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Das Gauselmänner-System: Der unterschätzte Parteispendenskandal

von , 10.3.11

Die Süddeutsche erläutert in dem ausführlichen Seite 3-Artikel von vor drei Wochen das System Gauselmann (hier der Leyendecker-Kommentar dazu). Seit 1990 soll Gauselmann über 1 Mio. Euro an CDU, CSU, SPD, FDP und Grüne bzw. deren Abgeordneten gespendet haben. Spenden müssen erst ab 10.000 Euro ab Jahr und Partei veröffentlicht werden.

Nie ist der Name “Gauselmann” in den Rechenschaftsberichten der Parteien aufgetaucht. Glücksspielkönig Paul Gauselmann (Foto) hat seine leitenden Mitarbeiter aufgefordert, individuell zu spenden. So kamen Spendenbeträge zwischen 2.000 und 6.000 Euro zustande, die nicht veröffentlicht werden.

Die Spendenschecks der leitenden Mitarbeiter wurden mit einem Begleitbrief des Unternehmens an die Politiker geschickt. Gauselmann sagt selbst: “Für die Parteien war damit immer ganz klar, dass der Spender in der Automatenwirtschaft tätig ist”.

Aktuell in der Diskussion: Neufassung Glücksspielstaatsvertrag

Der Artikel erschien in der Süddeutschen wenige Tage, bevor sich die Chefs der Staatskanzleien der Länder zu Beratungen über den Glücksspielstaatsvertrag am 24. Februar trafen, wohl zur Vorbereitung der heutigen Sitzung. Der aktuelle Glücksspielstaatsvertrag läuft Ende 2011 aus und muss nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs neu angepasst werden: Drei verschiedene Modelle sind in der Diskussion. Gauselmann besitzt mit Cashpoint ein Unternehmen, das in Österreich und Italien bereits Sportwetten betreibt. Bei einer Lockerung der Regelungen würde auch er profitieren können.

Letzte Änderung des Spielgeräteverordnung: Großes Zugeständnis an Spielautomatenbranche

Die Spenden der Gauselmänner reichen schon Jahre zurück. Die „Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit“ war zuletzt im Jahr 2006 geändert worden, zu Gunsten der Spielautomatenbranche. Vorher betrug die Mindestspieldauer zwölf Sekunden, seitdem nur noch fünf Sekunden. Die Zahl der Geräte soll allein 2008 um 100.000 gestiegen sein. Eine Folge: Immer mehr wuchern die Innenstädte mit Spielhallen zu.

Über Tischkicker und Skatturniere

Die Umarmung der Parlamentarier durch Gauselmann und die Automatenindustrie ist viel intensiver als es die Parteispenden allein vermuten lassen. Regelmäßig finden sich bei Veranstaltungen der Parteien Tischkicker von Gauselmann, damit man sich an diesem vergleichsweise unschuldigen Spiel erfreuen kann.

"System Gauselmann": Da fast alle Parteien betroffen sind, versagt der politische Wettbewerb.

Als sich beispielsweise die FDP-Landtagsfraktion beim Hessentag 2008 präsentierte, stiftete Gauselmann einen Kicker. In Merkurspielhallen sucht man Tischkicker in der Regel vergebens. Der Spiegel berichtete im Dezember, dass zu Brüderles 25. Dienstjubiläum als Landesvorsitzender in Rheinland-Pfalz Gauselmann das Fest im Mainzer Schloss unterstützt habe.

Rheinland-Pfalz scheint im Fokus zu stehen, denn Hans-Martin Tillack schreibt in seinem Blog, dass auch Ministerpräsident Kurt Beck Spenden erhalten haben soll. Im erwähnten Artikel des Spiegel wurde auch berichtet, dass im Dezember 2010 im Jakob-Kaiser-Haus des Deutschen Bundestages ein Skatturnier für Politiker, Funktionäre und Journalisten veranstaltet wurde.

Pikant: Der Schirmherr der Veranstaltung der Automatenindustrie, Hermann Otto Solms, ist Bundestagsvizepräsident und jetzt liegt die Prüfung der Spendenvorwürfe zu Gauselmann bei der Bundestagsverwaltung. Begründet wird die offensichtlich intensive Auseinandersetzung mit der angeblichen Bedeutung der Automatenbranche in Deutschland.

Marktführer Gauselmann machte im Jahr 2010 einen Jahresumsatz von 1,54 Mrd. Euro. Zehn Mal mehr Umsatz als Gauselmann macht die Sanitärindustrie: über 15 Mrd. Euro Jahresumsatz. Man fragt sich, ob sich die Parlamentarier um diesen Industriezweig mindestens genauso intensiv kümmern.

Warum es ein Parteispendenskandal ist

Die Gauselmänner-Spenden sind ein waschechter Parteispendenskandal. Erstens handelt es sich um eine gewichtige Summe angesichts der vergleichsweise geringen wirtschaftlichen Bedeutung der Branche. Zweitens ist das System perfide angelegt, in dem die bestehenden gesetzlichen Regelungen gezielt unterlaufen werden. Drittens sind mögliche Gegenleistungen der Politik sehr klar erkennbar.

