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Ein Plädoyer für eigenständige Netzpolitik statt Überlastung im Innenministerium

von , 14.7.13

Uns Mitgliedern der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Bundestages war im vergangenen Frühjahr nach drei Jahren Arbeit „deutlich geworden, dass es sich bei der Digitalisierung um eine in alle Lebensbereiche eingreifende Entwicklung handelt, die noch lange nicht abgeschlossen ist.“ Diese Formulierung aus unserem Zwischenbericht der Projektgruppe „Demokratie und Staat“ (PDF) atmet in der Rückschau nach ein paar Monaten ein wenig naiven Neuland-Geist, ihr Kerngehalt ist aber dessen unbeschadet kaum zu bestreiten. Und so dient er auch als Begründung dafür, warum wir dem Bundestag damals im April einstimmig empfohlen hatten, einen ständigen Ausschuss „Internet und digitale Gesellschaft“ einzurichten.

Mein Kollege Thomas Jarzombek von der CDU ließ sich anlässlich der Plenardebatte zu den Ergebnissen der Internetenquete am 18. April sogar zu folgenden Zitat hinreißen: „Das Thema Internet ist viel zu wichtig, um der Unterausschuss von irgendetwas zu sein.“

Und weil das Internet so wichtig ist, empfahlen wir als Enquete im oben zitierten Zwischenbericht der Bundesregierung auch noch, dass sie „in ihrem Verantwortungsbereich eine entsprechende Spiegelung der Ausschussstruktur vornimmt, die eine bessere Koordinierung im Bereich des Querschnittsthemas der Netzpolitik möglich macht.“ Das ist etwas verklausuliert für: Wir wollen mindestens eineN Internet-StaatsministerIn, besser noch ein ganzes Ministerium!

Doch schon am selben Abend kamen frustrierte Stimmen aus der CDU, dass das mit dem eigenen Ausschuss für Netzpolitik und erst recht mit der oder dem StaatsministerIn eher doch nichts wird. Vielmehr solle das Thema beim Innenministerium gebündelt angesiedelt werden. Und siehe da, wenige Stunden zuvor war ein Gastbeitrag des Innenministers auf Spiegelonline erschienen, in dem Herr Friedrich über netzpolitische Themen sagte: „Sie betreffen die Kernbereiche meiner Arbeit als Bundesinnenminister.“

Eine Bündelung beim Innenministerium und der Widerstand innerhalb der Union gegen einen eigenen Internetausschuss im Bundestag legen nahe, dass es am Ende auf einen Unterausschuss „Digitalisierung“ hinauslaufen würde, dem der Innenausschuss übergeordnet wäre. Das wäre dann auch nicht mehr, als der bestehende Unterausschuss Neue Medien beim Kulturausschuss – nur mit neuem Dach.

Was ein solches Bäumchen-wechsel-dich bringen soll, ist mir nicht ganz klar. Vor allem, weil ich die politischen Schwerpunktthemen beim Internet im Bereich von kulturellem Austausch, Wissenstransfer und digitalem Wirtschaftsraum sehe, mir da also ganz andere bestehende Ausschüsse als der des Innern als Anknüpfungspunkte einfielen, nämlich eben der Kulturausschuss (wo das Thema jetzt schon angesiedelt ist), oder der Forschungs- oder der Wirtschaftsausschuss.

Warum gerade die Innenpolitik das komplett falsche Ressort für ein freies Netz ist, hat Falk Steiner kürzlich anlässlich der Aufklärung der systematischen und flächendeckenden Netzüberwachung durch die Geheimdienste schön herausgearbeitet: Es ist ein Widerspruch, den Dienstherrn der Überwachungsorgane gleichzeitig zu deren Chefkontrolleur zu machen. Da würde es noch nicht mal helfen, die Geheimdienste abzuschaffen, wie wir LINKEN es fordern, der Innenminister bliebe Häuptling der nicht geheimen Dienste wie der Polizei oder des Grenzschutzes, und damit im Interessenskonflikt zwischen Netzkontrolle und Netzfreiheit gefangen.

Aber immerhin gab es die eine oder andere interessante Begründung für die Pläne, das Internet im Bundestag erst mal weiter klein zu halten. Es fehle schlicht an kompetentem Personal, um die nötige Bürokratie für so einen Ausschuss oder gar für den Stab eines Ministeriums aufzubauen. Das müsse sich alles langsam entwickeln. Und der Umweltausschuss habe ja auch mal ganz klein als Arbeitskreis beim Innenausschuss angefangen, bis er schließlich eigenständig wurde und ein Ministerium als exekutives Gegenüber bekam.

Wahrscheinlich ist es ein wichtiger konservativer Grundwert, notwendige Veränderungen möglichst langsam und verzögert anzugehen. Mindestens ein guter Punkt ist in dieser Argumentation aber zu finden:

Die Umweltpolitik ist nämlich ein gutes Beispiel, dass es dem Bundestagsbetrieb nicht schadet, wenn Ausschüsse und Ministerien mit Querschnittsthemen befasst sind. Vielmehr kann es hilfreich sein, wenn sich UmweltpolitikerInnen mit Wirtschafts- und Verkehrspolitik auseinandersetzen müssen. Gleiches geschieht hoffentlich des Öfteren zwischen Wirtschafts- und Arbeitspolitik, und auch Familienpolitik lebt im Idealfall nicht im luftleeren Raum jenseits der Bereiche Wirtschaft und Arbeit.

Genauso kann und sollte es meiner Überzeugung nach auch mit einem Internetausschuss sein. Der würde sich hoffentlich produktiv und anhaltend mit seinen älteren Geschwistern Wirtschaft, Kultur, Bildung und Wissen sowie Inneres, aber auch Recht fetzen.

Vor allem aber sollte sich das Parlament bei der Einsetzung von Ausschüssen nicht allzu sehr nach den Vorstellungen der CDU-Funktionäre in der Regierung richten. Wer weiß, wie lange die dort noch was zu sagen haben. Und selbst wenn, nur weil die keine Lust auf eine Staatsministerin für die Digitalisierung haben, spricht das nicht gegen einen eigenständigen Ausschuss.

Der Tourismusausschuss zum Beispiel hat auch kein direktes ministeriales Gegenüber. Je nach Beratungsgegenstand trifft er auf das Wirtschafts-, das Verbraucher-, das Verkehrs- oder Umweltministerium. Und auch der der Sportausschuss muss sich mit dem Innenausschuss den Minister teilen.

Das wäre übrigens noch ein weiteres Argument gegen die Ansiedlung der Netzpolitik beim Innenministerium. Die haben mit Überwachung, innerer Sicherheit, Sport, Migration und Katastrophenschutz schon so viel zu tun, dass die schon beim Thema Open Government nichts reißen. Wo sollen die dann die Kapazitäten für den Rest der Digitalisierung her nehmen?
 
Dr. Petra Sitte ist Bundestagsabgeordnete der LINKEN und bloggt auf Petra-Sitte.de

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