#Konjunktur

Wie schlimm wird die Werbekrise wirklich?

von , 9.12.08

Die paradiesischen Zeiten sind gar nicht so lange her. 15 Jahre, zum Beispiel: Im Jahr 1993 wuchsen hierzulande die Werbeeinnahmen der Medien um zwei Prozent – eine bemerkenswert robuste Angelegenheit, denn zugleich brach die Konjunktur um -0,8 Prozent ein. Der “Werbedruck” auf die klassischen Medien war damals augenscheinlich so groß, dass selbst eine Konjunkturdelle ihm wenig anzuhaben vermochte. Mochte die Wirtschaft auch schrumpfen, die Medien wuchsen.

Die Geschichte des deutschen Werbemarktes war einst ein einziges Wachstumswunder. Von 1950 bis 2000 wuchs er mit einer Ausnahme in jedem Jahr. Mit der Jahrtausendwende aber kippte diese Entwicklung: Die Medien wurden zu einer zyklischen Branche. Das Ende der New Economy hinterließ deutliche Spuren im Werbemarkt. Die Spitzenwerte von damals wurden bis heute nicht wieder erreicht.

Der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) hat nun angekündigt, dass er bereits in diesem Jahr mit einem Rückgang der Werbeeinnahmen um 0,7 Prozent rechne. Mit anderen Worten: In diesem Jahr wuchs das Bruttoinlandsprodukt noch um ca. 1,6 Prozent – und trotzdem bricht der Werbemarkt bereits um 0,7 Prozent ein. Wie soll es da erst aussehen, wenn es der Konjunktur im nächsten Jahr richtig schlecht gehen sollte, wie Prognosen bekanntlich inzwischen in Aussicht stellen?

Die Mediaagenturgruppe Zenith Optimedia hat vor einigen Tagen ihre Prognose vorgestellt: Sie erwartet demnach einen Rückgang des deutschen Werbemarktes um 4,6 Prozent, also um insgesamt 948 Mio. Euro. Besonders hart werde es die Zeitungen treffen, denen ein Rückgang von 6,1 Prozent  bzw. 411 Mio. Euro bevorstehe.

400 Millionen Euro – den Stellenabbau, der dieser Zahl folgen könnte, mag man sich kaum ausmalen.

Dabei ist diese Prognose noch nicht einmal übertrieben pessimistisch. In den Medienhäusern geht man offenbar inzwischen von Rückgängen im kommenden Jahr von 20 bis 30 Prozent im Print-Werbemarkt aus. Die Verlage stützen sich dabei offenbar auf jüngste Erfahrungen im Vertrieb. Der Verlagsgeschäftsführer der Süddeutschen Zeitung hatte bekanntlich kürzlich berichtet, wie schwer der Verkauf inzwischen geworden sei.

Dabei ist zu bedenken: Die Autoindustrie ist nach dem Handel hierzulande die wichtigste werbetreibende Branche. Auch die Finanzindustrie ist ein extrem wichtiger Werbetreibender. Allein das simultane Wegbrechen dieser beiden Schlüsselbranchen für den Werbemarkt ist beängstigend.

Vor einigen Wochen stieß ich auf eine Analyse des Gawker-Verlagschefs Nick Denton zu Werbemarktentwicklung und Reaktionsmöglichkeiten in den USA, die ich für Deutschland hiermit noch einmal kurz nachvollziehen möchte. Denton zitiert in seinem Post eine einfache Regressionsanalyse der Bank Morgan Stanley:

Betrachtet man die Jahre 1986 bis 2007 so gilt für die USA die Faustformel, dass der Werbemarkt etwa mit dem Faktor drei auf Konjunkturschwankungen reagiert. Bei einem Wirtschaftswachstum von 2 Prozent etwa wächst der Werbemarkt auch um 2 Prozent: Fällt das Wirtschaftswachstum aber um ein Prozentpunkt zurück, so geht der Werbemarkt folglich gleich um drei Prozent zurück (siehe Tabelle).

Solche Globalanalysen sind tückisch. Für Deutschland etwa ist die Datenbasis eher mäßig. Die Angaben zum Werbemarkt durch den Branchenverband ZAW etwa enthalten nicht die Online-Umsätze von Suchmaschinen oder Rubrikenmärkten (Auto, Immobilien, Job). Eine Annäherung ist dennoch möglich. Sie beschränkt sich sinnvollerweise auf die letzten zehn Jahre. Ein Wert wie der oben zitierte von 1993 scheint die Situation der heutigen Medienwirtschaft nicht mehr abzubilden. Das Ergebnis ist folgendes:

Der deutsche und US-amerikanische Werbemarkt ähneln sich demnach in ihrer Redaktion auf die Konjunktur ganz erheblich. Der deutsche Werbemarkt reagierte in den letzten zehn Jahren mit den Faktor 3,3 auf die Konjunktur. Auch sonst ähneln sich die Werte frappierend – fast schon zu sehr.

Ist diese einfache lineare Annäherung jedoch zutreffend, so droht der Medienindustrie noch mehr Ungemach, als die bereits drastische Prognose von Optimedia andeutet. Bei einem Negativwachstum von einem Prozent droht ein Rückgang des Werbemarktes um volle 8 Prozent. Eine solche Prognose scheint nicht einmal übertrieben, wenn man bedenkt, dass der Werbemarkt 2002 um 7,3 Prozent schrumpfte, während die Konjunktur stagnierte. Einschränkend muss erwähnt werden, dass damals der Wechsel der Rubrikenmärkte von Print ins Internet erhebliche Auswirkungen hatte, die sich in dieser Form wohl nicht wiederholen werden.

Bedenkt man, dass innerhalb der Deutschen Bank mittlerweile Konjunkturszenarien von mehr als einem Prozent Rückgang für möglich gehalten werden, so erscheint ein Verlust von 8 Prozent im Gesamtwerbemarkt noch nicht einmal abwegig. Ein solches Szenario würde erklären, wie es möglich ist, dass einige Print-Verlage mit Rückgängen von 20 bis 30 Prozent im jeweils konjunkturell und struktruell stärker betroffenen Print-Werbemarkt kalkulieren.

Bei einem Rückgang um 8 Prozent würde der Werbemarkt auf 19,0 Mrd. Euro zurückfallen. Er würde dann ungefähr wieder auf dem Niveau von 1996 liegen. Eine Horrorvision, ein Maximalszenario – ich hoffe sehr, dass es nicht einmal annähernd eintritt. Die Mechanik dahinter aber sollte man im Kopf behalten.

Dabei sind die zu erwartenden Rückgänge im Werbemarkt nicht allein konjunktureller Art. Die Konkurrenz aus dem Internet drückt auch strukturell auf die Werbepreise der klassischen Medien, was im Ergebnis zu niedrigeren Umsätzen führt. Zugleich werden Suchmaschinenumsätze in der Werbestatistik noch gar nicht erfasst.

Dass Online-Werbung deutlich weniger von dieser Krise betroffen sein wird, ist bei allem nur ein sehr schwacher Trost.

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