#Aggregation

Facebook – Ein Sonderfall im Ökosystem des Internets?

von , 28.4.10

Die auf der f8-Konferenz von Facebook verkündeten Neuerungen haben zu einer Welle von Äuße­rungen geführt (guter Einstieg bei Facebook selbst) und z.B. bei netzwertig und in der U.S.-Fachpresse. Diese Neuerungen – Details werden hier vorausgesetzt – sind wichtige und gute konzeptionelle Schritte für Facebook und wohl auch für die „nächste Generation Internet“. Trotzdem: Nachdem es bereits etliche diskussionswürdige Themen gibt, geht mir Facebook nun zu weit. Ich habe daher mein Facebook-Konto deaktiviert.

Der Auslöser für mich ist der Umgang mit Nutzerdaten – dies aber auch vor dem Hintergrund meiner persönlichen Vorstellungen darüber, wie erstens ein „fairer Deal“ mit Nutzerdaten aussehen sollte und wie sich die Plattform anschickt, zunehmend die Kontrolle über die Daten sozialer Beziehungen zu gewinnen.

Doch von vorne: Was ist das Unternehmen Facebook, welche Stellung strebt es an, was ist daran kritisch und warum bringt mich der Daten­schutz-Komplex dazu, mein Facebook-Konto zu deaktivieren?

Inhalt:

→ A: Facebook – Wachstum auf Steroiden

→ B: Facebook – Ein Unternehmen unter Druck

→ C: Der Protest gegen Facebook

→ D: Facebook – Nummer vier im Krieg der Giganten

→ E: Facebook – die Spinne im Web oder: das neue AOL?

→ F: Der Anlass – Datenschutz und Privatsphäre

→ G: Zusammenfassung

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A: Facebook – Wachstum auf Steroiden

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Auf den ersten Blick ist Facebook einer unter mehreren Internet-Giganten. Facebook hatte Ende März gut 9,3 Millionen Unique User in Deutschland (anders Netzökonom). Das sind etwas mehr als ein Viertel der Nutzer von google.de, rund 20% weniger als Yahoo und ungefähr das Niveau von MSN oder GMX. Die Facebook-Nutzerzahlen sind also hoch, der Ein­druck relativiert sich aber in Vergleich zu anderen Internetangeboten in Deutschland. Derartige Ver­gleiche nach Unique Usern sind recht valide, dennoch sollte man diese nicht mit der Anzahl regis­trierter Nutzer verwechseln, denn Unique User sind ein technischer Messwert, der aus mehr oder weniger repräsentativen Panels hochgerechnet wird. Aufgrund von Doppelmessungen, z.B. aufgrund von mobilen Endgeräten, und nicht zuordenbaren IP-Adressen ist die tatsächliche Anzahl von Nut­zern vermutlich um mindestens 10% niedriger als die gemeinhin verbreitete Nutzerzahl. Nur Face­book kennt sie genau.

Trotzdem gibt es viele Gründe zu der Annahme, dass Facebook auf dem Weg zur „Nummer 1“ ist:

Das Wachstum von Facebook ist rasant. Nach den konservativen unter den externen Hochrechnun­gen wächst Facebook in Deutschland monatlich um mindestens 500.000 Unique User. Nach dem Autor vorliegenden Analysen betragen die Unique User Ende Januar 7.783.356, Ende Februar 8.153.324 und Ende März 9.388.632, d.h. das durchschnittliche monatliche Wachstum beträgt sogar rund 800.000 Unique User (Hochrechnung aus repräsentativem Panel, ohne Corporate Intranets, ohne facebook.de., was getrennt gemessen mit 200.000 Unique User zu Buche schlägt). Wie viele User wird Facebook in Deutschland erreichen? Es ist nicht abzusehen, wann dieses Wachstum verflacht oder ein Ende nimmt. Unterstellt man ein linea­res Wachstum, würde Facebook Ende 2012 Googles heutige Nutzerzahl erreichen.

Facebook hat, indem es Nutzerprofile und soziale Graphen zum Zentrum erhebt, eine Sonderrolle, strukturell nur mit anderen sozialen Netzwerken vergleichbar. Durch die Verknüpfungen mit anderen Nutzern, Inhalten, Mails, Seiten, Anwendungen und anderem ist die faktische Bindung der Nutzer an die Plattform so hoch, dass Facebook als Marktführer eine kaum angreifbare Stellung erreicht. Anders als bei einer Suchmaschine, deren Wechsel für einige Monate nur zum Verlust der verschmerzbaren letzten Prozente von Suchergebnisqualität führt, ist bei einem sozialen Netzwerk ein Plattformwechsel nur unter Aufgabe und faktisch der Neueingabe sämtlicher Daten mit Nutzerbezug möglich, soweit das Netzwerk nicht die „Mitnahme“ von Daten in andere Netzwerke über offene Schnittstellen unter­stützt. Entgegen dem ersten Eindruck sind E-Mail-Dienste wie GMail, GMX oder web.de demgegen­über weniger bindend, denn der Datentransfer erfolgt bei diesen über offene Protokollstandards (POP3, IMAP), offene Formate (Mail, Kontaktexport etc.) und Mailserver Dritter.

Vereinfacht gesagt: es macht Arbeit, seine Mails und Kontakte von GMX zu transferieren, bei sozialen Netzwerken ist es aber schlicht für Endnutzer nicht möglich, seine Daten aus dem „Silo“ herauszuholen – anders even­tuell für Entwickler mit der neuen Facebook-API.

