#"politische Rede"

zu Guttenberg: Ein Talent verselbständigt sich

von , 3.3.11

Karl-Theodor zu Guttenberg ist zurückgetreten. Dieser Schritt war nötig. Doch schon fordert die Union vielstimmig seine (baldige) Rückkehr, bei Facebook wollen zum Zeitpunkt mehr als 500 000 User „Guttenberg zurück“. Sogar Demonstrationen sind geplant.

Auffallend ist die Einigkeit, mit der Unterstützer wie Kritiker anmerken, zu Guttenberg sei ohne Frage ein politisches Talent1 . Nur: Was genau ist das eigentlich, ein politisches Talent?

Mit einem deskriptiven Politikbegriff kommt man dabei nicht weiter, denn die Bezeichnung “Talent” enthält ja immer eine Wertung.

Also ein normativer Politikbegriff? Das politische Talent als jemand, der/die geeignet ist, eine gute Ordnung herzustellen – trifft das auf zu Guttenberg zu?

Fassade neben Fassade neben Fassade

Als demütig wurde er beschrieben, und doch posierte er am Time Square und doch inszenierte er sich mit Frau und Talkmaster Johannes B. Kerner in Afghanistan. Als unabhängig von der Politik wurde er beschrieben, und doch klammerte er sich über Tage an sein Amt, auch dann noch, als die Faktenlage schon überwältigend war.

Als konsequent und Mann der Tat wurde er beschrieben, und doch blieb seine Rücktrittsdrohung während der Opel-Verhandlungen folgenlos, und doch versuchte er jetzt, sich mit weitschweifigen Erklärungen und durch Aussitzen aus der Affäre zu stehlen.

Als fähiger Akademiker wurde er beschrieben, und doch kopierte er seine Dissertation, zu der er erst mit Ausnahmegenehmigung zugelassen worden war, ungeniert aus zahlreichen Quellen zusammen.

Als nachdenklich wurde er beschrieben, und doch handelte er sprunghaft, als er Schneiderhahn, Wichert und Schulz (vorübergehend) ihres Amtes enthob und als er mitteilte, das Bombardement von Kundus sei erst angemessen, dann nicht angemessen gewesen.

Als aufrichtig und glaubwürdig wurde er beschrieben, und doch informierte er in Sachen Kundus den Bundestag unzureichend, und doch plagiierte er bei seiner Dissertation im großen Stil, um dann die Öffentlichkeit über Tage ungeniert anzulügen.

Als guter Bundeswehrchef wurde er beschrieben, und doch verschanzte er sich noch bei seiner Rücktrittsrede hinter den Särgen von getöteten Soldaten.

Als selbstkritisch wurde er beschrieben, und doch ließ er in seiner Abschiedsrede mit keinem Wort erkennen, er habe verstanden, worum es eigentlich ging.

Als Macher wurde er beschrieben, und doch hat er bislang allenfalls eine große Reform angestoßen, deren Finanzierung gleichwohl noch nicht gesichert ist.

Ein großes potemkinsches Dorf

Die ganze Figur Guttenberg entpuppte sich nach und nach als politisches potemkinsches Dorf. Jede dieser Zuschreibungen war eine glänzende Fassade. Nun kennt man die Rückseite jeder dieser Fassaden, jede für sich barg eine Illusion.

Jetzt noch auf Guttenbergs politisches Talent zu verweisen, ist gleichbedeutend damit, das potemkinsche Dorf als Ganzes zu trennen von seinen einzelnen Fassaden: Ja, kein Haus hier ist echt, mag sein, aber das Dorf ist es! Seht doch seine Pracht!

Ein normativer Politikbegriff kann diese Argumentation nicht tragen, auf jeden Fall nicht, solange man Politik im Kontext der Demokratie denkt. Auch für den Frieden, Kern vieler normativer Politikvorstellungen, hat sich zu Guttenberg nicht wirklich stark gemacht; im Gegenteil hat er die Aussagen, die zu Horst Köhlers Rücktritt geführt haben, unterstützt.

Das politische Talent als machtpolitisches Talent

Ihm politisches Talent zuzuschreiben funktionierte allenfalls, legte man einen instrumentellen Politikbegriff zugrunde. Wer Politik als bloßes Mittel sieht, Macht zu erlangen und zu halten, um der Macht selbst willen, für den ist egal, was hinter der Fassade steckt, solange sich genug Menschen von ihnen blenden lassen.

Und vielleicht ist zu Guttenberg ja wirklich ein fähiger, ein talentierter Machtpolitiker; immerhin stieg er schnell vom einfachen MdB zum Bundesminister, zum Abgeordneten mit dem besten Erststimmenergebnis und zum beliebtesten Politiker auf. 500 000 Facebook-Fans kommen nicht von ungefähr. Andererseits: Jetzt ist er sämtliche Ämter los.

Und: Der instrumentelle Politikbegriff taugt gerade nicht für eine Forderung nach Guttenbergs Rückkehr. Denn die ist ja explizit normativ: Guttenberg soll zurückkommen, man könnte hinzufügen, er soll wiederkommen, weil er gut ist. Instrumentell zu argumentieren hieße aber: Wenn er gut ist, kommt er auch zurück. Wenn nicht, ist er wohl nicht gut genug.

Guttenberg profitiert davon, dass das Narrativ des Talents gehegt und gepflegt wurde – vor allem von Journalisten, die es unbedarft übernommen haben; selbst Kritiker reproduzierten es. Es hat sich so verfestigt, dass es ihn auch jetzt zu tragen scheint. Das lag aber nicht an ihm, sondern primär an den Massenmedien, am Journalismus.

Das „politische Talent zu Guttenberg“ hat sich verselbstständigt. Wenn dem Politiker zu Guttenberg eines Tages eine Rückkehr in höchste Ämter gelingen sollte, dann deswegen. Für Journalisten sollte der Fall einmal mehr eine Lehre sein. Nicht immer hat das, was alle sagen oder schreiben, auch Substanz.

crosspost von beim wort genommen.

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