#Geistiges Eigentum

Kleine Antwort an die Befürworter des geistigen Eigentums

von , 7.3.12

Wolfgang Michal meint, einen Argumentationsfehler gefunden zu haben. Wer argumentiert, es gebe kein geistiges Eigentum, der, so Michal, müsse gegen jede Form von Eigentum sein. Denn wenn man nach Wolfgang Michal ein Recht als Eigentumsrecht bezeichnet, dann ist es das auch.

Nun denn. Die ewig gleiche Diskussion. Spiel’s noch einmal, Sam:

Und wenn wir den moralischen Maßstab der Kritiker des geistigen Eigentums anlegen, dann könnten wir sagen: die ganze Menschheit war beteiligt, also hat jeder Mensch ein Recht auf Nutzung. Die Menschheit hat das iPhone hervorgebracht. Und das Auto. Und den Kartoffelacker.

Immaterielle Güter zeichnen sich durch zwei Besonderheiten aus:

  1. Sie sind ohne weitere Kosten vervielfältigbar.
  2. Sie sind zugleich Input als auch Output ihres Produktionsprozesses.

Beides trifft zumindest in der Regel nicht auf physische Güter zu. Hat jeder Mensch ein Recht auf ein iPhone? Wenn ja, wer kommt für die Kosten der Vervielfältigung auf? iPhones lassen sich so wenig wie Autos oder der Kartoffelacker ohne zusätzliche Kosten vervielfältigen. Immaterielle Güter dagegen schon.

Sollte die Vervielfältigung immaterieller Güter also immer erlaubt sein? Das ist eine Frage, die beantwortet werden muss. Dass es ohne Kosten möglich ist, ist dagegen ein Fakt. (Der Fakt übrigens, weswegen wir überhaupt diese Diskussion erst auf breiter Basis führen. Denn die kostenfreie Kopierbarkeit ist in Verbindung mit der Digitalisierung die Grundlage für die massenhaften Urheberrechtsverletzungen.)

Darüber hinaus aber lässt sich natürlich argumentieren, dass die Menschheit ein Recht darauf hat, dass ihr das Konzept mobiles Multitouchgerät, oder das Konzept Automobil gehört, denn diese Konzepte sind natürlich nicht vom Himmel gefallen. Und siehe da: es gibt viele konkurrierende Unternehmen, die Autos oder Smartphones mit Touchoberfläche herstellen. Das ist aber eher ein Thema des ebenfalls diskutablen Patentrechts denn des Urheberrechts.

Ja, wir knüpfen alle an Bestehendes an und entwickeln es weiter. Auch materielle Güter ruhen auf den „Schultern von Giganten“. Warum also wird aus dieser wunderbaren Einsicht nicht die Konsequenz gezogen, geistiges und nicht-geistiges Eigentum gleichermaßen zu hinterfragen? Wenn schon, denn schon.

Weil die Sachlage beim physischen Eigentum eine völlig andere ist. Das ist der einzige Punkt, um den es geht, wenn gegen den Kampfbegriff des geistigen Eigentums argumentiert wird.

Natürlich hat es auf den Filmmacher, den Musiker oder den Lyriker von heute Auswirkungen, welche Rechte wir seinen Vorgängern gegeben haben. Werke wie Shakespeares ‘König Lear’ wären im heutigen Coyprightrahmen praktisch unmöglich.

Ist das egal? Hauptsache Eigentum?

Es ist keine vernachlässigbare Binsenweisheit, dass Kulturschaffende immer auf das Vorhergehende aufbauen. Es ist das wichtigste Merkmal menschlicher Kulturproduktion für unsere Debatte. Wenn wir denn die gesamte Gesellschaft betrachten wollen.

Doch in Artikel 14 des Grundgesetzes steht nicht: „Geistiges Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“. In Artikel 14 steht: „Eigentum verpflichtet“ – ohne jede Einschränkung. Warum also soll ein Filmemacher mehr Verpflichtungen haben als ein Bauunternehmer oder ein Rechtsanwalt?

Und der Begriff “Geistiges Eigentum” kommt im Grundgesetz nicht vor. Ein Filmemacher hat nicht mehr Verpflichtungen als ein Bauunternehmer. Er produziert nur ein anderes Gut mit anderen Eigenschaften, das unter ein anderes Recht fällt. Er ist in diesem Aspekt nicht mit dem Bauunternehmer vergleichbar.

Es sind diese immer wieder recycelten Argumentationsmuster, die eine konstruktive Debatte über die Reform des Urheberrechts verhindern. Es ist ein Ausweichen ins Grundsätzliche samt den dazu gehörenden Haarspaltereien (etwa über das „Wesen“ des geistigen Eigentums).