Es ist auffällig, dass Facebook inzwischen deutsche soziale Netzwerke an Nutzerzahl deutlich überholt hat: Facebook hat fast die doppelte bzw. dreifache Zahl an Unique Usern vergleichbarer Netzwerke wie StudiVZ bzw. SchülerVZ. Wie kann es dazu kommen, wenn – wie eben behauptet – die Nutzer­bindung an soziale Netzwerke besonders hoch ist? Mein Eindruck ist, dass es in erster Linie die At­traktivität des Produktes Facebook selbst sein muss, die Nutzerwünsche besser erfüllt als andere Anbieter: Eigene Features, die Integration von anderen Anwendungen (von Farmville bis Twitter), Usability und Performance des Systems sind beachtlich. Dies ist kein Zufall, son­dern ist meines Erachtens erstens auf striktere „Produktdenke“ und zweitens bessere Finanzierung, Personalverfügbarkeit und Technologiezugriff in der Infrastruktur von U.S.-Firmen (Clusterbildung) zurückzuführen.

In zweiter Linie kommen aber folgende Turbo-Effekte hinzu, welche Facebook ge­stärkt haben und weiterhin stärken werden:

  1. Facebook fungiert nicht nur als Netzwerk, sondern als Plattform für Drittanbieter. Spiele, wie wir sie von Zynga kennen (Farmville, Fishville, Mafia Wars) ken­nen, sind erst der Anfang einer Viralität. Ein Indiz hierfür ist, dass Facebook-Investoren zugleich in Massive Multiplayer-Games investiert haben, die vermutlich als nächstes auf die Plattform gehoben werden. Ob diese Viralität Ausdruck sozialen Handelns oder von Soziopathie ist, sei dahingestellt.
  2. Das Ökosystem um Facebook herum führt weiterhin Nutzer zu: Unternehmen , Verlagsange­bote und Fanseiten aller Art steigern den Traffic auf Facebook deutlich, und zwar nicht nur innerhalb Facebooks, sondern auch über Links aus externen Angeboten und den alten „Tei­len“-Button. Das ist im Sinne eines nachfrageorientierten Handelns nach dem Mantra vieler Social-Media-Berater auch nicht a priori falsch. Ob es aber langfristig klug ist, solange die Kundendaten Facebook gehören, Facebook die Nutzungsbedingungen vorgibt und die Kostenfreiheit für die Zukunft nicht garantiert, steht auf einem anderen Blatt.
  3. Facebook beginnt als primärer Dienst für E-Mails genutzt zu werden, was nicht nur die Nutzungsfrequenz und -dauer erhöht, sondern eine „Facebook-Mailadresse“ zum Standard werden lässt (Chart)
  4. Facebook ist klare Nummer eins unter allen Sharing-Diensten (Zahlen für die USA)
  5. Diese starke Stellung führt zusätzlich aufgrund der Position als Nummer 1 zu einer Art „Mat­thäus-Effekt“, der schon von eBay bekannt ist: wer hat, dem wird gegeben. Der „Marktplatz der Personen“ ist dort, wo er ist. Je mehr die Nutzung der Plattform wächst, desto attraktiver wird die Plattform – und die Hürden für Wettbewerber steigen.

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Folgende Turbo-Effekte werden Facebook künftig zusätzlich stärken:

  1. Facebook beginnt, sich als Plattform für eCommerce zu entwickeln (Ein „heißes Startup“ ist Payvment.com, inklusive Paypal-Integration, Beispielbericht).
  2. Facebook wird aller Voraussicht nach das Mail-Modul deutlich verbessern (Projekt „Titan“, mit Integration externer Mailacounts und extern nutzbar unter einer Vanity-URL, z.B. [email protected], Gerüchten zufolge sogar mit einer Whitelist-Funk­tion, welche Dritte ausschließen kann)
  3. Facebook wird Geolocation-Dienste einführen, experimentiert mit physischen „Tokens“ zum Check-In, verschickt Aufkleber an Gewerbetreibende mit SMS-„Like-it“ an Facebook und stellt so die Verbin­dung zur Offline-Welt her.
  4. Facebook geht nun mit der neuen „Gefällt-mir“-Funktion zusätzlich zum altbekannten Link-Sha­ring den nächsten Schritt in Richtung Content-Aggregation innerhalb der Facebook-Plattform (was außerhalb erscheint, ist technischer Bestandteil von Facebook). Damit aggregiert es aber nicht nur Content, sondern wird als funktionales Element in verschiedensten Web-Anwendungen präsent. Je weiter die Verbreitung fortschreitet, desto mehr werden Nutzer diese Funktion als Teil ihres Surf-Verhaltens erleben und zur Content-Aggregation in Facebook beitragen.
  5. Die neuen „Community-Pages“ enthalten zunächst Wikipedia-Inhalte. Das kann man als Angriff auf die Wi­kipedia sehen. Facebook hat jedoch angekündigt, eigene Inhalte auf Community-Pages zu platzieren. Es ist daher wahrscheinlicher, dass Facebook hier den Erfolg der Content-Farmen Demandmedia bzw. Answers.com nachahmt , um erstens die Nutzungsdauer auf der Plattform zu erhöhen, zweitens struktu­rierte Nutzerdaten zu gewinnen und drittens – Community- Seiten sind öffentlich – künftig Traffic von außen nicht nur über Profilseiten und Statusmeldungen, sondern auch über gut verlinkte „hilf­reiche Inhalte“ zu bekommen.

