#Annette Schwindt

Ein Handbuch für die Facebook-Galaxie

von , 16.6.10

Facebook eine Schlangengrube zu nennen, wäre wohl etwas übertrieben. Eine gewisse Umsicht im Umgang mit diesem Social Network ist aber schon angebracht, wie der Aufruhr um Facebooks Privacy-Policy der letzten Wochen gezeigt hat. In dieser Situation kommt das Facebook-Buch von Annette Schwindt gerade recht. Aber hat es auch die nötige kritische Distanz zu seinem Gegenstand der Betrachtung? Und kann das Buch wirklich sinnvolle Tipps geben, wo doch der Umgang mit Facebook im Prinzip einfach und selbsterklärend ist?

Um es kurz zu machen: Dieses Buch trifft den Nagel auf den Kopf. Annette Schwindt schafft den durchaus schwierigen Spagat zwischen Begeisterung für Facebook einerseits und der Schilderung von dessen Problemzonen andererseits. Bei ihr wird nichts beschönigt oder unter den Teppich gekehrt. Schritt für Schritt führt sie in die Überfülle an Möglichkeiten ein und beginnt das Buch konsequent mit den extrem wichtigen Einstellungen zur Privatsphäre.

So einfach und schnell man nämlich bei Facebook einen Account angelegt hat, das Netzwerk selbst weist seine User nicht allzu genau auf die vielen Einstellungsmöglichkeiten zur Privatsphäre hin. Das Konzept dahinter: Möglichst vieles soll offen – bis hin zur Sichtbarkeit in Suchmaschinen – sein. Als User darf man deshalb keinesfalls dem schönen Layout trauen, das meist den Eindruck vermittelt, man würde nur mit seinen “Freunden” kommunizieren und dabei gar nicht sichtbar werden lässt, wie offen die eingestellten Daten tatsächlich gehandhabt werden. Annette Schwindt geht hierauf in ihrem Buch sehr genau ein.

Hätten Sie beispielsweise gewusst, dass ihre Freunde davon erfahren, wenn Sie auf Facebook eine Anwendung – ein Spiel etwa – nutzen, auch wenn sie dies selbst gar nicht explizit mitteilen? Zudem gilt es ein Auge darauf zu haben, welche User-Daten diese Anwendung dann einsehen und verwenden darf. Das Facebook-Buch weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Einstellungsmöglichkeiten für jede Anwendung individuell anders sein können und man diese am besten gleich konfiguriert, wenn man eine neue Anwendung seinem Profil hinzufügt.

Das Buch lohnt sich also allein schon wegen solcher Hinweise und Empfehlungen zum Datenschutz und kann damit auch eine Hilfe für Facebook-User sein, die schon länger dort aktiv sind und mit der Navigation eigentlich gut zurecht kommen.

Facebook hat speziell in letzter Zeit seinen Charakter grundlegend geändert: War das Social Network in seinen Anfängen eine geschlossene Plattform für Studenten, so ist es heute nicht nur offen für jedermann, sondern wurde auch immer transparenter bzw. durchlässiger für Informationen, weil diese die eigentliche Währung im Hintergrund sind. Sehr passend ist dazu die Bildmetapher, die Annette Schwindt in der Einleitung verwendet. Sie vergleicht Facebook mit einem Marktplatz, auf dem überall Gespräche stattfinden und Nachrichten verbreitet werden:

“Manche davon werden nur von einer Person zur anderen geflüstert, andere wiederum werden laut von einer Bühne aus an alle gerichtet. Manche dieser Informationen sind interessant und machen schnell die Runde, andere bleiben, kaum wahrgenommen, als Zettel an einem Stand hängen, bis sie von neuen Zetteln überdeckt werden.”

Genau so ist es und man kann dem noch eine weitere Vergleichsebene hinzufügen: Wer auf den Marktplatz (einer großen Stadt) geht, sieht sich vor, dass Taschendiebe nicht an die Geldbörse kommen, vergleicht die Preise und achtet darauf, dass er keine faule Ware verkauft bekommt. Warum sollte das auf Facebook anders sein?

Doch zurück zum Buch, das sich durch eine ordentliche Portion amerikanischer Didaktik auszeichnet: Konsequent findet man darin den Text auf der rechten Seite, während links Illustrationen das anzeigen, was man bei richtiger Handhabung auch im Browser eines Computers sehen sollte. Das Facebook-Buch ist also keine Monographie klassischer deutscher Prägung, sondern ein praktisches Handbuch und in dieser Form nicht zufällig im O’Reilly Verlag erschienen.

Sein einziger größerer Mangel liegt in der Natur des gedruckten Buches, das mit der Wendigkeit von Facebook mehr schlecht als recht mithalten kann: Es müsste eigentlich als Loseblatt-Sammlung mit laufenden Ergänzungslieferungen herausgegeben werden, denn bereits kurz nach seinem Erscheinen sind einzelne Passagen schon wieder überholt.

Verlag und Autorin wären gut beraten, das gedruckte Buch durch eine digitale Variante zu ergänzen, die vielleicht durch Updates auf dem aktuellen Stand der Dinge bleiben könnte. Ein Blog zum Buch gibt es bereits, warum also nicht eine Applikation oder ein E-Book folgen lassen? Facebooks Metamorphosen jedenfalls sind noch lange nicht beendet und der Verlag von Tim O’Reilly sollte damit Schritt halten können.

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Annette Schwindt: Das Facebook-Buch, O’Reilly, 288 Seiten, Euro 17,90. Hier bei Amazon bestellen und Carta mit einem kleinen Prozentsatz des unveränderten Kaufpreises unterstützen.

Außerdem bietet der O’Reilly Verlag Inhaltsverzeichnis und ein Probekapitel zum Reinschauen an:

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