Springer: „Wer im Netz professionell publiziert, sollte Zitat und Zweitauswertung unterscheiden können.“

von , 12.5.11

Der Begriff des Zitats wird in digitalen Kreisen bekanntlich häufig rechtlich flexibel gehandhabt. Solange der Zitierte mit einem Rücklink belohnt, solle er sich mal nicht so haben. Denn: „Zitate zieren.

In einigen klassischen Medienhäusern sieht man das bekanntlich anders. Besonders deutlich wird dies auch, seit der Axel Springer Verlag verstärkt Site-Betreiber darauf hinweist, dass sie Inhalte aus Springer-Publikationen übernommen hätten, ohne aus Sicht des Verlages „die für eine Online-Nutzung erforderlichen Rechte“ zu besitzen. Kürzlich erreichte so ein Schreiben auch das Fachportal Exciting Commerce.

Die Länge von Zitaten ist keine Lappalie, sondern geradezu eine Existenz-, Format- und Geschäftsmodellfrage für viele Online-Publikationen. Die meisten Aggregationsblogs basieren geradezu darauf, Schnipsel und Textbrocken aus anderen Online-Quellen geschickt zusammenzusetzen und markant einzuordnen.

Hierbei handelt es sich um ein tatsächlich Sinn stiftendes und zudem effizient zu erstellendes Online-Format – um eine der echten großen Formatinnovationen im Netz überhaupt. Dass dabei die vorhandenen Ressourcen im Netz clever genutzt werden, gehört zum Spiel: der Aggregator besetzt die neuen Schlüsselpositionen, nicht mehr so sehr der Content-Produzent.

Sich in einer Netzwerköffentlichkei, die sich durch Verweise manifestiert, gegen Zitate – und seien sie zu lang – zu wehren, erscheint eher kontraproduktiv. Einige Verlage tun es trotzdem – vor allem wohl auch aus grundsätzlichen Erwägungen.

Als Exciting Commerce kürzlich zudem erklärte, aus gründen der Rechtssicherheit in Zukunft doch lieber auf Zitate aus Springer-Publikationen zu verzichten, konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, hier entstehe eine neue urheberrechtliche Gefahrenzone für Online-Publikationen:

Es hätte sicherlich geholfen, wenn Exciting Commerce selbst berichtet hätte, dass das von Springer monierte “Zitat” bei Exciting Commerce eine Länge von 1.530 Zeichen hatte und über die Hälfte des Postings ausmachte. Selbst urberrechtlich weniger begabten Menschen wird schwanen, dass hier das Zitatrecht möglicherweise überstrapaziert wurde. Exciting Commerce hat die Länge des Zitats Carta gegenüber bestätigt.

 

Der Fall besagt zunächst einmal: Bei sehr üppigen Zitaten muss man mit Post aus der Axel-Springer-Straße bezüglich Lizenzforderungen rechnen.

Zugleich stellt die Springer-Intervention eine bislang durchaus übliche redaktionelle Praxis von Aggregationsblogs infrage – nämlich die Übernahme von längeren Originalpassagen. Im urheberrechtsversierteren Nachrichtenmainstream macht man sich meist noch die Mühe der Umformulierung.

Aggregationsbloggen wird so gesehen zu einer Übung, bei der es auch darum geht, an den Grenzen des urberrechtlich Zulässigen entlang zu formulieren. Der Schreiber wird auch zum Lizenzkünstler.

Es erscheint fast hoffnungslos, von dem Urheberrechte-Inhaber zu erfahren, wo denn nun aus seiner Sicht die Grenzen des Zitatrechts liegen. Eine solche Auskunft könnte schließlich vor allem gegen ihn genutzt werden.

Ich habe trotzdem mal beim Axel-Springer-Verlag angefragt. Sprecher Christian Garrels erklärte, dass aus Sicht seines Hauses in vielen Fällen die Grenze vom Zitat hin zur „Zweitauswertung unserer Inhalte“ überschritten werde:

Die generelle Unterscheidung zwischen einem „einfachen Zitat“ und einer „bewussten Zweitverwertung“ ist wichtig.

Eine allgemein gültige „Grenze“ gäbe es nicht. Sie hänge vielmehr vom Einzelfall und vom Kontext ab. Das Journalist müsse dafür aber ein Auge haben, so Garrels:

Zum Handwerk eines professionellen Journalisten gehört es aus unserer Sicht im Übrigen durchaus, dass er oder sie sehr wohl in der Lage ist, zwischen der zulässigen, kostenfreien Nutzung eines Zitates und der urheberrechtlich geschützten Zweitverwertung fremder Texte zu unterscheiden und ggf. die erforderlichen Nutzungsrechte einzuholen.

Im Zweifelsfall empfiehlt Garrels einen Anruf bei der Lizenzabteilung Infopool.

Der Frame, den Springer hier setzen möchte, ist klar: Wer im Netz publiziert, der kenne sich besser mit den Schranken des bestehenden Urheberrechts aus – und hält sich auch an sie. Ansonsten nimmt man diese unfreundliche Zweitauswertung war. Versuche, die Grenzen des Zitatrechts im Netz in der redaktionellen Praxis zu lockern, tritt man zunehmend entschieden entgegen.

So gesehen werden hier vor allem symbolische Akte und die Standards der Branche mit Hilfe von Lizenzbriefen verhandelt.

Bemerkenswerterweise kann der Verlag hier freundliche Lizenzbriefe an Dritte schreiben – ohne über ein Leistungsschutzrecht zu verfügen.

/th

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