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Ergebnis: Facebook wächst rasant, kann schon übernächstes Jahr Google an Nutzung überholen und be­schränkt sich nicht auf die hergebrachten Grundfunktionen sozialer Netzwerke.

Die folgenden Anmerkungen betreffen das Unternehmen selbst, seine Rolle im Web und seinen Umgang mit Datenschutz. Ein Vergleich mit Google ist methodisch nicht ganz sauber, solange nicht klar ist, was beide Unternehmen vergleichbar macht. Wo ich dennoch vergleiche, dann um das Thema Facebook besser zu durchdringen.
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B: Facebook – Ein Unternehmen unter Druck

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Facebook ist genauso wenig ein soziales Netzwerk, wie Google eine Suchmaschine ist. Es handelt sich vom Geschäftsmodell her gesehen um einen Werbeplayer wie Google, der kostenlose Dienste anbie­tet, um mit Werbung Geld zu verdienen. Die gilt allerdings, und das ist der erste Unterschied zu Google, nur hinsichtlich der bisher bekannt gewordenen Umsatzströme. Werden Unternehmens-Fanpages kostenpflichtig werden oder wird die Einbindung eines „Gefällt-mir“-Buttons eines Tages Geld kosten? Je nachdem, wie das Preismodell aussehen wird, das Facebook seinen Partnern vor­schlagen wird, kann es auch zu Umsatzbeteiligungen kommen, die aus Partnersicht faktisch „Ein­trittsgebühren“ sind. Dies gilt selbstverständlich nicht nur für Facebook, sondern z.B. auch für Apples iTunes-Plattform und die Suchergebnisseite von Google, auf der man sich als Werbetreibender „ein­kaufen“ kann.

Facebook spielt, rein wirtschaftlich gesehen, bei weitem nicht in der Liga der anderen großen Player. Die Sicht auf „die größte Internet-Nation der Welt“ versperrt den Blick dafür, dass Facebooks Finanz­daten noch nicht erfreulich sind: Das Unternehmen ist im siebten Jahr seiner Existenz nach eigenen Angaben erst seit einem halben Jahr cash-flow-positiv. Rechnet man kalkulatorisch Zinsen auf das Finanzierungsvolumen von mindestens 750 Millionen US-Dollar hinzu, so wird deutlich, dass Face­book nach normalen Grundsätzen kein profitables Unternehmen ist. Was umgekehrt die nachhaltige Renditeerwartung von Investoren angeht, kann man lange spekulieren: egal ob das Unternehmen aber, wie noch vor einem halben Jahr, mit gut 10 Mrd. US-Dollar oder wie nun auf speziellen Börsen für nicht börsennotierte Unternehmen mit 20 oder gar 30 Mrd. US-Dollar bewertet wird, bald wird es einige Milliarden US-Dollar Jahresgewinn ausweisen müssen, wenn es kein überbewertetes Spekula­tionsobjekt sein soll.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass Facebook aus binnen-kaufmännischer Sicht von Management und Investoren von einem „papiernen Nichts“ zu einem Big Player werden muss. Kurz­fristig kann dieses Missverhältnis zwischen Nutzung und Gewinn nicht aufgelöst werden, weil der Aufbau eines milliardenschweren Erlösstroms aus Werbung wie bei Google Jahre dauern wird: Google hat drei Jahre gebraucht, um nach der Einführung von AdSense und AdWords den ersten Milliardengewinn im Geschäftsjahr 2005 auszuweisen.

So sehr Facebook auch wirtschaftlich unter Druck steht, an Finanzkraft mangelt es Facebook nicht. Zwar verfügt Facebook nicht über eigene Liquidität zwischen 20 und 40 Mrd. US-Dollar wie die Platz­hirschen Apple, Google, Intel und Microsoft. Facebook ist aber „nach hinten“ über Microsoft, diverse starke VCs sowie ein bisher in Deutschland nicht erörtertes Investorenkonglomerat von DST (Russ­land), Tecent (China) und indirekt auch Naspers (Südafrika) abgesichert, die sowohl in den Spiele­hersteller Zynga als auch in diverse sozialen Netzwerken, Portalen, Massive Multiplayer-Games und Chat-Plattformen investiert haben und dort jeweils erhebliche Geschäftsanteile besitzen.

Im Unterschied zu Google ist Facebook kein börsennotiertes Unternehmen und folgt vergleichbaren Transparenzbestimmungen auch nicht; ganz verlässliche Fakten zur Aktionärsstruktur und zu Finanzdaten sind nicht bekannt. Und: Facebook ist – im Unterschied zu Google – kein profitables Unternehmen, sondern steht unter erheblichem Zahlendruck. Die „Internet-Nation“ Facebook ist das „Griechenland der In­ternet-Giganten“, das von nicht-öffentlich agierenden Investoren finanziert ist. Sie zeichnen jedoch gern neue Anleihen, solange die Gewinnerwartung stimmt.
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C: Der Protest gegen Facebook

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Das Gewinnproblem von Facebook löst sich kurzfristig nur mit einem Bezahlmodell und erst mittelfristig kommerzieller Werbung, da Facebook außer der Weiterentwicklung hochkomplexer Software auch den Werbemarkt weiter erschließen und zusätzlich die Nutzerakzeptanz entwickeln muß. Dieser Zeithorizont mag Nutzern und Kooperationspartnern „an sich“ egal sein. Es erklärt aber die Vorgehensweise des Unternehmens, das darauf abzielen muss, mit jedem Nutzer in irgendeiner Weise ein paar Dollar Gewinn im Jahr und ein Vielfaches an Umsatz zu erzeugen, und sich von nationalen Datenschützern, Ministern und MdBs auf seinem Weg schwerlich beeindrucken lässt: ein Abfluss an Nutzern schadet zunächst nicht, sondern spart Kosten, solange mit verbleiben­den Nutzern Gewinne erzielt werden können.

