#Medienwandel

Pay-TV in Deutschland: Keine heiteren Aussichten für “SKY”

von , 13.7.09

Kommerzielles Abonnentenfernsehen hat es auf dem deutschen Markt nie leicht gehabt. Das in Deutschland schon immer überschaubare Angebot an Exklusiv-Fernsehen kämpfte schon in der Vergangenheit – vor der Digitalisierung der Verbreitungswege – gegen ein erdrückendes Spektrum öffentlich-rechtlicher und kommerzieller Anbieter.

Die betriebswirtschaftlich angenehme Aufgabe eines vorfinanzierten Programm-Managements ohne die Anforderung, ein Publikum von jeder Sendeminute auf die andere neu begeistern zu müssen, führte auch mit nach Branchenansicht wertvollstem Content nicht zu den erhofften Ergebnissen (Meedia: Premiere verliert 80 Millionen in 90 Tagen). Dennoch muss festgehalten werden, dass sich Premiere auch angesichts Eigentümer-Wirrwarrs und Finanzierungs-Zirkus erstaunlich stark in der Fernsehlandschaft verankern konnte. Diese Verankerung ist indes nur wenigen Ursachen geschuldet, die es heute – nach der teuren und im gesamten Werbe-Geschäft nicht unwillkommenen Umfirmierung – zu betrachten gilt.

Ohne auf die besondere Rezeptionssituation in durchschnittlichen Fernsehhaushalten eingehen zu wollen, soll der Blick auf die Verbreitungswege und die Programminhalte gelenkt werden. Der Sommer 2009 markiert einen weiteren Versuch der News Corporation, auf einem der ertragreichsten Fernsehmärkte der Welt Fuß zu fassen. Eines vorweg: Was beispielsweise mit TM3 in den 1990er Jahren nicht gelang, droht sich heute zu wiederholen. Zu deutlich sprechen die Parameter des deutschen Fernsehmarktes gegen eine Erfolgsgeschichte. Nicht zuletzt ist der Name Sky zugleich auch Programm für Rupert Murdochs satelliten-gestütztes (Abonnenten-)Fernsehnetzwerk. Hübsche Kampagne hin, hübsche Kampagne her – mit 100 Millionen Euro Werbevolumen geht man an den Startdas Produktbündel Sky Deutschland ist den Kabelnetzbetreibern, die in den Abonnementfernsehmarkt drängen, hoffnungslos unterlegen.


Spot von Sky Deutschland zum Relaunch:
Große Gefühle, Barack Obama und Matthias Steiner.

Den regionalen Netzbetreibern, die aus der Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes hervorgingen, gelingt es immer besser, durch Digitalisierung ihrer Netze selber als Anbieter von Pay-TV-Bouquets in Erscheinung zu treten – trotz der besonderen deutschen Situation mit vier Netzbetreiber-Ebenen und der deshalb schwierigen, direkten Haushaltsansprache („Letzte Meile“). Die Marktüberlegenheit ist erdrückend.

Anders als beispielsweise in Italien oder Großbritannien mit unter 20 Prozent liegt der Anteil der Kabelhaushalte 2008 in Deutschland bei über 50 Prozent, in Belgien gar bei mehr als 90 Prozent aller TV-Haushalte. Nun wird das von Sky Italia und BSkyB über die Alpen und Nordsee rotierte Management beruhigend feststellen, dass die Digitalisierungsquote im Astra-Netz erheblich höher liegt als bei den Kabelnetzbetreibern. Und dass die Aufrüstung analoger Kabelnetze erheblich mehr Kosten verursacht, als orbitale Sendetechnik und erdene Empfangsanlagen in den Markt zu bekommen. Ebenso wird man feststellen, dass der Rechtepool der News Corporation dauerhaft in der Lage ist, sogenannten werthaltigen Content exklusiv anzubieten und damit ein Hauptproblem des zuletzt kränkelnden Premiere behoben wäre.

50 Prozent Marktanteil bei direkten Kundenbeziehungen und schrittweisem, auch gefördertem Ausbau erdgebundener Verteilnetze für Rundfunk und Telekommunikation? Telekommunikation!

Ehemals auf den Vertrieb, auf die Durchleitung von Rundfunkprogrammen beschränkte Unternehmen erschließen sich Haushalt um Haushalt über bequemes, fachdeutsch “Transaktionskosten sparendes” genanntes, Triple Play. Es ist nicht mehr nur der Rundfunk im Angebot, es sind die attraktiven Datendienste, also IP-Telefonie und Internetzugang, die über den Fernsehkabelanschluss in einem Paket zu einem Preis von einem Anbieter die Nachfrage stimulieren. Fernsehen wird in Zukunft nur noch ein Teil des Produktumfangs sein.

