend ausgeschlossen sind. Was bedeutet, dass sie keine politischen Ideale verfolgen wie die früheren Jugendbewegungen der Hippies oder Punker. Die Generation ist technisch sehr versiert, weit vernetzt und kommuniziert über viele Kanäle der neuen Medien. Facebook, Twitter sowie zahlreiche Blogs dienen als Kommunikationsplattformen.

 

Die Hipster-Bewegung

Im Zentrum der Bewegung steht die klare Ablehnung der stumpfen Bourgeoisie und der Versuch, sich optisch und intellektuell von dieser abzuheben. Durch die Zelebrierung eines gewissen Retro-Chics, durch Flohmarkt- und Second-Hand-Käufe und die klare Ablehnung von Mainstream-Marken, wird versucht, die eigene Individualität in den Mittelpunkt zu stellen. Bei diesem Nonkonformismus und dem Streben nach absoluter Individualität bedient sich die Hipster-Kultur wahllos an Symbolen und Merkmalen verschiedener andere Subkulturen und Stile und vermischt diese, meist oberflächlich, ohne die dahinter stehenden politischen Aussagen oder Werte zu übernehmen oder zu hinterfragen.

Während man den Second-Hand-Trend noch als Ansatz einer gesellschaftskritischen Haltung und Kritik gegenüber dem Markenwahn und Massenkonsum verstehen könnte, wird der Kapitalismus im Hipstertum nicht, wie beispielsweise bei linksorientierten Alternativbewegungen, abgelehnt, sondern geradezu instrumentalisiert. Der Flohmarkt-Chic wurde spätestens durch die Reproduktion von Vintage-Artikeln durch die Modelabels selbst zur Marke und zum Mainstream.

Allgemein ist eine große optische Schnittmenge mit der linken Alternativbewegung festzustellen – wobei sich bei dieser klare Werte feststellen lassen und eine klare Ablehnung der Hipster-Bewegung vorhanden ist. Hipster lassen sich nicht über einen sozialen Status, die Herkunft, die politische Gesinnung oder den Musikgeschmack klassifizieren, sondern lediglich über oberflächliche Merkmale wie Kleidung, Accessoires und Lifestyle. Diese fehlende Basis an Werten und Überzeugungen macht eine Charakterisierung sehr schwierig und wird dem Hipstertum als Subkultur, sowie der gesamten Generation Y zum Vorwurf gemacht.

 

Merkmale eines Hipsters

Mit dem Nonkonformismus als zentralem Element gilt allgemein: je spezieller und ausgefallener, desto besser. Der Versuch, sich in der sozialen Schicht von den Anderen abzuheben, zieht sich als Individualisierungs- und Distinktionswahn durch fast alle Lebensbereiche und wird im Folgenden beispielhaft beschrieben.

Hipster-Mode

Angelehnt an die Mode der achtziger und neunziger Jahre war der Vintage-Look anfänglich reiner Second-Hand-Look, der vorwiegend auf Flohmärkten erworben wurde. Durch die Ablehnung von Markenkleidung und dem Wiederauflebenlassen von vergangenen Trends soll ein individueller Kleidungsstil nach außen getragen werden. Doch verschiedene Modelabels, wie beispielsweise „Urban Outfitters“, griffen den Trend schnell auf und überschwemmen inzwischen den Markt mit Second-Hand-Mode bzw. Reproduktionen. Für die Hipster-Bewegung beispielhafte Kleidungsstücke sind Holzfäller-Flanellhemden, enge Röhrenjeans – auch gerne hochgekrempelt – sowie Vans- oder Converse-Schuhe, kombiniert mit verschiedenen Accessoires. Vor allem Jutebeutel, Trucker-Mützen, Nerd- und die Ray-Ban-Wayfarer-Sonnenbrillen sind inzwischen als absolute Hipster-Accessories in Verruf.

Hipster-Lebensmittel

Der Devise „je ausgefallener desto besser“ folgend, werden vor allem Produkte kleiner, alternativer Hersteller von der Hipster-Kultur präferiert. Bei Lebensmitteln werden Teile des Öko- und Bio-Trends als hip und erstrebenswert erachtet und in den eigenen Lifestyle übernommen. Mainstream-Ketten wie beispielsweise McDonald’s werden klar abgelehnt und eher unbekannte, Alternativmarken und -produkte präferiert.