Politiker, die mit dem Handeln von Facebook nicht einverstanden sind, können vor diesem Hinter­grund letztlich nur mit hoheitlicher Grenzsetzung agieren, sieht man von den Alternativen der öffent­lichen Förderung, von Aktien in staatlicher Hand, der Förderung von Wettbewerbern, einer Plattform der „Stiftung Datenschutz“ und der Förderung offener Standards einmal ab.

Nutzer müssen die Vor- und Nachteile der Facebook-Nutzung gegeneinander abwägen. Für viele, die z.B. mit Freunden in der Ferne kommunizieren, mag der Nutzensaldo positiv sein. Andere, die zu ei­nem negativen Saldo kommen, sollten bedenken, was der Beitritt in eine Facebook-Protest-Gruppe bewirken kann: Gemessen am monatlichen Mitgliederzuwachs sind 70.000 Personen in Protest­gruppen (Aigner-Initiative, parteiüber­greifende Initiative) sehr wenig, sie verringern den monatlichen Zuwachs um 10%. Sie sind auch absolut nur 1% der Facebook-Population, also eine 1%-Partei. Dies entspricht nicht ganz der Wahrnehmung mancher Medien und ihr Erfolg ist vergänglich, wenn nicht gar kontraproduktiv, da die Abrufzahlen dadurch steigen.

Wahr­scheinlich haben die deutschen Akteure bei dem Versuch, die Facebook-Bestandskunden zu mobili­sieren, sogar Neukunden für Facebook generiert. Der Beitritt in eine Facebook-Protest-Gruppe ist also so klug wie der Einkauf von Waschmittel im Supermarkt, um sich nach dem Bezahlen bei der Kassiererin wegen der ökologischen Unverträglichkeit der Verpackung zu beschweren. Was bleibt, ist die Deakti­vierung oder das Löschen des Kontos und der (ggf. virale) Protest außerhalb von Facebook – nicht anders als bei Konsumgütern auch.
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D: Facebook: Nummer vier im Krieg der Giganten

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Es gibt in der Fachwelt eine Vielzahl von Veröffentlichungen über die Schauplätze des Kampfes zwi­schen Google, Apple, Microsoft und Facebook. Einige Analysen davon sind methodisch angreifbar, in summa ist aber eine Verschiebung des Nutzungsverhaltens in Richtung Facebook bewiesen: etwa über die Anzahl der Besuche im Vergleich zu Google, die Nutzung von Facebook als Suchmaschine, den Anteil von Facebook als Mail-Dienst und die Stellung als Traffic-Verteiler über Sharing von Inhalten anderer Websites. Die Verschiebung des Nutzungsverhaltens ist ein Indiz dafür, dass es nicht mehr richtig ist, von einem „Dreikampf“ zu sprechen, viel­mehr ist Facebook der vierte im Bunde. All diese Nutzungsdaten sind wichtig für Online-Anbieter, sie zeigen jedoch nicht die darunter liegende wirtschaftliche Konfliktsituation auf: Googles Umsatz be­steht zu 97% aus Werbeumsätzen und wird dabei nun einerseits von Apple mit iAd auf dem Mobile- und dem Home-Segment aus einer starken Stellung heraus angegriffen und andererseits auch von Facebook.

Die Logik des Werbemarktes ist jedoch nicht so, dass alle Werbeplatzanbieter profitieren, weil Wer­beumsätze insgesamt steigen. Vielmehr findet eine Verschiebung von Offline zu Online und innerhalb der Online-Gruppe zwischen den Anbietern und Kanälen statt. Dies bedeutet aus einer wirtschaftli­chen Perspektive: Wenn Apple und Facebook erfolgreich sind, wird Google Federn lassen müssen, es sei denn die Verschiebung der Werbeumsätze von Offline zu Online fängt das wieder auf. Dabei darf man nicht den Fehler machen, auf die Player nur wie ein Zuschauer eines Rugby-Spiels zu sehen, denn es kann auch außerhalb des Spielfeldes zu Verletzungen kommen, die sich derzeit nicht absehen lassen: Werden die Preise für Werbeplätze nochmals stark nachgeben, weil Apple und Facebook mehr Werbeplätze bereitstellen, und – wenn ja – welche Konsequenzen wird dies für andere werbe­finanzierte Anbieter wie Verlage haben? Wird – unter den vorgenannten Annahmen – der Gewinn von Google in einigen Jahren einbrechen und wie wird Google dann agieren? Wird Facebook sein Werbesystem wie Google auch für Werbung auf Drittseiten nutzen? Welche Konsequenzen hätte es, wenn sich zwar Android auf dem Mobile-Markt durchsetzt, jedoch Facebook die meistgenutzte Plattform wird? Bleibt Google am Ende gar keine Alternative als Facebook zu übernehmen oder über signifikante Beteiligung zum Partner zu machen, wäre das kartellrechtlich zulässig und welche Konse­quenzen hätte dieses? Profitieren Inhalteanbieter am Ende doch, weil sie den drei Technologieanbie­tern zwar unterlegen sind und die Kontrolle über den Werbekanal verlieren, aber die Anbieter preis­lich gegeneinander ausspielen können?

