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Wahlkampf in der Warteschleife: „Die Tonalität muss erst noch festgelegt werden“

von , 24.5.09


Renate kommt, Frank-Walter lädt zum politischen Frühschoppen und die CSU wirbt mit Briefkästen. Der Wahlkampf hat begonnen – ein Wahlkampf, wie ihn Deutschland noch nie erlebt hat. Das liegt aber nicht daran, dass die Kampagnen im Jahr 2009 härter, länger und verbissener werden. Das Neue im Superwahljahr ist die Ungewissheit, mit der die Parteien in den langen Wahlkampf ziehen. Denn noch wissen sie nicht, wie sie ihre Wähler überzeugen sollen.

Die Kampagnen laufen, doch keiner weiß wohin. Schuld ist die Krise. Der Wahlkampf 2009 hat eine eigentümliche Dynamik, ein ungewöhnlicher Wahlkampf. Auch wenn die Ziele der Parteizentralen ausgegeben, klare Koalitionsaussagen verneint und die Programme verabschiedet sind, müssen alle abwarten, wie sich die Krise entwickelt. Auch wenn das Grundgerüst der Kampagnen steht, „die Tonalität muss erst noch festgelegt werden“, sagt Rudi Hoogvliet, Wahlkampfmanager der Grünen.

In der Wirtschaftskrise ist es schwer einen Wahlkampf zu planen: Keine Partei weiß, wie sich die Lage bis zur Bundestagswahl verändert. Deshalb kann keiner seine Kampagne präzise formulieren. Die CDU hatte sich auf einen Bilanzwahlkampf eingestellt, der sich heute mit Steuerausfällen und steigenden Arbeitslosenzahlen erübrigt. Und auch die anderen Parteien sind betroffen: Was, wenn man sich für stärkere Regulierung einsetzt, sich die Wirtschaft bis September aber wieder erholt?

Dem Wahlkampf fehlt es deshalb bisher an Inhalten. Der Wähler wird allenfalls mit diffusen Gefühlen gelockt. Doch spätestens Ende Juni müsse die Stoßrichtung der Kampagnen entschieden sein, sagt Rudi Hoogvliet.

Gleichzeitig ändert sich die Art Wahlkampf zu führen. Die Zeiten der alten Kampagnen sind vorbei; Zeiten, in denen Straßen mit Plakaten zugekleistert waren und die Ortsgruppen Flyer verteilten. Immer wichtiger ist, den direkten Kontakt mit den Wählern zu suchen. Der von Obama begonnene Trend, die Medien zu umgehen, ist damit auch in Deutschland zu spüren.

Moderne Wahlkampfführung hat sich aber noch nicht ganz durchgesetzt. „Wir stecken immer noch unglaublich viel Zeit und Geld in die Entwicklung von Plakaten“, sagt Hoogvliet. „Das ist irrational.“ Eine moderne Kampagne funktioniert anders: Die Parteien müssten sich offen darstellen, Präsenz in Grassroot-Kampagnen zeigen.

„Das In-Kontakt-Treten wird wichtiger“, sagt Hoogvliet. Auch Julius van de Laar aus der Nordkurve der SPD setzt auf „echten Dialog“ mit den Wählern.

Doch dafür brauchen die Parteien neue Formate: Keine Bühnenauftritte von Spitzenpolitikern mehr, sondern Frage- und Antwortrunden in Cafés, Live-Streaming im Netz und webbasierte Mitmach-Plattformen, die aktive Mitglieder auch nach der Wahl zusammenhalten.

Der Wandel in der Wahlkampfführung muss jedoch nicht schlagartig stattfinden: „Die alten Instrumente sind immer noch gut, wenn sie richtig eingesetzt werden“, sagt Hoogvliet.

Das Internet ist nur eines von vielen Instrumenten. Die Kurznachrichtenplattform Twitter sieht Hoogvliet als eine Möglichkeit unter vielen: “Twitter funktioniert als Mittler zwischen den Medien, wie ein modernes Post-it.” In welcher Tonlage vor der Bundestagswahl gezwitschert wird, muss er jedoch erst noch entscheiden.

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