Astra, eine Biersorte der Hamburger Holsten-Brauerei, und Club-Mate, ein koffeinhaltiges Erfrischungsgetränk der kleinen Brauerei Loscher aus Münchsteinbach, wurden so in den letzten Jahren zu absoluten Hipster-Getränken in deutschen Großstädten. Auch der Filterkaffee erlebte durch die aufkommende Vintage-Kultur und den Retrotrend eine einzigartige Renaissance.

Hipster-Wohnen

Präferiert werden hier ganz klar die Szeneviertel der Großstädte. Während anfangs New York, London und Berlin als die Hauptstädte der Hipster-Kultur galten, wurden vom Zeit Magazin inzwischen acht Hipster-Städte in Deutschland gelistet: So gibt es neben Berlin auch in Hamburg, München, Stuttgart, Frankfurt, Leipzig, Düsseldorf und Köln Viertel mit hohem Hipster-Potential.

Auffallend hierbei ist, dass die Szeneviertel vor dem großen Hype meist als „dreckig und billig“ galten. So kommt es regelmäßig zur Gentrifizierung (ugs. Yuppiesierung) ganzer Stadtteile durch die Hipster-Kultur und somit zu einer Suburbanisierung der Armut. Die zugezogenen Hipster verdrängen die alteingesessenen Anwohner und treiben durch die hohe Nachfrage in den neuen Szenevierteln die Mietpreise in die Höhe. So kippt Jahr für Jahr irgendwo ein ehemaliges Arbeiterquartier durch den Einzug von Hipstern – und bringt Bioläden und überteuerte Boutiquen hervor, was oftmals den Unmut der bisherigen Bewohner auf sich zieht.

Hipster-Kunst und Kultur

Der Retrolook zeigt sich auch in der Kunst und Kultur. Auch hier ist eine gewisse Nostalgie in der Rückbesinnung auf analoge Techniken festzustellen. Diese zeigt sich beispielsweise in der Verwendung von analogen Foto- und Filmkameras wie der Super 8 Kamera, die von Kodak bereits 1965 eingeführt worden war. Die Ergebnisse werden auf zahlreichen, einschlägigen Foto- und Video-Blogs präsentiert und verbreitet.

Auch die wiederaufkommende Nachfrage nach Schallplatten kann als Resultat des Retro- und Vintagetrends gewertet werden. Insgesamt ist hier jedoch zwischen realem, tiefgründigem Interesse für die analoge Technik und oberflächlicher Übernahme von Charakteristiken zu unterscheiden. Ist die analoge Fotografie sicher als ernstzunehmendes Hobby zu werten, ist die hohe Nachfrage, beispielsweise nach der iPhone-App „Instagram“, sicher dem Hipster-Trend geschuldet. Mit dieser Software ist es möglich, ähnliche Effekte wie mit einer Polaroid- oder Großbildkamera zu erzielen. Somit geht es den Benutzern dieser App nicht um ein reales Interesse an der analogen Fotografie, sondern um eine pseudo-nostalgische, oberflächliche Übertragung gewisser Effekte auf moderne Technologie.

Hipster-Technik

Eine klare Trennung zeigt sich bei der Hipster-Kultur zwischen Retro-Chic und modernen technischen Geräten. Die bereits angesprochenen Accessoires wie analoge Kameras ausgenommen, ist in der Hipster-Kultur eine klare Ausrichtung zu modernen technischen Produkten zu erkennen. Besonders die Produkte der Firma Apple stehen bei den Anhängern des Hipster-Kults hoch im Kurs. Die noch relativ geringe Verbreitung der Apple-Geräte visualisiert Andersartigkeit und einen Hang zum Kreativen und Künstlerischen. Auch am hohen Preis der Geräte ist zu erkennen, dass sich die finanzielle Stellung der Mitglieder der Hipster-Kultur nicht mit dem optisch oft nachlässigen Erscheinungsbild deckt. Die technischen Geräte wie iPhone und MacBook werden als Objekte zur Repräsentation betrachtet und in der Öffentlichkeit teilweise regelrecht inszeniert.

Crosspost von netzfeuilleton. Dort könnt ihr auch den 2. Teil lesen: Look at this Fucking Hipster! Warum finden alle Hipster scheiße?

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