Edda Müller, Vorsitzende von Transparency Deutschland [Disclaimer: Der Autor ist Geschäftsführer von Transparency Deutschland.], bemerkte, dass es naiv sei anzunehmen, dass hier ohne erkennbare Gegenleistung gespendet worden wäre. Vor allem ist es aber ein Parteispendenskandal, weil die Politiker genau wussten, von wem das Geld kam. Sie haben der Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes, dass es bei der Transparenz auf den wirklichen Spender und nicht auf den “äußeren Anschein” ankommt, mit Füßen getreten. Sie waren die Empfänger der Briefe des Glücksspielkönigs Gauselmann und wussten genau, was lief.

Reaktion der Parteien

Der CDU gebührt insofern zumindest Anerkennung, als dass sie als bisher einzige Partei sich selbst nach §23b des Parteiengesetzes angezeigt hat. Haarsträubend war die Antwort der SPD-Schatzmeisterin. Laut Süddeutscher soll sie gesagt haben, dass es unerheblich sei, wo Spender arbeiteten. Dies im Lichte des sanften Zwanges, den der Arbeitgeber Gauselmann durch seine Briefe an seine leitenden Angestellte ausübte, ausgerechnet von der SPD zu erfahren, überrascht doch sehr.

Außerdem sagt Schatzmeisterin Hendricks, dass Personen, die weniger als 10.000 Euro spendeten, in der Logik des gültigen Parteiengesetzes “Anspruch auf Schutz ihres Namens” hätten. Es gibt in Deutschland weder ein Grundrecht auf die Annahme von Spenden, noch ein Grundrecht auf Parteispenden. Insofern wäre es für jede Partei ein leichtes, die Annahme der Spende von der Einwilligung in die Veröffentlichung des Namens abhängig zu machen. Viele gemeinnützige Organisationen verfahren ähnlich. Von CSU, FDP und den Grünen war in der Causa Gauselmann bisher nichts Handfestes zu hören.

Die negative Gegenleistung der Bundesländer

Als die Süddeutsche Anfang am Montag meldete, die Bundesländer wollten jetzt doch das Automatenspiel stärker einschränken, konnte man meinen, siehste, die Spenden haben ja gar nichts gebracht. U.a. soll die Spiellänge von fünf Sekunden auf 15 bis 20 Sekunden erhöht werden, minimal länger als vor der Novelle 2006.

Vielleicht war es gerade die Berichterstattung über das Gauselmänner-System, was eine gegen die Interessen der Automatenindustrie gerichtete Entscheidungsvorlage befördert hat. Vielleicht ist der Profit Gauselmanns aus der Öffnung des Sportwettenmonopols höher als die Einbußen aus einer stärkeren Regulierung der Automatenindustrie. In jedem Fall ist der Vorgang auch bei ausbleibender Gegenleistung ein Parteispendenskandal.

Wo bleibt die Medienberichterstattung?

Angesichts der Dimension des Skandals überrascht die ausbleibende Medienberichterstattung. Neben der Causa Guttenberg gibt es dafür verschiedene Gründe. Die Regelungen zur Parteienfinanzierung sind kompliziert. Auch die wenigsten Journalisten wissen, dass es neben Spenden an Parteien auch Spenden direkt an Abgeordnete gibt. Diese müssen erst ab einer Höhe von 10.000 Euro veröffentlicht werden. Vor allem fehlt es nach wie vor an Namen. Es ist kaum bekannt, welche Abgeordneten die Briefe erhalten haben, welche Abgeordneten direkt die Spenden angenommen haben und welche Abgeordnete zumindest durch Spenden an die lokale Parteigliederung profitiert haben.

Wunschliste der Aufklärung

Da fast alle politischen Parteien betroffen sind, versagt der politische Wettbewerb. Die Parteien schweigen gemeinsam und hoffen, dass es möglichst unbemerkt vorübergeht. Bezeichnend ist, dass das tatsächliche Machtzentrum bei Reformen zur Parteienfinanzierung eine informelle Kaffeerunde der Schatzmeister der Parteien ist und nicht der zuständige Innenausschuss.

Ich wünsche mir von den Medien, dass sie das Thema erneut aufgreifen und recherchieren, in der Hoffnung, dass mehr Namen der politischen Profiteure ans Tageslicht kommen. Ich wünsche mir von den Parteien, dass sie auf ihren Websites schriftliche Stellungnahmen veröffentlichen, wie sie den Sachverhalt bewerten, was sie bereits getan haben und welche Konsequenzen sie zu ziehen gedenken.

Ich wünsche mir Bürger, die Antworten von ihren Abgeordneten verlangen. Und ich wünsche mir von der Bundestagsverwaltung, dass sie den aktuellen Status und die Ergebnisse der Untersuchung auf ihrer Website veröffentlichen und nicht erst auf Journalistennachfragen reagiert.

Der Autor ist Geschäftsführer von Transparency Deutschland.

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