#ARD

tagesWEBschau: Alle mal social jetzt

von , 3.6.12

Boah ey, die ARD traut sich was!1!! Am 4. Juni geht sie mit einem Informationsangebot für Junge auf Sendung – Junge als Zielgruppe, hey, echt cool. Die tagesWEBschau soll werktags

tagesaktuell wichtige Nachrichten aus Politik, Wirtschaft und allen anderen Bereichen der Gesellschaft aus Sicht der Netz-Gemeinschaft aufbereiten.
Die Sendung wird nicht moderiert, sondern besteht aus Filmbeiträgen und Grafiken. Sie wird ca. zweieinhalb Minuten lang sein. Online wird es möglich sein, per Klick zusätzliche Inhalte wie z.B. Videos, regionale Inhalte der Landesrundfunkanstalten oder weiterführende Links abzurufen.

Also, um genau zu sein, bestehen zumindest die Piloten aus einer Mischung aus privaten YouTube- oder ähnlich amateurhaft gestalteten Videos, recht netten Grafiken, reingezoomten Google Earth-Fahrten, wackligen Webcam-Einspielern, die futuremäßig dynamisch aussehen, und Kommentierungen, von denen vermutlich nur Intendanten und Zeugen Jehovas denken, sie träfen den richtigen Ton. Ziemlich tröstlich, dass hinter den versprochenen Links mit hoher Wahrscheinlichkeit zeitgemäßere Qualität wartet.

Wozu habt ihr eigentlich diese ganze sauteure Technik von unserem Gebührengeld da rumstehen? Guckt euch doch mal die Beiträge zum Wedvideopreis an: das, ihr Lieben, ist state of the art. Verwackelt ist ja so was von Eighties … Der, ähem, Computerexperte Schieb wird so nicht besser, und für den Guru der Netzaffinen hat den eh noch nie einer gehalten, aber egal. Ihr habt da eben Nachholbedarf, no problem.

Radio Bremen-Intendant Jan Metzger erklärt das mit der Zielgruppe dann vorsichtshalber noch mal genau:

Wir werden die Themen des Tages aufgreifen, aber durch den Blickwinkel des Netzes erzählen, auch Kommentare aus dem Social Web einbinden. Darüber hinaus werden wir Inhalte berücksichtigen, die im Netz aktuell sind und die Gemeinde bewegen, aber für die große Tagesschau und das Publikum um 20 Uhr eher weniger wichtig sind. Das alles mixen wir zu einem Format, das die Informations-Qualität der Tagesschau mit der Lebenswelt der Jungen und der Netzaffinen verbindet.

Mixen ist irgendwie richtig gut formuliert in dem Zusammenhang, so im Sinn von alles oben reinstecken, mächtig aufdrehen und abwarten, wie es hinterher schmeckt. Mit Blickwinkel des Netzes ist der Blick durch ein Netz nach draußen gemeint, das ist eine Umschreibung für den leicht psychedelischen optischen Eindruck. Sehr bildhaft, doch. Sonst waren in den Piloten keine gemeindebewegenden Beiträge zu entdecken – außer, dass ein bisschen über Assange gesagt wurde, das man richtiger und ausführlicher in derselben Zeit zum Beispiel bei Netzpolitik hätte nachlesen können. Lebenswelt der Netzaffinnen ist allerdings, whoohoo, ja, doch, hat was. Überlege immer, ob da eventuell die ä-Strichelchen —

Die Vorstellung des Projekts hätte die ARD ein wenig süffiger gestalten können, zum Beispiel durch eine kollegiale Anfrage beim BR, der ja auch zur ARD gehört. Rundshow hin oder her – die Jungs wissen, wie man die Gemeinde anspricht und was sie interessiert. Und kommt mir jetzt nicht mit 2:30 – Gutjahr oder Fiene würden in 2:30 so viel echt Interessantes unterbringen und noch gute Grafik und guten Ton (und vielleicht sogar Sascha Lobo!) drunterlegen, dass euch nur so die Ohren schlackern. Jaja, sind Profis, aber trotzdem. Fragen kost’t ja nix, so unter Brüdern.

Dann ist da noch diese Sache mit dem Rückkanal, wisst ihr? Nee, noch nicht so genau, oder? Also, früher, da war Broadcast: einer sendete, die anderen hörten oder sahen zu. Kennt ihr doch noch, dieses neckische Wortspiel, EWG, Einer wird gewinnen, mit Kuli und Butler Martin? Da sind jetzt leider ein paar Sachen ein bisschen anders, da müsstet ihr möglicherweise ein ganz klein wenig umdenken. Mit diesem Internetz können die anderen nämlich heute auch was machen, zum Beispiel den Mund auf, also: die bei sich zu Hause auf dem Sofa, ihr bei euch im Studio oder in der Redaktion. So gegenseitig, ne? Ja, ist jetzt ein bisschen neu und überraschend, aber ihr hättet die vorher ruhig mal fragen oder euren Ex-Volos einfach freie Hand lassen sollen. Allerdings – wenn ich das Standbild von dem Video da unten links sehe – ja nee, is’ schon klar. Ich wollte da jetzt auch keinem zu nahe treten.

Guckt euch die Sachen von Daniel Bröckerhoff für den NDR an, hört DRadio Wissen-Medien oder Netzreporter zu und lernt bei Alexander Lehmann was über Animation. Dann besteht Hoffnung. Echt jetzt.
Ach so, den Netzreporter gibt es auch als Netz.Skript für Hörgeschädigte und Gehörlose zum Nachlesen, barrierefrei sagt man dazu. Aber ihr sprecht ja Junge an, da kommt so was bestimmt gar nicht vor.

Mal ehrlich? Liebe ARD-Programmausdenker. Gut gemeint ist nicht gut gemacht. Geht noch mal auf die Weide, nachdenken. Die Netzgemeinde informiert sich derweil da, wo nicht nur Information draufsteht. Die wissen, wo auch welche drin ist. Wegen netzaffin.

Textauszüge aus der Pressemitteilung von Radio Bremen, Crosspost

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