Rechtsfragen der Informationsgesellschaft: Vorratsdaten, Informantenschutz, WIPO

von , 21.12.09

Verfassungsgericht verhandelt über Vorratsdaten
Das Bundesverfassungsgericht hat vergangene Woche über die Vorratsdatenspeicherung verhandelt. Beschwerdeführer der Verfassungsbeschwerde sind neben prominenten Politikern auch 34.451 Bürgerinnen und Bürger. In der Verhandlung äußerten sich Sachverständige, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz Peter Schaar, sowie Bundesnetzagentur-Präsident Matthias Kurth kritisch zu der Vorratsdatenspeicherung. „Der Senat ist verwundert, dass er keinen politischen Verantwortlichen aus der Gesetzgebung gefunden hat, der es verteidigt.“, äußerte sich das Gericht zu dem Umstand, dass die Regierungsseite mit Staatsrechtler Prof. Dr. Christoph Möllers eher dünn besetzt war. Insgesamt ließen die Richter Bedenken gegen das Gesetz erkennen.

Europa stärkt Informantenschutz
Der Europäische Menschrechtsgerichtshof stärkte mit einem Urteil vom vergangenen Dienstag den Informatenschutz. In dem Rechtsstreit hatten einige Zeitungen in Großbritannien über eine Übernahme des Konzerns Interbrew durch ein südafrikanisches Unternehmen berichtet. Dessen Aktienkurse stiegen danach um das Zwanzigfache. Der Bericht basierte auf geheimen Informationen, die ein Informant den Medien zugespiel hatte – die betroffenen Unternehmen verlangten deshalb Auskunft über den Informanten. Das Gericht war jedoch der Ansicht, dass die Preisgabe der Quelle eine abschreckende Wirkung auf künftige Informanten haben könnte.

Namensnennung in Online-Archiven zulässig
Die Berichterstattung über die Mörder des Schauspielers Walter Sedlmayr durfte in einem Online-Archiv des Deutschlandradios gespeichert und zum Abruf bereitgestellt werden. Das entschied der Bundesgerichtshof vergangene Woche. Die Berichterstattung sei wahrheitsgemäß und sachlich verfasst, zudem bestehe an dem Fall ein öffentliches Interesse. Außerdem komme dem Bericht keine große Breitenwirkung zu, da er lediglich bei gezielter Suche auffindbar sei. Darüber hinaus stellte der BGH klar, dass nicht nur die Berichterstattung über aktuelle Tagesereignisse geschützt sei, sondern dass der Öffentlichkeit auch ein berechtigtes Interesse an der Möglichkeit zur Recherche älterer Berichte zugestanden werden müsse. Des weiteren könne es nicht zugemutet werden, sämtliche Online-Archive auf ein aktuelles Interesse der Öffentlichkeit zu überwachen. Dies würde zu einem „abschreckenden Effekt” auf den Gebrauch der Meinungsfreiheit führen.

Keine französischen Bücher mehr für Google Books
Das einem deutschen Landgericht vergleichbare Tribunal de Grande Instance in Paris hat Google verboten Bücher französischer Verlage zu digitalisieren. Geklagt hatte die Verlagsgruppe La Martinière. Das Gericht begründete sein Urteil damit, dass durch das Scannen der Bücher das Urheberrecht verletzt werde. Google muss La Martinière nun eine Entschädigung in Höhe von 300.000 Euro zahlen. Das Gericht verhängte außerdem ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 Euro pro Tag, sollte Google die Werke weiterhin in seinen Google-Books-Beständen führen.

US-Datenschützer verklagen Facebook
In den USA haben Datenschützer Klage gegen Facebook erhoben. Die Klage ist gegen die Anfang Dezember geänderten Datenschutzrichtlinien des Sozialen Netzwerks gerichtet. Die Verbraucherschützer kritisieren, dass durch die neuen Bestimmungen mehr Daten auch für Dritte einsehbar sind. Nutzer würden durch dazu animiert, möglichst viele Daten von sich preis zu geben.

Verbraucherzentrale mahnt Deutsche Postbank ab
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) hat die Deutsche Postbank abgemahnt. Die Abmahnung richtet sich gegen eine Einwilligungserklärung, die Postbankkunden unterzeichnen müssen. Die Erklärung erlaubt der Postbank, ihren freien Finanzberatern Zugang zu zahlreichen Kundendaten zu verschaffen. Neben Name, Anschrift, Beruf und diversen Kontendaten darf die Postbank laut Einwilligungserklärung auch hierzu „vergleichbare Daten” übermitteln. Damit sei ein „unerschöpflicher Datenpool” an sensiblen Kundendaten betroffen. Der VZBV verlangt von der Deutschen Postbank AG eine Unterlassungserklärung bis zum 22. Dezember und rät Kunden, ihre Einwilligungserklärung zu widerrufen.

Bußgelder bei TV-Gewinnspielen verhängt
Die Kommission für Zulassung und Aufsicht der Landesmedienanstalten (ZAK) hat erneut Bußgelder gegen 9 Live in Höhe von 20.000 Euro und gegen ProSieben von 10.000 Euro verhängt. Grund sind auch diesmal zahlreiche Verstöße gegen die Gewinnspielsatzung der Landesmedienanstalten, darunter unzulässiger Zeitdruck, Irreführung über den Schwierigkeitsgrad der Spiele und ungenügende Hinweise auf Regeln.

Urheberrecht: WIPO-Verträge ratifiziert
Die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten haben vergangenen Montag den WIPO-Urheberrechtsvertrag und den WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger ratifiziert. Die „Internet-Verträge“ zum Urheberrecht wurden auf der Diplomatischen Konferenz bei der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) 1996 verabschiedet und sind 2002 in Kraft getreten. Die Ratifikation durch die EU-Mitgliedsstaaten erfolgte erst jetzt, weil die Staaten zuvor ihr Urheberrecht den Vorgaben der Info-Richtlinie und der beiden WIPO-Verträge anpassen mussten, um die formalen Voraussetzungen für die Ratifikation zu erfüllen. Die Verträge sollen das internationale Urheberrecht an die neuen technischen Entwicklungen anpassen.

In Zusammenarbeit mit Telemedicus präsentiert Carta jede Woche zentrale Entwicklungen des Medien- und Informationsrechts. Dieser Wochenrückblick wurde zusammengestellt von Anja Assion.

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