Rechtsfragen der Informationsgesellschaft: SWIFT, Netzsperren, tagesschau.de

von , 15.2.10

EU-Parlament lässt SWIFT-Abkommen scheitern
Das EU-Parlament hat am vergangenen Donnerstag das sog. SWIFT-Abkommen über die Weitergabe von Bankdaten an die USA abgelehnt. Mit 378 zu 196 Stimmen haben die Abgeordneten gegen den vom Rat ausgehandelten Vertrag gestimmt. Eine Zustimmung des Parlaments ist für die Wirksamkeit solcher internationaler Abkommen erst seit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages nötig. Die Ablehnung wurde unter Datenschützern durch die Bank positiv aufgenommen. Nach Ansicht des BMJ stärke die Entscheidung nicht nur den Datenschutz, „sondern die Demokratie in Europa insgesamt”. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar nannte den Donnerstag einen „guten Tag für den Datenschutz und die Grundrechte in Europa”.

Koalition bekennt sich zu „Löschen statt Sperren”
Die Diskussion um Netzsperren hat in Deutschland wohl vorerst ein Ende: Nach einem Bericht des Spiegel will die Bundesregierung nicht länger an dem sog. Zugangserschwerungsgesetz festhalten. Dies gehe aus einem Brief an den Bundespräsidenten hervor. Bei diesem liegt nämlich das umstrittene Gesetz und wartet noch auf seine Ausfertigung. Der Koalitionsvertrag von CDU und FDP sah jedoch vor, die Regelungen für ein Jahr nicht anzuwenden. Die jetzt bekannt gewordene Stellungnahme sollte Klarheit bezüglich des Regierungskurses bringen. Danach ist statt dessen nun ein „Löschgesetz” geplant.

Bundesverfassungsgericht zur Deckelung von Abmahnkosten
Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungsbeschwerde gegen den § 97a UrhG nicht zur Entscheidung angenommen (Az. 1 BvR 2062/09). Damit entzieht es sich vorerst einer verfassungsrechtlichen Prüfung der Norm, die die ersatzfähigen Kosten für eine Abmahnung durch einen Anwalt in einfachen Fällen von Urheberrechtsverletzungen auf 100 Euro beschränkt. Nach der Entscheidung der Richter fehlen dem Antrag bereits die Zulässigkeitsvoraussetzungen. So habe der Beschwerdeführer nicht hinreichend geltend gemacht, dass er unmittelbar von der Regelung betroffen sei. Zudem müsse er wegen der grundsätzlichen Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde zunächst fachgerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen. Den Antrag hatte ein eBay-Händler gestellt; er geht seit mehreren Jahren gegen andere eBay-Nutzer vor, die von ihm selbst angefertigte Produkt-Fotografien verwenden. Er ist der Ansicht, die Deckelung der Kosten erschwere unzulässiger Weise die Durchsetzung seiner Rechte an diesen Fotos.

Freie Fahrt für tagesschau.de?
Nach einem Gutachten des NDR-Rundfunkrates besteht das Angebot tagesschau.de den sog. Drei-Stufen-Test: Der qualitative publizistische Beitrag überwiege deutlich die negativen Auswirkungen auf die Wettbewerber. Damit soll dieses Online-Angebot grundsätzlich vom öffentlich-rechtlichen Auftrag gedeckt sein. Nach der Expertise kann die Plattform als nicht-sendungsbezogenes Teilmedium genehmigt und von vielen Beschränkungen befreit werden. Darauf haben einige Verleger mit vehementem Protest reagiert: Sie befürchten, dass ihre eigenen Produkte durch einen grenzenlosen Ausbau von tagesschau.de vom Markt gedrängt werden. Der Verband deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) hat bereits an den NDR-Rechtsaufseher Christian Wulff appelliert, gegen entsprechende Pläne einzuschreiten.