Von diesem (Kommunikations-)Markt ist Sky ausgeschlossen. Nebenbei forcieren die Kabelnetzbetreiber zusätzlich eigene Satellitenplattformen für den Vertrieb ihrer Programmpakete. Den Grundstein für diesen Beitrag legte der Verkauf der Premiere-Anleihen durch Unitymedia an die News Corporation 2008. Warum, so die erste Frage, trennt sich ein großer regionaler Kabelnetzbetreiber von der Marke, die seinen Weg in das Abonnentenfernsehen erst ermöglichte? Letztlich ganz einfach: Man brauchte Premiere nicht mehr. Premiere hat seine Funktion – fast – erfüllt. Auch wenn mit dem Sender Arena ein eigener Versuch mit dem Erwerb der Fußball-Bundesligarechte und anschließender Selbstvermarktung scheiterte.

Heute, und in Zukunft wohl noch verstärkt, treten Kabelnetzbetreiber nicht nur als Telekommuikations-Provider, sondern sukzessive als „Re-Packaging-Pay-TV-Anbieter“ auf – durch eine Vorwärts-Integration auf der vertikalen Wertschöpfungssäule. Kabelnetzbetreiber bieten ihren schon vorhandenen Kunden mit der monatlichen Versorgungsgebühr individuelle Pay-TV-Bouquets an. Und das in einer Vielzahl, wie sie ein Unternehmen ohne eigenes Vertriebsnetz zu leisten nicht imstande ist und sein wird.

Vor dem Hintergrund einer nicht zuletzt durch Rabattsünden schwierig gewordenen Werbefinanzierung, insbesondere für Spartenprogramme, flüchten immer mehr Programmveranstalter in die Pay-TV-Bouquets großer Marken. Diese Option nutzt Sky natürlich ebenso. Doch ist die Flexibilität in der Preisgestaltung begrenzt. Lassen sich von den Kabelnetzbetreibern Programmpaktete für jeden Wunsch der Haushalte zusammenstellen, ist die Marke Sky Deutschland ungleich schwerer von der Werbekommunikation um Premium-Inhalte abzulösen.

Auch hat sich die Bedeutung des Programm-Angebots im Pay-TV-Markt verschoben. Man könnte Fernsehen allgemein als Gattung auch überspitzt ein Verlegenheits-Medium nennen. Der exklusive Inhalt verliert seinen Informationsvorsprung und kann maximal mit seinem Eventcharakter Punkte in den Haushalten und/oder Sportbars sammeln. Galten bislang Sport, Erotik, Kinolangfilme, Dokumentationen und Kinderprogramme auch in dieser Hierarchie als Alleinstellungsmerkmale im Angebotsspektrum des Fernsehens in Deutschland – neben den als Zwangs-Pay-TV missverstandenen öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstaltern –, sind es heute vornehmlich Sport, gefolgt von Kinderprogrammen und fremdsprachigen Bündeln, die die Nachfrage nach Pay-TV auslösen. Die Erotik gibt es im Internet gratis, Kinolangfilme ebenso und notfalls legal über eine große Auswahl von On-Demand-Services. Alles über die Datennetze, die ein Kabelnetzbetreiber auch offeriert. Wie lange Kinderprogramme eine tragfähige Pay-TV-Basis bieten, obliegt entweder der Autorität von Eltern in der Medienauswahl oder schlicht einem spezifischen Kostenbewusstsein.

Zusammengenommen sind es keine heiteren Aussichten, denen sich das neue Sky Deutschland gegenübersieht. Und was von Erfolgsmeldungen zu halten ist, der Abonnentenschwund sei gestoppt, befriedigen diese auch nur mehr eine gebeutelte Kommunikationsabteilung. Nein, Pay-TV in Deutschland ohne eigene Netzinfrastruktur bleibt weiterhin ohne einen ernsthaften Erfolg im Endkundengeschäft, tauglich als Abschreibungsobjekt für die News Corporation dagegen umso mehr. Das ehemalige Kirch-Imperium einmal anders herum.

Die Rede von einem „Pay-TV 2.0“, gekennzeichnet durch „Re-Packaging“ und „Triple Play“ als einzig erfolgreicher Strategie in gesättigten Fernsehmärkten wie Deutschland oder Österreich, greift nur mittelfristig. Zu deutlich scheinen am Horizont die ehemals schmalbandigen Telefonnetzbetreiber und Telekomriesen à la Deutsche Telekom oder Telekom Austria mit ADSL- und Glasfaser-Lösungen auf, die IP-TV faktisch im Markt verankern werden, sobald ein für das Fernsehen adäquater Qualitätsstandard erreicht ist. Die Diskussion um die Netzneutralität wird in diesem Kontext eine wettbewerbslenkende Variable sein.

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