#Bernd Schlömer

Bernd Schlömer: Ein Stückweit Politik

von , 6.8.12

Der Vorsitzende der Piratenpartei, Bernd Schlömer, ist ein liberales Stück Seife. Im Gespräch mit Katja Kipping und Jakob Augstein weicht er jeder Profilierung aus, nennt Inhalte “Ideologie” und hält die persönliche Meinung eines Politikers für ein “Vorgreifen” auf Beschlüsse. Sein Auftreten ist inkongruent; verbale Lässigkeit wird von einer verkrampften Körpersprache konterkariert. Er scheint als Person lieber nicht stattfinden zu wollen, ein Fisch im Schwarm, der zufällig der Vorsitzfisch ist.

Nun sollte man hoffen, dass eine Person an prominenter Stelle im Politikbetrieb, die sich so bescheiden formlos gibt, ein Programm vertritt, dem sie sich ganz verschreibt. Dazu sagt Schlömer aber, die Piraten würden zwar “ein Stückweit aufgrund ihrer Programmatik gewählt“, in erster Linie aber wegen einer allgemeinen “Wechselstimmung“. “Insbesondere junge Menschen” seien “von pragmatischen Lösungen geprägt, nicht von Ideologie”.

Bevor ich mich dem eingehender widme, noch ein Beispiel für solche Pragmatik:

Von Kipping nach einer Abschaffung der Netzneutralität befragt – unter dem Hinweis, dass jene wie im echten Leben den Reichen Vorfahrt einräume – beschränkt sich Schlömer auf ein Verständnis von Netzneutralität, das aufhorchen lässt:

Die Piraten seien für Lösungen, mit denen “Monopolbildung verhindert wird“, “Monopolbildung und Oligopolbildung reduziert und ausgeglichen werden“.

Liquid Charaktermask

Wenn der Mann nun weder als Vertreter einer Programmatik noch als Person stattfinden will, darf man dann wenigstens das, was an Äußerungen noch übrig bleibt, wörtlich nehmen? Eine Marktregelung, die Monopole und Oligopole “reduziert”, ist also das pragmatische Ziel der Piraten? Die Oligopole zulässt, aber “ausgleicht”? Selbst die Netzneutralität beschränkt sich demnach auf eine Art kartellamtlich überwachte Förderung des Kapitals. Und das ist dann also “ideologiefrei”?

Der ganze Sermon ist politisch nicht ernst zu nehmen. Schon die Definition als Partei der “Wechselstimmung” taumelt willig dem Untergang entgegen, der eben kommt, wenn die Stimmung kippt. Er lässt keinerlei Inhalt erkennen und wird dann noch mit dem Etikett “liberal” versehen. Ein Stückweit liberal mit Markt und ausdrücklicher “Staatsskepsis” also? Mich gruselt’s.

Der “Wechsel”, der sich andeutet, ist der von einem bewussten neoliberalen Klassenkampf zu einem naiven Aufguss, der das Resultat jahrzehntelanger Propaganda Pragmatismus nennt. In einem Anfall gefühlsseliger Schwärmerei hätte Schlömer dann gern noch ein Stückweit Solidarität, will sie aber nicht so nennen, vielleicht weil das uncool wirkt. Er sagt stattdessen “Verantwortung füreinander” und wiederholt, ganz ideologiefrei, die neoliberale Parole.

Gähnende Leere

Sich nach allen Seiten offen zu zeigen und sich dabei tief zu bücken scheint die piratische Kunst werden zu sollen. Am ESM zum Beispiel hat der Vorsitzende den Entscheidungsprozess zu kritisieren, nicht etwa das Resultat. Inhalte interessieren ihn nicht einmal, wenn die Welt aus den Angeln gehoben wird. Sollte ein angemessener Entscheidungsprozess dazu führen, erklären wir also Polen den Krieg, oder wie?

Es ist extrem ermüdend, Schlömer zuzuhören. Wo er nicht neoliberale Parolen drischt, wiederholt er monoton sein Selbstlob über die großartigen Strukturen in der Piratenpartei, die alles ändern würden. Er selbst hingegen schwitzt aus allen Poren, dass die Piraten keine Alternative sind, sondern eine Karikatur. Er redet einen Brei wie alle anderen, die sich auf nichts festlegen, damit niemand das Verhältnis von Anspruch und Wirklichkeit überprüfen kann. Davon haben wir mehr als reichlich. Selbst Augstein hält ihm das vor, und Katja Kipping lässt ihn in der Hälfte der Redezeit schlicht alt aussehen.

Der Bürokrat als Chef der Piraten zerlegt eigentlich das Letzte, was sie noch attraktiv macht: Ihr Design, das coole Image, den Ruch von den Outlaws, die sich ihre Gesetze selber machen. Am Ende werden sie aber doch bloß eine Variante sein jener Plünderer, die den Armen nehmen und den Reichen geben. Denn dagegen gibt es noch keinen Beschluss des virtuellen Parlaments, also ist das wohl so in Ordnung.
 
Crosspost von Feynsinn
 

Zustimmung, Kritik oder Anmerkungen? Kommentare und Diskussionen zu den Beiträgen auf CARTA finden sich auf Twitter und auf Facebook.