von Ulrich Voß, 19.11.13
Ich bin ja sicherlich nicht der Einzige, der sich fragt, warum Bitcoins immer mehr wert werden. Vielleicht mal ein guter Zeitpunkt, sich einen Überblick über die möglichen Gründe für den Kursanstieg (und die damit die Nachrichten der letzten Wochen) zu beschaffen.
Gestern ging der Kurs zum ersten Mal über 600$ (und auch über 450 Euro). Die Charts sind absolut beeindruckende LUNRO-Charts (links unten nach rechts oben), egal, welchen Zeitrahmen man wählt.
Seit März 2013:
Seit Anfang November:
Nur: warum das alles?
Das Bitcorati Blog hat 10 mögliche Gründe ausgegraben. Ich stelle diese kurz vor und gebe meinen Senf dazu ab:
1)
Bitcoin hat durch die Schließung von Silk Road an Renommee gewonnen. Über Silk Road konnte man allerlei illegale Dinge kaufen, von Drogen bis hin zu Auftragsmördern. Bitcoin hat die Verhaftung des Silk Road Gründers aber – bis auf einen kleinen Kursrücksetzer – sehr gut verkraftet. Dass Bitcoin danach besser als je zuvor dasteht, beweist für viele, wie solide die Basis für Bitcoins ist.
Investoren denken so. Durchaus valide.
2)
Der Shutdown in den USA hat belegt, wie problematisch das normale Geld- und Wirtschaftssystem ist.
Für mich ein eher schwaches Argument. Das mag aus US-Sicht aber durchaus anders sein.
3)
Die Nachfrage aus China ist gestiegen.
Wenn man sich die Umsätze der chinesischen Bitcoin-Wechselbörsen anschaut, ist das sehr valide. IMHO möglicherweise einer der zwei Hauptgründe für den Bitcoin-Kursanstieg.
4)
Steigendes Interesse von Großanlegern.
Die Nachrichten entsprechen dem, teilweise wird Bitcoin schon als Alternative zu Gold gehandelt. Ob die Investments von 5 oder 10 Millionen wirklich den Markt bewegen (der inzwischen immerhin etwa 6 Mrd. Dollar groß ist), wage ich aber zu bezweifeln. Der psychologische Aspekt dieser Investments dürfte deutlich wichtiger sein.
5)
Neue Venture-Capital-Investments in Bitcoin Dienstleister.
Auch hier ist die Nachrichtenlage eindeutig. Diese Investments gibt es. Und auch das dürfte die Einschätzung, dass Bitcoins ein sinnvolles Geschäftsmodell enthalten, unterstützen. Sorgt für mehr Vertrauen.
6)
Es gibt immer mehr und immer bessere Bitcoin-Wechselstuben.
Ebenfalls richtig beobachtet. Gerade in China dürfte die Verfügbarkeit einer lokalen Wechselbörse, die nicht hinter dem “eisernen Fixer-Wechselkurs-Vorhang” liegt, sehr wichtig für die Verbreitung von Bitcoins gewesen sein.
7)
Es wird immer schwieriger, Bitcoins zu fördern. Daher steigen ehemalige “Miner” jetzt einfach mit Geld ein.
Der erste Teil ist richtig. Seit die Spezialchips verfügbar sind, kann man mit einem normalen PC oder normaler Grafikkarte nichts mehr reißen. Trotz des steigenden Bitcoin-Kurses braucht man für die Erzeugung mehr Strom, als die Bitcoins am Ende wert sind.
Der zweite Teil der Überlegung, dass die ehemaligen Miner jetzt einfach Spekulanten werden, erscheint mit fragwürdig. Vor allem, weil die Anzahl der Miner wohl kaum ausreichen dürfte, um den Kurs nachhaltig zu treiben (Marktvolumen 6 Milliarden Dollar).
8)
Regierungen haben Bitcoins nicht behindert.
Es gab in einigen Ländern Verwaltungsanordnungen, die sich mit der Gültigkeit von Bitcoins beschäftigt haben. In Thailand wurden Bitcoins kurzerhand verboten, in anderen Ländern lief es aber deutlich positiver für die neue virtuelle Währung.
In Deutschland akzeptiert das Finanzamt inzwischen Rechnungen in Bitcoins (allerdings keine Steuerzahlungen), in Kanada gibt es sogar schon einen Bitcoin-Geldautomaten.
Das Ganze ist aber ein zweischneidiges Schwert. Bisher war die Regulierung relativ harmlos, sie könnte aber deutlich strenger werden. Die Gefahr, dass Bitcoins “zu Tode reguliert” werden, besteht IMHO weiterhin. Bisher wird die gestiegene Regulierung auf jeden Fall positiv interpretiert und erhöht das Vertrauen der Bitcoinianer.
9)
Die Anzahl der Akzeptanzstellen ist deutlich gestiegen.
Ebenfalls eine richtige Beobachtung, allerdings fehlt der richtige Durchbruch weiterhin. Das wäre z.B. die Akzeptanz von Bitcoins durch PayPal, Amazon, Ebay, Apple, Google oder andere IT-Schwergewichte (siehe “Ebay kann sich Bitcoins als Zahlungsmittel vorstellen”).
Ich kann mir gut vorstellen, dass einige aktuell auf so einen Durchbruch auch einfach nur spekulieren. Fakt ist: Eine Weltreise nur mit Bezahlung über Bitcoins ist noch verdammt schwierig.
10)
Erhöhte Aufmerksamkeit.
Das ist sicherlich ebenfalls wahr. Bitcoins werden inzwischen nicht mehr nur in eingeweihten CCC-Circeln benutzt, sondern sind inzwischen wohl jedem, der sich irgendwie in der Schnittmenge von Wirtschaft und IT bewegt, ein Begriff. Das sorgt für eine stetig steigende Anzahl von möglichen Bitcoin-Käufern und für mehr Akzeptanzstellen.
Am Ende bleiben wahrscheinlich zwei Hauptgründe: China und (aus mehreren Gründen) gestiegenes Vertrauen, wobei dieses wohl auch auf Ängste zurückgeht, die sich in der Zwischenzeit zerstreut haben.
Der dritte Hauptgrund – der mir in der Liste oben fehlt -, ist IMHO weiterhin schlichtweg Spekulation. Es ist erfahrungsgemäß ziemlich egal, was auf der Welt solche LUNRO-Charts aufweist, eines ist sicher: Nichts lockt Spekulanten zuverlässiger an. Vor allem, wenn es um etwas geht, das man relativ problemlos zurück in “normale” Währung umtauschen kann.
Und eventuell genauso wichtig: etwas, das man als Großinvestor beeinflussen kann. Bitcoins sind mit einem Marktvolumen von etwa 5 bis 6 Milliarden Dollar inzwischen etwas, um sich dort mit Hunderten Millionen Dollar zu tummeln. Man kommt im Zweifelsfall relativ problemlos wieder raus, man kann aber auch – wenn man es etwas koordiniert – den Markt machen, sprich, die Kurse beeinflussen.
Ich unterstelle natürlich keinem Investor, Hedgefonds oder Banker eine Manipulation. So etwas würden die bekanntlich nie machen. Mit der Spekulation auf wertlose Immobilienkredite, bei Zinsen oder bei Währungen etwa. Wo denke ich nur hin.
Crosspost von Die wunderbare Welt der Wirtschaft (übrigens auch eine Akzeptanzstelle für Bitcoins).