#CaduckShow

YouTube und die Jogginghosen-Gang: Eine Weihnachtsgeschichte

von , 24.12.10

Schon ist wieder Weihnachten. Also wird es Zeit für eine schöne Weihnachtsgeschichte. Heute erzählen wir eine Weihnachtsgeschichte aus der YouTube-Zeit.

YouTube – das ist die größte private Fernsehanstalt der Welt. Sie kostet weder Rundfunk- noch Abo-Gebühren und ihre Zuschauer haben ein Durchschnittsalter, von dem die alten Fernsehanstalten nur träumen können.

Auf YouTube sind die jungen Leute nämlich nicht nur Zuschauer, sondern auch Programm-Macher. Sie betreiben eigene Fernseh-Kanäle. Ja, sie sorgen mit ihren Mini-“Produktionsfirmen” für ständigen Programm-Nachschub. Manche Kanäle haben erst fünf Videos „gesendet“, andere schon 10.000. Überraschend viele Kurz-Filme sind professionell gemacht, einige wirklich originell, andere ziemlich eitel, albern, öde oder verquatscht.

You(th)Tube traut seiner jugendlichen Video-Community sehr viel zu und fördert – wie die üblichen Castingshows im TV – Talente: Auch du, heißt es, kannst deinen eigenen Video-Kanal betreiben! Auch du kannst „Partner“ von YouTube werden. Vielleicht schaffst du es ja, so beliebt zu werden wie die Superstars deiner Community. So beliebt wie DieAussenseiter, HerrTutorial, aggroTV, HalfcastGermany oder DieseSchuleRockt.

Viele hunderttausend Jugendliche „abonnieren“ solche Kanäle. Ein Klick genügt. Erreicht ein YouTube-Kanal eine hohe Abonnenten-Zahl und erfüllt der Betreiber des Kanals die rechtlichen Voraussetzungen, kann er zum „YouTube-Partner“ aufsteigen und darf an den vielen Kleinanzeigen, die unter, neben und in den Filmen platziert sind, mitverdienen.

Um welche Summen es geht, verrät YouTube nicht. Aber je mehr Abonnenten ein Video-Kanal baggern kann, desto mehr Anzeigen-Geld fließt auch in die Kassen der Produzenten. Bei 500.000 Abonnenten wird es (für Teenager!) richtig lukrativ. Ein 1a-Geschäftsmodell, werden da manche sagen. Und dem könnte man sogar zustimmen, wenn das Geschäftsmodell nicht so erbärmlich verlogen wäre.

Da quasselt z.B. ein junger Mann in die Kamera wie ein billiger Jakob, zieht alle Register seines Charmes, zeigt auf allerlei coole Produkte (Gewinnspiel! Gewinnspiel!), trägt Klamotten eines ganz bestimmten Herstellers und bettelt alle 30 Sekunden: Abonniert mich, abonniert mich, abonniert mich!

Ist das Jugendkultur? Ist das Video-Community? Oder ist das schon die unlautere Verquickung von Werbung in eigener Sache mit Werbung für andere Sachen?

Manche Kanäle machen den Eindruck, als wären es Dauerwerbesendungen, die den Zuschauern als coole Jugendkultur verkauft werden. ‚Netzphilosophen’ sprechen dann von viralem Marketing. Die riesige YouTube-Community ist ein begehrtes Zielobjekt.

Vor einigen Wochen gab es in dieser YouTube-Welt einen handfesten „Skandal“. Ein junger Mann namens „Simon Desue“ versprach auf seinem YouTube-Kanal, er werde 1000 Euro und eine Spielekonsole unter seinen Followern verlosen. Eine clevere Methode, um möglichst schnell viele Neuabonnenten (= Follower = Quote = Verdienstanteil) zu gewinnen. Laufzeit des Gewinnspiels: 10 Tage.

Das Video erreichte fast eine halbe Million Aufrufe.

Danach hörte man lange nichts. Als einige enttäuschte Teilnehmer nachfragten, was denn nun aus der Verlosung geworden sei, präsentierte der junge Mann ein Video, das ihn bei der Geldübergabe an ein nettes Mädchen zeigt. Chuzpe wäre für dieses aufreizend dilettantisch gemachte Beweis-Video ein viel zu niedlicher Ausdruck. Später tauchte das ‘beschenkte’ Mädchen dann in einem „süßen“ Bekenner-Video der CaduckShow auf, und erklärte, das Geld nur zum Schein erhalten zu haben.

Ein marginaler Fall? Eine Jugendtorheit? Das Symptom einer fatalen Entwicklung?

„Jo Cognito“ vom Wächter-Blog Videoamt, der den Fall als „1000-Euro-Honk“ aufspießte, sprach von unlauterem Wettbewerb und Betrug, der Blogger „Katzenjens“ bezeichnete die abdriftende Jugendkultur bei YouTube als „ekelhaften schleimigen Scheiß“ – und bald entwickelte sich aus der Marienhof-ähnlichen Soap eine hübsche Schlammschlacht mit gegenseitigen Vorwürfen und Beleidigungen.

Am Ende meinte der junge Mann („Simon Desue“), sich mit einem weiteren Video aus der Affäre ziehen zu können. Diesmal ließ er sich bei der Übergabe von 1500 Euro an eine Hilfsorganisation für behinderte Kinder filmen. Man weiß nicht, ob man beim Betrachten dieses Videos eher lachen oder eher weinen soll. Doch YouTube scheint aus dem Fall keine Konsequenzen zu ziehen. „Simon Desue“ sendet weiter.

Wie gesagt, die You(th)Tube-Community ist eine Welt, die den Erwachsenen nahezu verschlossen bleibt. Sie scheint ja auch harmlos zu sein und ein wenig hinter dem Mond. Es wird niemand ernsthaft geschädigt. Die Kinder werden lediglich für dumm verkauft. Und die Eltern dieser Kinder werden sich an Weihnachten höchstens gefragt haben, warum es ausgerechnet eine Jogginghose von Urban Classics sein musste.

Zustimmung, Kritik oder Anmerkungen? Kommentare und Diskussionen zu den Beiträgen auf CARTA finden sich auf Twitter und auf Facebook.