All dies bietet viel Raum für Spekulation. Werbetreibende, Online-Dienste, Inhalteanbieter, Wirt­schaftspolitiker und Datenschützer sollten ein Auge darauf haben, was die Konflikte wirtschaftlich bedeuten und welche Konsequenzen das hat, damit sie rechtzeitig ihre Interessen sichern.
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E: Facebook – die Spinne im Web oder: das neue AOL?

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Wie oben unter A. skizziert, ist die strategische Entwicklung von Facebook mehrdimensional:

  1. Das Produkt selbst wird von Facebook funktional ausgedehnt, beispielsweise in den Mail-Bereich (s.o., Pro­jekt „Titan“), aber auch in die Offline-Welt (s.o. A., Geolocation, Tokens und Aufkleber).
  2. Die Plattformarchitektur, bisher vorwiegend von Spieleanbietern genutzt, wird für weitere verti­kale Anwendungen Dritter wie eCommerce und Online-Office ausgebaut.
  3. Facebook enthält neuerdings Inhalte, bietet Inhalteaggregation an und kann durch die Kombina­tion aus „Gefällt-mir“-Wertungen, „Shared-Links“ und strukturierten Interessen (sog. „Connections“), sozialen Graphen sowie den entsprechenden Aktivitäten der „Freunde“ einen vollpersonalisierten Nachrichtenstrom erzeugen, der aufgrund der hohen Verbreitung des personalisierten Facebook-Dienstes jeden bisherigen Aggregator in den Schatten stellt.
  4. Es ist anzunehmen, dass es nicht beim Nebeneinander von Facebook und Bing bleibt, die bis­her nur Logo-Partner sind. Der soziale Graph von Facebook, an Bing übergeben, würde einer­seits zur Verbesserung der Suchergebnisse von Bing führen. Andererseits würde eine Facebook-Integration der Suchmaschine erheb­lich höhere Reichweite bescheren, allein das bisherige Suchaufkommen innerhalb Facebooks sind knapp 3% des Suchmarktes in den USA. Außerdem würde es die Verweildauer der Nutzer auf der Plattform weiter erhöhen. Was sollte beide Partner daran hindern, hier eine Win-Win-Situation einzugehen?
  5. Facebook bietet erstens Analyse-Tools für Anbieter und kann zweitens die Nutzung externer Websites analysie­ren.
  6. Facebook kann Bewegungsprofile von Nutzern erstellen, die zusätzlich tiefe Einblicke in die Nutzung fremder Websites bieten und die – im Unterschied zu Google Analytics und der Suchmaschine – explizit erfolgen und eindeutig Personenidentitäten zugeordnet werden können.

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Es ist nicht leicht, diese Entwicklung nach wenigen Tagen zu bewerten, ohne sich beim deskriptiven Teil aufzuhalten. Hier ein Versuch:

  1. Für Endnutzer haben die Neuerungen der f8-Konferenz hohen Nutzwert. Die Informations­selektion über den sozialen Graphen ist sinnvoll, um „Information Overload“ zu begegnen, und auch die Information, welche Personen aus dem eigenen Umfeld eine Webseite explizit gut finden, sollte jedermann bei der Orientierung helfen, um online wie offline Gespräche in dem Wissen zu führen, was generell oder in seinem Umfeld „common sense“ ist und was nicht. Auch wenn sich neue konzeptionelle Probleme wie selektive Wahrnehmung, Fragmen­tierung der Diskurse, explodierende Datenmengen sowie generell Quantität statt Qualität anbahnen, so werden sich diese Probleme in den nächsten Jahren durch verbesserte Verfahren und menschliches Zutun hoffentlich lösen lassen. Zusätzlichen Nutzen bietet die Personalisierung vieler anderer Websites sowie die Gewinnung semanti­scher Daten. Auch gegen personalisierte Werbung ist prinzipiell nichts einzuwenden, weil sie im Nutzungskontext eher als unpersonalisierte Werbung den Nutzerinteressen entspricht und zum Teil auch als informativ empfunden wird.
  2. Für Partner von Facebook entstehen Lock-In-Effekte mit erheblichen Konsequenzen. Vom Ein­satz des iFrames profitiert langfristig nur Facebook, nicht aber die beteiligten Partner-Websites. Denn erstens ist es mittelfristig ein Nullsummenspiel, wenn alle diesen iFrame ein­setzen, sofern das Trafficvolumen dadurch insgesamt nicht steigt – einen Vorteil haben nur „First Mover“. Zweitens decken alle Website-Betreiber nach einiger Nutzungsdauer die Iden­tität ihrer eigenen Kunden an Facebook auf: Facebook hat die Klarnamen, IDs, Fotos etc. von mindestens 10% der Nutzer der Partner-Websites. Das ist schon deswegen problematisch, weil kaum ein Inhalteanbieter dieses wichtige Asset der Kundendaten überhaupt selbst bis­her hatte (Ausnahme sind registrierte User). Ergebnis: Der Gewinn von allenfalls einer leichten Traffic-Erhöhung, „gewonnen“ aber durch Verschenken der Kundendaten an Facebook.
  3. Falls Partner auf die Idee kommen, ihre Werbeplätze durch Facebook vermarkten zu lassen, wird die Nutzung dieser Daten für personalisierte Werbung die Werbeeinnahmen der Part­ner nicht erhöhen, sondern nur die Performance der Werbemittel verbessern, solange Wer­bebudgets nicht steigen. Umgekehrt werden sie Facebook für den Vorteil, der Werbetrei­benden entsteht, ein Stück vom Kuchen abgeben müssen. Im Ergebnis sinken die Werbeein­nahmen der Partner. Hinzu kommt, dass Facebook – das ist das Wesen personalisierter Wer­bung – Wettbewerbsangebote ausliefern könnte. Schließlich gewinnt Facebook ausreichend Nutzerdaten, um eine repräsentative Nutzergruppe für jede teilnehmende Website zu er­stellen und die gewonnen Erkenntnisse Wettbewerbern zu verkaufen oder selbst in Wettbe­werb zu treten.
  4. Partner, die von Inhalten leben, sollten einen Blick auf die Nutzungsbestimmungen von Face­book werfen. Während der Erstellung dieses Artikels waren sie zum Teil nicht aufrufbar. Für den Teilen-Button heißt es aber aktuell unter Ziffer 8.: „Du erteilst uns und anderen Nutzern die Erlaubnis, derartige Links und Inhalte auf Facebook zu verwenden.“ Dies kann man so le­sen, dass Partner durch die Einbindung die Zustimmung zur vollständigen Einbindung ihrer Inhalte erteilen. Schon mit Google Buzz kann man Bilder von Inhalteseiten „remixen“.

