#CCS

Wann kommt der CCS-Ausstieg?

von , 28.3.09

Anfang dieses Jahres veröffentlichte das Bundesumweltministerium ein Strategiepapier unter dem Titel „Roadmap Energiepolitik 2020“. Hier war, neben zahlreichen anderen interessanten Informationen zur Zukunft unserer Energiemärkte, zu lesen, dass Stein- und Braunkohle auch über das Jahr 2020 eine wichtige Stellung im deutschen Energiemix einnehmen. Im Jahr 2030 sollte allerdings die Hälfte aller Kohlekraftwerke mit CCS-Technologie ausgestattet sein und damit weitgehend „klimaneutral“ arbeiten. Die nun im Bundestag zu verhandelnde gesetzliche Rechtsgrundlage macht – ebenso wie die strategische Ausrichtung – deutlich, dass es bei diesem Thema um weit mehr, als um die kurzfristige Schnapsidee einiger Ingenieure geht. Ganz im Gegenteil, selbst globale Energieszenarien der Europäischen Union oder der Internationalen Energieagentur (IEA) gehen von einem substanziellen Anteil von CCS im zukünftigen Energiemix aus.

Falls sich nun der Eine oder Andere die Frage stellen mag, was CCS eigentlich bedeutet: Keine Sorge, Sie sind nicht allein. Hinter dem Kürzel CCS verbirgt sich der englische Begriff „Carbon Dioxide Capture and Storage“, der im Deutschen etwas sperrig mit „Kohlenstoffabscheidung und -speicherung“ übersetzt wird. Die Idee ist so einfach wie beeindruckend. CO2-lastige Kohlekraftwerke werden mit einer technischen Komponente ausgestattet, die entweder vor oder nach der Verbrennung des Energieträgers das Kohlenstoffdioxid von den übrigen Gasen löst und über Leitungen unter die Erdoberfläche presst. Hierfür sind leere Erdgasfelder, undurchlässige Gesteinsschichten oder Salz-Aquifere nutzbar, durch die das CO2 nicht mehr an die Oberfläche dringen kann. Im Ergebnis könnten also auch in Zukunft unsere „dreckigsten“ Energieträger – Braun- und Steinkohle – ohne Sorge um die Atmosphäre genutzt werden. Die Anwendung bleibt dabei nicht auf Kohlekraftwerke beschränkt, sondern könnte auch für andere Verbrennungsprozesse oder Energieträger genutzt werden. Vor der norwegischen und der algerischen Küste werden heute bereits unterschiedliche Formen dieser Technologie in größerem Umfang getestet, hier wird das CO2 allerdings vorrangig in Erdgasfelder gepumpt, um somit an die tiefer gelegenen Reserven zu gelangen. Auch in Deutschland lief im vergangenen Jahr, allerdings in deutlichem kleinerem Umfang, das erste CCS-Projekt in der brandenburgischen „Schwarzen Pumpe“ an.

Dass diese Technologie auf politischer Ebene ernst genommen wird, zeigt sich nicht nur an der gesetzgeberischen Tätigkeit. Auch finanziell wird die Förderung vorangetrieben, wie in kaum einem anderen Bereich. Verkaufserlöse von 300 Millionen Zertifikaten aus dem EU-Emissionshandel sind nach Beschluss der EU für die Förderung von CCS-Projekten und großen Erneuerbare-Energien-Projekten reserviert. Legt man einen möglichen Zertifikatpreis von 20 Euro zugrunde, wird deutlich, dass es sich hierbei nicht um Peanuts handelt. Und auch das Konjunkturprogramm der EU, der „EU Recovery Plan“, sieht zusätzliche Zuwendungen für CCS-Projekte in Höhe von 1,25 Milliarden Euro vor.

Trotz der massiven Förderung und der sich entwickelnden Rechtsstruktur bleibt dem Bürger der Zugang zum Verständnis für den massiven Ausbau dieser Technologie weitgehend verschlossen. Dies mag unter anderem an der komplexen Natur der technischen Prozesse liegen, zu einem viel größeren Teil basiert dieses Problem jedoch auf dem mangelnden Informationswillen politischer Akteure. Die größte Sorge dürfte dabei wohl in der Entstehung des NIMBY-Effekts liegen, den wir derzeit bei nahezu allen energiepolitischen Projekten erleben. Selbst wenn eine grundsätzliche Unterstützung für die Nutzung einer bestimmten Technologie vorliegt, so soll diese „not in my backyard“ erfolgen. Dies dürfte wohl auch für das Eigenheim auf der CO2-Blase gelten.

Soll CCS künftig eine größere Bedeutung in unserer Energieerzeugungsstruktur einnehmen, so sind deutlich mehr Anstrengungen nötig, als die Verabschiedung eines Gesetzes und das Aufbringen finanzieller Mittel. Ein gesellschaftlicher Dialog über Sinn und Zweck, aber auch über die Risiken der Speicherung von CO2 erscheint dringend geboten. Letztlich muss die Frage beantwortet werden, weshalb wir in Deutschland und Europa Treibhausgase unter die Erde pressen wollen, statt ihre Entstehung zu verhindern. Es gäbe hierfür durchaus überzeugende Antworten, wie die Funktion von CCS als Brückentechnologie oder den Technologieexport nach Indien oder China, wo der Anstieg der Emissionen mittelfristig nur durch den massiven Ausbau von derartigen Technologien verhindert werden kann. Bislang hat diese Kontroverse sich jedoch auf die „Wissen“-Rubrik deutscher Tageszeitungen beschränkt.

Um emotional aufgeladene Scheindebatten zu verhindern, wie wir sie im heutigen Diskurs über die Kernkraft in Deutschland führen, sollte frühzeitig ein breiterer Dialog über CCS begonnen werden. Ansonsten könnten wir uns in einigen Jahren vor die Frage gestellt sehen, wie  mit zahllosen CCS-Kraftwerken und CO2-Endlagern umzugehen ist. Die Debatte über den CCS-Ausstieg scheint also vorprogrammiert. Sie käme dann allerdings wieder zu spät.

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