#Internetzeitalter

Wenn die großen Verlage überleben wollen…

von , 20.10.09

Ich möchte hier vorausschicken, dass mir die kommende Übergangszeit überhaupt nicht gefallen wird: Dass unsere Medien eine ganze (postdemokratische) Zeit lang von Firmen kontrolliert werden, die mit Presse nicht viel am Hut haben (Alle Schelme und sonstigen Pressekritiker sollen ihre Kommentare an dieser Stelle bitte unterdrücken!). Gott sei Dank, sage ich, handelt es sich nur um eine Übergangsphase.

Und jetzt geht der ernsthafte Beitrag los:

Betrachtet man die Situation der großen Presseverlage, dann kommt man unweigerlich zu der Auffassung, dass sie ihre autarke Position nur konservieren können, wenn sie Folgendes tun:

  • Telekommunikationsunternehmen kaufen
  • Netzausrüster kaufen
  • Elektronikkonzerne kaufen
  • Computerhersteller kaufen
  • Suchmaschinen kaufen
  • Soziale Netzwerke kaufen
  • Internet-Versandhändler kaufen
  • Softwareproduzenten kaufen
  • Stromkonzerne kaufen

Nur durch solche strategischen Zukäufe könnten die Verlage ihre umfassende, hohe Renditen versprechende Verwertungskette (von der eigenen Redaktion über die eigene Anzeigenvermarktung, die eigene Herstellung, die eigene ‚Druckerei’ und die eigene Werbeabteilung bis zum eigenen Vertrieb) auch im Internetzeitalter behalten.

Da die meisten Verlage aber zu klein sind, um sich milliardenschwere Konzerne leisten zu können, wird es wohl umgekehrt kommen: Die oben genannten Branchen werden dazu übergehen, darbende Verlage (billig) einzukaufen, auszuweiden und in ihr Portfolio einzugliedern.

Bislang sträuben sich die Verlage noch gegen ihren strukturwandel-bedingten Abstieg. Ihre stolzesten Vertreter können sich nicht vorstellen, dass ihre „Sturmgeschütze der Demokratie“ in einem IP-basierten Kommunikationsnetz nur noch eine untergeordnete Rolle spielen: als Teil der Zuliefer-Industrie für Konzerne, die das Internet betreiben und beherrschen. Und das sind (wie oben bereits erwähnt):

  • die Telekommunikationskonzerne (als Zugangsprovider und Netzbetreiber)
  • die Computerkonzerne & Netzausrüster (als Infrastruktur-Ausstatter)
  • die Suchmaschinenkonzerne und sozialen Netzwerke (als Werbevermarkter)
  • die Softwarehersteller (als Programm-Ausstatter)
  • die Online-Versandhändler (als Vertrieb)
  • die Stromkonzerne (als Energielieferanten und Netzbetreiber)

Diese Unternehmen werden den Verlagen ihre (Einkaufs-) Bedingungen diktieren – und nicht umgekehrt. Diese Unternehmen werden die Verlage so behandeln wie die Automobilkonzerne heute ihre Zulieferer behandeln. Und das heißt: nicht besonders nett.*

Doch irgendwann wird diese Entwicklung auch wieder umschlagen. Da die alten, auf Autarkie angelegten Verlagsstrukturen für den reinen Zulieferbetrieb viel zu teuer sind (Korrektoren, Dokumentare, Laborantinnen, Sekretärinnen, Bildarchivare, Setzer, Metteure und Drucker haben das schon zu spüren bekommen), können sich neue Mitspieler relativ schnell im Markt etablieren: kleine, kostengünstig produzierende Text-Bild-Ton-und-Graphik-Manufakturen. Die besten dieser „Manufakturen“ werden sich eines Tages zu größeren Einheiten zusammenschließen und neuartige Internet-Verlage bilden, die sich irgendwann aus der Umklammerung branchenfremder Unternehmen befreien.

Wer hier rechtzeitig investiert**, wird der Axel Cäsar Springer (oder der Willi Münzenberg) von morgen sein.

*Nicht besonders nett heißt bei den Automobilzulieferern: “Insbesondere führt der massive Preisdruck dazu, dass Entwicklungsbudgets bei Zulieferern heruntergefahren werden und sich das Innovationstempo verlangsamt. Zudem führt diese Preisdrückerei nach aller Erfahrung zu sinkender Qualität.“

**Das Wort „verlegen“ bedeutet (angeblich) ursprünglich: „etwas auf seine Rechnung nehmen“, „Geld ausgeben“

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