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“Das ZDF wäre gut beraten, auf die Champions League zu verzichten”

von , 22.3.11

Dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland nicht zu ersetzen ist, belegt derzeit eindringlich die ebenso vielfältige wie kompetente Berichterstattung sowohl zur Katastrophe in Japan als auch zum gerade begonnenen Krieg in Libyen. Weder die Qualitätspresse hierzulande noch das Internet können die gesellschaftlich wichtige Berichterstattung von ARD und ZDF in diesen und ähnlichen Fällen ersetzen.

Medienwächter Ring: "Dass es häufig mehr um Quote als um Grundversorgung geht, erleben wir in der derzeitigen Diskussion um den beabsichtigten Kauf der Champions League-Senderechte."

Schon gar nicht wäre der private Rundfunk dazu in der Lage, über dessen gesellschaftlichen Auftrag erst in der vergangenen Woche auf einer Tagung der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten intensiv diskutiert wurde. Was der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Angesicht der aktuellen Krisen leistet, ist Grundversorgung im besten Sinne.

Möglich ist das nur, weil ARD und ZDF jährlich über acht Mrd. Euro Gebührengelder erhalten. Das ist in diesem Zusammenhang nicht zu kritisieren, denn es besteht in der Gesellschaft eine hohe Nachfrage an seriöser Berichterstattung. Hier sind die Gebühren sinnvoll investiert. Hier wird für jeden Zuschauer sichtbar, warum wir einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk brauchen.

Dass das nicht immer so ist, dass es häufig mehr um Quote als um Grundversorgung geht, erleben wir in der derzeitigen Diskussion um den beabsichtigten Kauf der Senderechte an der Champions League durch das ZDF. Die UEFA veräußert über die Schweizer Sport¬rechteagentur T.E.A.M. die deutschen Fernsehrechte für die Champions League zwischen 2012 und 2015.

Heute (22.03.2011) läuft die Angebotsfrist ab. Experten rechnen dabei mit jährlichen Kosten zwischen 45 und 50 Mio. Euro. Nach aktuellem Stand haben das ZDF und Sat.1 Gebote abgegeben. Noch wird die Champions League im Free-TV von Sat.1 übertragen. Der geplante Kauf der Senderechte an der Champions League durch das ZDF wirft sowohl eine Reihe grundsätzlicher Fragen im Zusammenhang mit unserer dualen Medienordnung auf als auch spezifische rechtliche Fragen.

Bereits jetzt liegen fast alle Fußballrechte im Free-TV beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk: Die ARD besitzt die Erstrechte an der Bundesliga, ARD und ZDF halten gemeinsam die Rechte am DFB-Pokal, den Spielen der Nationalmannschaft sowie an Europa- und Weltmeisterschaften. Einzig die Champions League und die Europa League werden von Sat.1 und damit von einem Privatsender übertragen.

Was für den Fußball gilt, trifft auf annähernd alle quotenträchtigen Sportarten zu: Bis auf die Free TV-Rechte an der Formel 1 liegen die Übertragungsrechte beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dabei sind Finanzgebaren und Argumentation der öffentlich-rechtlichen Anstalten äußerst widersprüchlich: Die ARD hat beispielsweise kein Problem, für die Rechte an Boxveranstaltungen des Sauerland-Boxstalles zwischen 2013 und 2015 54 Mio. Euro auszugeben. Gleichzeitig sehen sich ARD und ZDF aber nicht in der Lage, für die Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Südkorea (2011) und Russland (2013) zwölf Mio. Euro zu bezahlen, mit dem Argument, Gebührengelder seien nicht dazu da, Sportrechteagenturen die Kassen zu füllen. Außerdem sei man aufgefordert, generell im Sportsegment zu sparen.

Interessant wird diese Argumentation, wenn man auf die Rechte an der Champions League zurückkommt: Die Fernsehrechte sind nämlich an die Ausstrahlung von Hinweisen auf die Hauptsponsoren der Champions League gebunden. Derzeit sind dies vor allem Mastercard, Unicredit und Ford. Bezüglich ihrer Ausstrahlung gibt es von der UEFA genaue Vorgaben.

ZDF: 10 bis 15 Mio. Euro mehr, um sich von den Sponsorhinweisen freizukaufen?

Das Problem für das ZDF ist nun, dass der ab 2013 gültige 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag die Sponsormöglichkeiten für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk stark beschränkt. In § 16 Abs. 6 heißt es dazu „Sponsoring findet nach 20:00 Uhr (…) nicht statt; dies gilt nicht für das Sponsoring der Übertragung von Großereignissen nach § 4 Abs. 2“. Darin werden aber lediglich „Endspiele (…) bei deutscher Beteiligung“ genannt.

Qualifikationsspiele, Gruppenspiele und Endspiele ohne deutsche Beteiligung fallen also nicht darunter. Verbaut ist dem ZDF auch das Schlupfloch, dass es sich beim besagten Sponsoring um ein Ereignissponsoring handelt, das vom Sponsorverbot ausgenommen ist. Denn hier geht es eindeutig um ein Sponsoring der Sendung, durch das die Rechte preisgünstiger werden. Auch eine mögliche Argumentation, dass die Sponsorhinweise so mit dem Sendesignal verbunden wären, dass sie nicht entfernt werden könnten, greift nicht, da die Hinweise vom Lizenznehmer selbst eingefügt werden.

Angesichts dieser rechtlich sehr eindeutigen Bewertung scheint man beim ZDF darüber nachzudenken, sich von der Verpflichtung zur Sendung der Sponsorhinweise freizukaufen. Allerdings sind auch hier die Aussichten äußerst fragwürdig. So verlangt der Rundfunkstaatsvertrag in § 8 Abs. 1 ausdrücklich, dass Sponsorhinweise verpflichtend ausgestrahlt werden müssen.

Die Zuschauer sollen so darüber informiert werden, dass Dritte an der Finanzierung einer Sendung beteiligt waren. Mindestens ebenso schwer wiegt das Argument, dass ein in diesem Fall deutlich höherer Preis – Experten sprechen von 10 bis 15 Mio. Euro pro Jahr – dem zwingenden Gebot von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks grob zuwiderläuft.

Ein privater Anbieter, der keinerlei Problem hat, die Sponsorhinweise zu übertragen, kann die gleiche Leistung zu einem deutlich günstigeren Preis erbringen. Ganz abgesehen davon, dass die Sponsoren ein berechtigtes Interesse daran haben werden, auch in den Übertragungen im deutschen Free-TV zu erscheinen.

Die Übertragung der Champions League hat mit Grundversorgung ebenso wenig zu tun wie die Übertragung von Boxen. Und es ist wohl kaum im Sinne des dualen Mediensystems, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk auf ein Monopol bei der Ausstrahlung quotenträchtiger Sportarten zusteuert und dabei Randsportarten immer mehr in seiner Berichterstattung ignoriert. So gesehen wäre das ZDF auch jenseits der rechtlichen Problematik gut beraten, auf den Kauf der Senderechte für die Champions League zu verzichten und stattdessen wieder Sportarten zu übertragen, die auf eine Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk angewiesen sind.

Der Autor Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring ist Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien und sachverständiges Mitglied der Enquete-Kommission des Bundestages “Internet und digitale Gesellschaft”.

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