Nein, eine konstruktive Debatte wird verhindert von Kampfbegriffen wie “geistiges Eigentum” oder “Raubkopie” oder die Bezeichnung des Diebstahls für unautorisiertes Filesharing.

Warum? Weil sie bewusst eine konstruktive Debatte verhindern sollen. Weil sie davon ablenken sollen, dass es um gesetzlich abgesicherte Monopole auf Verwertungsrechte und ihre Verletzungen geht. Wenn wir anfangen, von Monopolrechtsverletzungen zu sprechen, dann dürfte vielen aufgehen, dass es nicht um Moral, Eigentum und Enteignung geht, sondern um – gesetzlich geregelte – Geschäftsmodelle.

Dann würden wir auf einmal eine Debatte führen, bei der es um die tatsächlichen Vorgänge geht. Eine Debatte, bei der die großen Rechteverwerter, die einzigen Player, die direkt auf Urheberechte und ihre Verwertung angewiesen sind, verlieren könnten. Genau das gilt es mit diesen irreführenden Begriffen zu verhindern.

Und es funktioniert offensichtlich hervorragend.

Was für ein diskurstechnische Glanzleistung dieser Unternehmen, dass wir diese Debatte noch immer führen müssen.

Anstatt aber den Sinn und den Unsinn der Nutzungsrechte für Sacheigentum und Immaterialgüter zu diskutieren und beide miteinander zu vergleichen, verheddern sich die Kritiker des geistigen Eigentums in einem Kategorienfehler: Sie vergleichen analoges Sacheigentum mit digitalen Kopien.

Nein. Genau das wird eben nicht gemacht. Urheberrechtsmaximalisten setzen geistiges Eigentum und Sacheigentum gleich. Genau das ist das Problem, dass dies implizit und explizit so oft auch in der Debatte gemacht wird.

Vervielfältigung von immateriellen Gütern ist kein Diebstahl, es ist illegale Distribution. Weil geistiges Eigentum nicht mit Sacheigentum gleichgesetzt werden kann. Weil immaterielle Güter nicht mit physischen Gütern vergleichbar sind.

Eigentum ist aber eine gesellschaftliche Übereinkunft – in beiden Fällen. Ob es materiell oder immateriell, kulturell nützlich oder schädlich ist, spielt für die gesellschaftliche Festlegung keine Rolle.

Wie bitte? Es spielt keine Rolle, ob ein Gesetz kulturell nützlich oder schädlich ist? Natürlich spielen die Auswirkungen von Gesetzen eine Rolle bei der Ausgestaltung selbiger. Und wenn sie das nicht tun, dann kann man in einer demokratischen Gesellschaft als Bürger darauf einwirken, dass sich das ändert.

Allerdings fällt die Debatte ums geistige Eigentum unweigerlich auf seine Kritiker zurück. Sie müssen nun erklären, warum sie in Fragen des Eigentums so inkonsequent sind.

Nein.

Die Kritiker sind nicht inkonsequent, wie ich oben gezeigt habe.

Die Befürworter sind es: Sie sprechen vom geistigen Eigentum und setzen es mit dem Sacheigentum gleich, sie unterschlagen aber, ob sie zum Beispiel konsequenterweise auch für ein unendliches Urheberrecht – gleich dem Sacheigentum! – sind. Sind sie? Auf diese Herleitung wäre ich gespannt.

Es geht nicht um Eigentum, sondern praktisch immer um Lizenzen. Wenn immaterielle Güter nicht mehr an physische Datenträger gebunden sind, werden sie entgegen der offiziellen Bezeichnung nicht mehr verkauft sondern lizenziert. Kann man ‘gekaufte’ Musikdateien oder Filmdateien weiterverkaufen? Nein. Warum nicht? Vielleicht aufgrund der Besonderheiten immaterieller Güter?

Ging es vielleicht nie um Eigentum, sondern um Monopolmaximierung?

Darüber nachzudenken, ist aber zu anstrengend. Es ist einfacher, ‘geistiges Eigentum’ und Sacheigentum gleichzusetzen und denen, die dazwischen klar unterscheiden wollen, vorzuwerfen, sie würden es gleichsetzen und wären dabei inkonsequent.

Ich werfe dir den Fehler vor, den ich mache und zeige dir, warum er ein Fehler ist. Was ist das für eine Debatte? Kein zielführende. So viel ist sicher.

Der Text ist zuerst auf Marcel Weiß’ Blog neunetz.com erschienen.

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