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Wenn Nutzer – das Datenschutzthema einmal ausgeklammert – also profitieren, warum stehe ich den Neuerungen dann kritisch gegenüber?

  1. Die Neuerungen Facebooks sind nur hinsichtlich der Protokolle und Datenstrukturen “open”. Solange Facebook der einzige Behälter mit Userdaten ist, wird ein Datensilo gefüllt, das unter Kontrolle von Facebook ist: der „Gefällt mir“-Button liefert Daten nur an Facebook. Das ist ein kluger Schachzug und das gute Recht von Facebook, für Wettbewerb und Unabhängigkeit aller anderen Beteiligten im Ökosystem langfristig aber eher hinderlich. Für alle anderen im Ökosystem besser sind dezentrale Strukturen.
  2. Mit Facebook entsteht im Web ein möglicher „single point of failure“, demgegenüber besser sind redundante Strukturen.
  3. Facebook hat bisher keine formalisierte Zusammen­arbeit mit Spezifikationspartnern belegt. Was, wenn Facebook die Spezifikation oder die Nutzungsbestimmungen ändert? Sicher, auch im Falle anderer Standards wie HTML5 wird diskutiert, wer diese faktisch beeinflusst und warum; auch entstehen die meisten Technolo­gie-Standards durch faktische Implementierung. Für alle anderen im Ökosystem besser ist aber ein Konsor­tium, das strukturiert organisiert ist und firmenübergreifend standardisiert.
  4. Mit der strukturierten Erfassung von URLs, der „first Generation API“ des Internets, baut Facebook zusätzlich zu Nutzerdaten einen wertvollen Datenbestand auf, der – so verstehe ich es jedenfalls bisher – nur Facebook gehört. Dieser Punkt bedarf im Hinblick auf die Zukunft des Semantic Web vertiefender Betrachtung an anderer Stelle. Die Idee von Tim Barners-Lee war es jedenfalls nicht, wie Facebook das nun umsetzt.
  5. Facebook führt ein modifiziertes Modell des „fair use“ von Daten ein. Mit den neuen Nutzungs­bestimmungen darf Facebook die öffentlichen Nutzerdaten inklusive sozialem Graphen nicht nur an die benannten Partner, sondern auch an beliebige Partner wie Bing weiter­geben, die sich ihrerseits gegenüber Facebook zur Einhaltung von Datenschutzbestimmungen verpflichten. Aktuell nennt Facebook die Partner Microsoft Docs.com, Pandora und Yelp, welche diese Daten ohne Opt-In nutzen dürfen. Aus User-Sicht mag es ein Geschäft auf Gegenseitigkeit sein, sofern sie ein Part­nerangebot nutzen, weil sie dann als Gegenleistung z.B. bessere Suchergebnisse bekommen, so handhabt es auch Google. Wer diese Partner-Dienste aber nicht nutzt, hat keinen Vorteil von der Datenweitergabe. Der Deal, den Facebook formuliert, ist nicht mehr „Ich, Facebook, gebe, damit Du gibst, damit ich (mit Werbung Dritter) verdiene“, sondern „Ich gebe, damit Du gibst, und dann sehe ich weiter“. So war es schon bei den Lizenzverträgen von Facebook und Twitter mit Google und Bing, nur dass die lizensierten Statusmeldungen und Tweets am Ende immerhin wieder der Allgemeinheit zur Verfügung standen und so auch dem ursprüng­lichen Nutzer nützten. Nun, mit der neuen API und den neuen Nutzungsbestimmungen, geht Facebook einen Schritt weiter, denn die Datenweitergabe nützt zunächst nur Facebook, ohne dass der ursprüngliche Nutzer zwingend Vorteile hätte. Dagegen ist moralisch nichts einzu­wenden. Es sollte nur nicht wundern, wenn Nutzer mit der neuen Verteilungsgerechtigkeit nicht mehr einverstanden sind. Für diese Argumentation braucht es nicht einmal des Rufes „Meine Daten gehören mir!“, denn bei aller Skepsis zu Post-Privacy-Thesen muss man im­merhin anerkennen, dass Daten, die in der Zweierbeziehung Facebook-Nutzer entstehen, Fa­cebook grundsätzlich genauso zustehen könnten wie amazon die Kaufhistorie oder BMW die Daten an Service-Fällen. Nein, es geht nicht um Herrschaft über Daten, sondern es geht allein um „fair use“, ein ausgewogenes Verhältnis des Nutzens beider Seiten. „Meine Daten“ gibt es nur an Microsoft, wenn ich Microsofts Anwendung nutze, und nur an Google, wenn ich einen Google-Dienst nutze. Mein Ver­trauen gebe ich nicht pauschal an den Mittler Facebook, der es nach freiem Ermessen wei­tergeben kann.
  6. Eine Plattform, die den sozialen Graphen kontrolliert, sich als zentrales Traffic-Hub positio­niert und sich dabei anschickt, einen zusätzlichen Layer in das Internet einzuführen, ist ein strategisches Risiko für alle Anbieter, die auf demselben Layer auf das Hub angewiesen sind oder gar auf diesen Layer aufsetzen. Ersteres mag in Deutschland auch bezüglich Google ge­geben sein, es ist jedoch klüger, aus dieser Geschichte zu lernen. Dies gilt jedenfalls solange, wie Facebook nicht wenigstens ein Minimum an Transparenz – etwa vergleichbar mit Google erreicht, bei­spielsweise bei der Suchrelevanz, beim Ranking der Kriterien für die Inhalte-Aggregation und bei empfohlenen Seiten.

