von Philipp Sarasin, 19.5.16
In der NZZ hat der Publizist Heribert Seifert (68) kürzlich viel Platz erhalten, um in einer sich besorgt gebenden Medienkritik über „Wutjournalisten“ und ihre angebliche „kommunikative Rüpelei“ in den „traditionellen Medien“ sich seinerseits in Rage zu schreiben. Die politische Distanz vieler führender Medien in der Bundesrepublik zur unverhüllt islamfeindlichen AfD wird dabei mit ätzender Kritik, ja mit unverhohlenem Spott überzogen. Das ist an sich kein Zufall. Schon oft in letzter Zeit mussten die Leserinnen und Leser zur Kenntnis nehmen, dass die NZZ sich kaum mehr gegen politische und intellektuelle Strömungen weit rechts im politischen Spektrum – innerhalb wie außerhalb der Schweiz – abgrenzen mag.
Doch wer ist Heribert Seifert? Seifert zeigt in der NZZ – er schreibt hier seit Jahren immer wieder – eher seine glattgekämmte Seite, um noch als „liberal“ durchzugehen. Er kann aber auch anders. Artikel von ihm erscheinen außer in der NZZ häufig in der Internet-Zeitschrift eigentümlich frei (ef), die von Politologen als „rechtsliberal“, „rechtsnational“ oder auch als „rechtsextrem“ eingestuft wird, und deren Macher um den Publizisten André F. Lichtschlag sich als „Anarchokapitalisten“ und „Libertäre“ bezeichnen. Seiferts Medien–bashing, dem die NZZ regelmässig ihre Spalten öffnet, findet auch dort statt. Ja, „die“ Medien – bzw., so Seifert, die „zunehmend wie Verlautbarungsorgane einer Besatzungsmacht agierenden Leitmedien“ (ef, 9.7.2012) – sind zusammen mit der Regierung Merkel und der „linksgrünen Diktatur“ Zielscheibe seiner, gelinde gesagt, spitzen Feder. Seiferts jüngste Artikel auf eigentümlich frei sind zwar nur Abonnenten vorbehalten, aber auch ältere, zugängliche Texte erweisen ihn gerade als jenen eifernden „Wutjournalisten“, den er in den „traditionellen Medien“ am Werk sieht. Nach den Bundestagswahlen im Herbst 2009 etwa skizzierte er in knappen Worten die politischen Fronten, wie sie sich ihm wohl auch heute noch darstellen:
„Der surreale ‚Antifaschismus‘ mit ‚Kampf gegen Rechts‘ und sündenstolzem Bekenntnis der immerwährenden Schuld an der bösen ‚deutschen Geschichte‘, die fortlaufende Erfindung immer neuer ‚Diskriminierungen‘, die Neuschöpfung des Menschen im Sinne von ‚gender mainstreaming‘ und schließlich die Fortsetzung einer gescheiterten Einwanderungspolitik sind auch unter dem neuen Personal ebenso garantiert wie die kontinuierliche Arbeit an der Selbstauflösung der deutschen Nation in einem kleptokratisch-bürokratischen ‚Europa‘.“
–Heribert Seifert (ef, 29.9.2009)
Dass einer sich über „gender mainstreaming“ aufregt, ist hinzunehmen. Die hochmütige Ironie hingegen, mit der Seifert über das „sündenstolz[e] Bekenntnis der immerwährenden Schuld an der bösen ‚deutschen Geschichte‘“ spottet, sollte in den Redaktionsstuben der NZZ die Alarmglocken läuten lassen. Denn das sind Code-Worte von ganz rechts außen, und die zitierte Passage war kein Ausrutscher. In ähnlich verächtlicher Weise kommentierte Seifert etwa Bestrebungen, den Verkauf von Nazi-Propagandaliteratur an Kiosken zu verbieten: „So wie jener mutige Hotelier mit richterlicher Billigung sein Haus für einen urlaubsreifen NPD-Funktionär sperrte, um seinen Gästen die Konfrontation mit dem Bösen zu ersparen, so wird auf dem Pressemarkt der Kiosk gereinigt, um Verführung der Naiven und Empörung der schon Geläuterten zu verhindern. Hier arbeitet eine aller Ehren werte gesellschaftssanitäre Absicht, die auf strikte Trennung der Bösen von den Guten zielt.“ (ef, 14.7.2010).
Seifert operiert ständig mit solch scharfen Polarisierungen: Auf der einen Seite, ironisch “böse” genannt, der „NPD-Funktionär“, der weder in einem Hotel der “Guten” absteigen noch am Kiosk seine Nazi-Literatur kaufen darf; auf der anderen „die Geläuterten“, die „Guten“ – d.h. neben den „linksgrünen Diktatoren“ auch die CDU unter Merkel und sogar Horst Seehofers CSU! –, die alle „Kritik“ am „mainstream“ ins Feld des „Nicht-Sagbaren“ abdrängen. Diese angebliche „Kommunikationsverweigerung“ (NZZ) aber führt Seifert immer wieder auf das zurück, was im Zentrum seiner rechtsnationalen Kritik steht: die „große historische Erzählung von der Erlösung der Deutschen von ihrer bösen Vergangenheit durch ihr Aufgehen in einem neuen Europa“ (ef, 9.7.2012).
Der Hass auf Europa, auf die Regierung Merkel und auf den Islam ist das eine; beängstigend aber ist, wie sehr dieser Hass sich vom Begehren herleitet, endlich von der politischen und moralischen Verantwortung befreit zu werden, mit der die Erinnerung an den Nationalsozialismus in Deutschland unauflösbar verbunden ist. Solche Töne des verkappten Bezugs auf den NS sind auch in der AfD zu hören. Seifert scheut sich nicht, sie immer wieder vorzubringen. Die NZZ aber muss sich fragen lassen, ob sie wirklich zum Sprachrohr von Positionen werden will, die bislang als rechtsextrem galten.
Dieser Text ist zuerst bei Geschichte der Gegenwart erschienen.
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