Bundesgerichtshof erlaubt Spiegel-Dossier zum Sedlmayr-Mord
Spiegel Online
darf ein Dossier mit Altmeldungen über den Sedlmayr-Mord zum kostenpflichtigen Abruf bereithalten. In seinem Urteil vom 9. Februar (Az. VI ZR 243/08 und VI ZR 244/08) nimmt der BGH eine Abwägung zwischen den Rechten der verurteilten und seit ein paar Jahren auf Bewährung entlassenen Mörder und dem Interesse an einer freien Berichterstattung vor. Dabei sei zu beachten, dass auf der einen Seite lediglich das Resozialisierungsinteresse betroffen sei; dem stünde ob der Schwere der Tat und der Bekanntheit des Opfers ein ganz erhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegenüber. Zudem handele es sich um sachbezogene und wahrheitsgetreue Berichterstattungen, denen wegen der Kostenpflichtigkeit des Dossiers auch nur eine geringe Breitenwirkung zukomme. Damit müssten die Betroffenen diesen lediglich geringen Eingriff in ihre Persönlichkeitsrechte hinnehmen. Bereits im Dezemnber 2009 hatte der BGH in ähnlichen Verfahren gegen die Interessen der Sedlmayr-Mörder entschieden.

BGH billigt Spiel-Lizenzen
Der BGH hat eine Klage von Verbraucherschützern gegen das Lizenzmodell eines US-Spieleherstellers abgewiesen (Az. I ZR 178/08). Danach werden online heruntergeladene Spiele dauerhaft an ein Benutzerkonto gebunden. Eine Weitergabe durch den Käufer ist so nicht möglich. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) sieht darin eine Benachteiligung des Kunden: Denn dieser müsse auch beim Download die gleichen Rechte haben, wie er sie beim Kauf einer CD oder DVD im Geschäft hätte. Das Gericht sah dies offenbar anders, die Gründe sind jedoch noch nicht veröffentlicht. Jedenfalls wertet die Beklagte die Entscheidung als Bestätigung ihres Vertriebsmodells – sie sorge zudem endlich für Rechtssicherheit.

“Bilderbuch Köln” gebilligt
Das Projekt „Bilderbuch Köln” darf weiterhin Fotos von Häusern und Straßenzügen mit einem digitalen Stadtplan verbinden. So lautet eine Entscheidung des Landgerichts Köln; das Gericht konnte in den Aufnahmen weder einen Verletzung von Persönlichkeitsrechten, noch einen Datenschutzverstoß feststellen (Urteil v. 13.01.2010, Az. 28 O 578/09). Entscheidend sei, dass lediglich die Außenansicht der Gebäude von allgemein zugänglichen Stellen in Frage stehe. Damit sei ein Eingriff in Persönlichkeitsrechte fernliegend. Aus datenschutzrechtlicher Sicht greife das Medienprivileg des § 41 BDSG, weil die Fotos der Gebäude mit zusätzlichen Informationen etwa zur Architektur oder Geschichte des Hauses verknüpft werden.

Landgericht Hamburg: Verlage siegen gegen RapidShare
Die Verlage De Gruyter und Campus haben eine einstweilige Verfügung gegen RapidShare erwirkt. Das Landgericht Hamburg hat dem Sharehoster auferlegt, insgesamt zwölf Buchtitel aus dem Download-Angebot zu entfernen, sowie weitere Uploads zu verhindern. Die Kläger sehen diese Entscheidung als Teil eines „Grundsatzverfahrens”. Allerdings erging sie nur im vorläufigen Rechtsschutz, ein Urteil in der Hauptsache steht noch aus.

Kabelnetzbetreiber müssen Gebühren entrichten
Nach einem Urteil des Kammergerichts Berlin müssen Kabelnetzbetreiber für die Ausstrahlung privater Fernseh- und Radioprogramme Gebühren an die VG Media entrichten (Urteil v. 25.01.2010, Az. 24 U 16/09). Diese Verwertungsgesellschaft nimmt insbesondere Rechte an der Kabelweitersendung (§ 20b Urheberrechtsgesetz) und der öffentlichen Wiedergabe von Funksendungen (§ 22 UrhG) für die privaten Fernsehunternehmen wahr. Ein mittelständischer Kabelnetzbetreiber hatte gegen die Gebührenpflicht geklagt; seine Dienstleistung stelle nämlich keine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung dar. Dem konnten die Richter nicht folgen. Der Gesetzgeber habe diesbezüglich eine eindeutige Wertung getroffen. Zudem seien es die Sender, die dem Kabelnetzbetreiber eine Leistung erbringen und nicht umgekehrt.

In Zusammenarbeit mit Telemedicus präsentiert Carta jeden Montag zentrale Entwicklungen des Medien- und Informationsrechts. Dieser Wochenrückblick wurde zusammengestellt von Christiane Müller.

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