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Zusamenfassend und pointiert formuliert: Facebook wächst nicht nur rasant, sondern dehnt sich funktional in alle Richtungen aus und besetzt dabei mit dem sozialen Graphen und semantischen Daten einen zentralen Platz des künftigen Internets. Das ist das gute Recht von Facebook. Ob es aber den Beteiligten des Ökosystems nützt, ist eher fraglich – und im Ergebnis kann genau dies eines Tages das Blatt gegen Facebook wenden, wenn Facebook sein Ökosystem nicht nachhaltig behandelt.
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F: Der Anlass: Datenschutz und Privatsphäre

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Vorweg: Die neuen Nutzungsbestimmungen sehen entge­gen vielfacher Meinung nicht vor, dass „Facebook die Rechte an Nutzerdaten hat“. Erstens behält der Nutzer das Urheberrecht, zweitens sind die übertragenen Nutzungsrechte nicht-exklusiv und drittens ist die Rechteeinräumung „subject to your privacy and application settings“, d.h. die Verbreitung von Inhalten bestimmt der Nutzer selbst durch ebendiese Einstellungen. Dies ist bei Internetplattformen völlig normal, legitim und zur Zweckerreichung erforderlich. Hier ist das Problem nicht.

Vielmehr kommen mit den neuen Nutzungsbestimmungen zu den bekannten Problemen drei neue hinzu. Bekannt war der Austausch von Mailkontakten mit anderen Plattformen wie GMX und web.de sowie der Umgang mit persönlichen Daten Dritter (Kontaktdaten, Bildmarkierungen). Neu sind die „Connections“ und ihre Voreinstellungen, die Erfassung von externen URLs und der Datenaustausch mit dauerhaft einge­bundenen Partnern. Wo ist bei diesen Neuerungen jeweils das Problem?

Der Sinn sogenannter „Connections“ leuchtet durchaus ein, denn so können Nutzen-Interessen maschinell besser verarbeitet werden als Freitext­angaben. Eine derartige Vorkategorisierung ist im Web auch seit vielen Jahren üblich (z.B. bei Web­mailern und rudimentärer Personalisierung). Jedoch werden vordefinierte Interessen Facebook-Mit­gliedern vom System vorgeschlagen und nach Klick auf die Schaltfläche „Link all to my profile“ öf­fentlich. Sie können erst wieder durch die Änderungen in den Tiefen der Privatsphäre-Einstellungen geändert werden. Das ist exakt das Systemverhalten von Google Buzz, das Datenschützer gerade Google in einem offenen Brief (PDF) vorgehalten haben. Auch Facebook sollte hier nachbessern.

Facebook betont, dass Partnerwebsites keine Nutzerdaten erhalten, loggt aber selbst über den neuen iFrame das Nutzungsverhalten auf fremden Websites mit; dies gilt für Facebook-Mitglieder, die Cookies nicht ausgeschaltet haben und sich in der gleichen Browser­sitzung nicht explizit aus Facebook ausgeloggt haben. Die Datenübergabe an Facebook kann also nicht nur beim Klicken auf den „Gefällt mir“-Button erfolgen, sondern schon dann, wenn eine Seite mit „Gefällt mir“-Button aufgerufen wurde. Dieser Button sieht dem alten „Share“-Button von Face­book, Yigg, Digg und anderen Link-Aggregatoren ähnlich, er bewirkt aber das Tracking des Nutzer­verhaltens auf den Partnerwebsites. Sollte er so verbreitet werden wie Link-Sharing-Funktionen, wird Facebook das Surfverhalten seiner Nutzer außerhalb der Facebook-Plattform kennen – nicht nur auf Angeboten der jetzigen 75 Partner, sondern vielleicht sogar im ganzen Web, ausgenommen die Dienste von Google, Apple und Microsoft.

Dieser Kritik kann man entgegnen, dass der iFrame technisch zu Facebook gehört und der Nutzer dieser Datenweitergabe eventuell in den Facebook-Nutzungsbestimmungen formal zugestimmt hat. Dennoch: Es versteht kein normaler Nutzer diese Technik und er kommt daher nicht auf die Idee, was Facebook hier loggt – es ist neu, dass man auf „einer Website“ (Facebook) die Zustimmung dazu er­klärt, was auf einer „anderen Website“ (z.B. bild.de) geloggt wird. Facebooks Klausel ist also so über­raschend wie die Antragsklausel einer Kreditkartenorganisation, die für das Betreten eines Ladens vorsieht, dass Nutzerdaten nebst Standort per RFID an die Kreditkartenorganisation geschickt wer­den. Es wäre sehr wundersam, wenn ein derartiger Datenschutzhinweis nicht auf den Websites anzubringen wäre, die Facebooks iFrame integrieren, da die gesamte Site inklusive iFrame ein einheitliches Angebot darstellt. Es verblüfft, dass Dutzende von deutschen Websites bereits zwei Werktage nach Vorstellung diese Features integriert haben, ohne ihre Datenschutzbestimmungen zu modifizieren.

Facebook-Nutzer nutzen ihr Profil in der Regel unter Klarnamen mit echten Kontaktdaten. Zu ersterem sind sie sogar nach den Nutzungsbestimmungen gehalten. Facebook erfasst also eindeutig personen­bezogene Daten, anders als Google Analytics und die Google-Suchmaschine, die allenfalls die IP-Ad­resse erfasst. Zwar führt auch Google diese Daten bei Nutzern eines Google-Kontos zusammen, doch hat Facebook schon heute eine höhere Verbreitung: Die Marktanteile von Google Docs, News, Calendar und Talk liegen jeweils unter einem Prozent, von Mail bei 12% (Eigenangaben von Google nach Nielsen Netratings). Denkt man die Entwicklung zwei Jahre weiter, so hat Facebook mehr Nut­zerdaten als Google, und diese nicht nur implizit, sondern auch explizit – inklusive der Beziehungs­daten, die weit mehr als nur eine Kontaktliste sind.
Alle in diesem Abschnitt genannten Punkte sehe ich als Nutzer besonders kritisch: mit erstens der Erfassung meines Surfverhaltens während meiner Login-Zeit (verbunden mit der bisherigen Anforde­rung in den Nutzungsbestimmungen, meine Identität zu offenbaren), zweitens beide Informationen zusammenzuführen und drittens diese Daten an Partner zu übergeben, ohne dass ich viertens davon einen Nutzen habe, hat Facebook einen „Deal“ vorgeschlagen, den ich ablehne. Dies aber auch vor dem Hintergrund, dass das Unternehmen mir keine hinreichende Transparenz bietet.
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G: Zusammenfassung

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Facebook kann die Nutzerzahlen von Google in Deutschland erreichen. Das Unternehmen steht aber einerseits stärker unter finanziellem Erfolgsdruck und ist andererseits weniger transparent als jeder andere der großen Player. Die Dienste von Facebook wachsen wie die von Google in mehreren Di­mensionen, dies jedoch schneller und auf einer einheitlichen Plattform, welche auf die „Killeranwendun­gen“ E-Mail, Spiele und Office sowie das Inhaltegeschäft abzielen. Im nächsten Schritt, der Einführung von Adsense-ähnlicher Werbung durch Facebook und von iAd durch Apple kann es zwi­schen Google, Apple und Facebook zu Verteilungskämpfen um den Online-Werbemarkt kommen, deren Konsequenzen schwer prognostizierbar sind. Facebook ist eine geschlossene Kommunikati­onswelt, eine unbekannter Suchalgorithmus, eine intransparenter Empfehlungsalgorithmus, eine Plattform ohne Daten-Exit – offen aber für Kundendaten und Inhalte Dritter.

Facebook wird mit dem sozialen Graphen und semantischen Daten einen wichtigen Platz in der Zukunft des Internets besetzen. Dies kann Endkunden nutzen, treibt jedoch alle anderen Partner in Abhängigkeiten, solange Facebook das „Datensilo“ für soziale Graphen ist und sich bei Standards nicht das Heft aus der Hand nehmen lässt. Für Endkunden sind dennoch mindestens fünf Features unter Datenschutzgesichtspunkten kritisch. Über die Zukunft von Facebook wird langfristig entscheiden, wie nachhaltig Facebook mit allen Partnern (Kunden wie Unternehmen) umgeht – seinem Ökosystem, von dem es abhängig ist.

Der Autor dankt dem Internet-Ökosystem für die zahlreichen Ideen, Anregungen und Richtigstellungen auf Twitter und in Blogs, ohne die dieser Artikel nicht möglich gewesen wäre.

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