Rechtsfragen der Informationsgesellschaft – Rammstein, Three Strikes, Zitatrecht

von , 10.11.09

Telekom darf Kunden bei Kündigung anrufen
Es ist der Deutschen Telekom AG erlaubt, Kunden anzurufen, die zu einem anderen Anbieter wechseln wollen. Dies gilt aber nur dann, wenn sich die DTAG mit dem Anruf rückversichern möchte, tatsächlich der Anschlussinhaber die Kündigung eingereicht hat. Gegen diese Geschäftspraxis hatte eine Wettbewerber der Telekom Klage erhoben. Das Oberlandesgericht Düsseldorf (Entscheidung v. 31.01.2008, Az. I-20 U 151/07) konnte jedoch keinen Wettbewerbsverstoß feststellen: Es sei rechtmäßig, sich bestätigen zu lassen, dass der Kunde tatsächlich wechseln wolle. Nicht zulässig sei es hingegen, bei einem solchen Anruf andere Produkte oder einen Rückwechsel zu bewerben. Als Beweis ließ das Gericht einen heimlich aufgenommenen Mitschnitt eines Telefongesprächs zwischen Kunden und Telekommitarbeiter zu. Dieses Beweismittel würde hier schließlich nicht als Angriffs-, sondern nur als Beweismittel genutzt werden.

Sendematerial von „DSDS” durfte durch Dritten verwendet werden
Sat.1 durfte in eigenen Sendungen Ausschnitte der RTL-Produktion „Deutschland sucht den Superstar” zeigen. Das Gericht nahm zwar eine Verletzung in die urheberrechtlichen Verwertungsrechte von RTL an; die Verwendung der Ausschnitte sei aber wegen der Erlaubnistatbestände § 50 UrhG (Berichterstattung über aktuelle Tagesereignisse) und § 51 UrhG (Zitatrecht) zulässig. Das Oberlandesgericht Köln begründete seine Entscheidung unter anderem damit, dass ein großes öffentliches Interesse an der Show bestanden habe. Außerdem habe Sat.1 die Ausschnitte ausreichend mit Quellenangaben versehen.

Michael Jackson-Double darf Konzert geben
Die Erben des verstorbenen Michael Jackson dürfen ein Konzert eines Jackson-Doubles nicht untersagen. Dies entschied das Landgericht Stuttgart (Entscheidung v. 22.10.2009, Az. 17 O 429/09). Es begründete seine Entscheidung damit, dass die Erben als solche nicht berechtigt seien, Unterlassung zu verlangen. Die Erben hatten argumentiert, dass das Konzert die Persönlichkeitsrechte von Michael Jackson verletze. Nach Ansicht des Gerichts dürfen aber nur Angehörige eine solche Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts geltend machen. Auch nach amerikanischem Recht sei es zweifelhaft, dass die klagenden Erben aktivlegitimiert seien – jedenfalls konnten die Erben ihre Berechtigung nicht hinreichend substantiiert nachweisen.

Indizierung von Rammstein-Album
Das neueste „Rammstein”-Album „Liebe ist für alle da” schaffte es zunächst auf Platz 1 der Charts – und dann auf den Index für jugendgefährdende Medien. Dies gab die Prüfstelle für jugendgefährdende Medien gegenüber der Band bekannt. Gründe für die Indizierung: Das Album zeige jugendgefährdende Darstellungen von Sado-Maso-Praktiken und animiere zu ungeschütztem Geschlechtsverkehr in Zeiten von AIDS. Das Album können nun nur noch Volljährige erwerben.

Erst mal keine zentrale Datenbank für Telefonkunden-Daten
Eine zentrale Datenbank zur Speicherung von Bestansdaten wird es vorerst nicht geben. Dies erklärte die Bundesnetzagentur nach einer Anhörung der betroffenen Interessenvertreter. Dabei wurde kritisiert, dass die zentrale Datenbank voraussichtlich nicht wie beabsichtigt kostengünstiger sei, als die dezentrale Datenspeicherung. Auch datenschutzrechtliche Bedenken wurden laut, da der Staat über das bundesweite Verzeichnis Zugriff auf Telefonnummern, E-Mail-Adressen, Postanschriften und Geburtsdaten der meisten Bürger hätte. Diese Daten müssen seit einer Gesetzesänderung im Jahr 2007 nach den Vorschriften zur Telekommunikationsüberwachung (§ 112 TKG) erfasst werden. Die Daten werden also weiterhin dezentral von den Telekommunikations-Anbietern selbst gespeichert.
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Three Strikes auf dem Vormarsch
Das Three-Strikes-Modell beschäftigt derzeit Politiker auf der ganzen Welt. Sowohl auf europäischer, als auch auf internationaler Ebene diskutiert man, ob Urheberrechtssündern nach dem dritten Verstoß der Internetzugang gekappt werden soll. In Brüssel hat man sich nun geeinigt, unter welchen Rahmenbedingungen die Mitgliedstaaten solche Sperrungen einführen dürfen. In Seoul diskutierte man daneben ein neues Anti-Piraterie-Abkommen (ACTA). Der Entwurf orientiert sich vermutlich an den strikten, amerikanischen Regelungen: Danach sollen Internetanbieter strenger für Urheberrechtsverletzungen durch ihre Kunden haften; einer solchen Verantwortlichkeit können sie nur entgehen, wenn sie im Vorfeld angemessene Abwehrmaßnahmen ergriffen haben – bis hin zur Kappung des Internetanschlusses. Diese internationalen Planungen könnten auch Auswirkungen auf Deutschland haben.

Polizei soll auf Asylbewerber-Fingerabdrücke zugreifen können
Asylbewerber müssen in der EU ihren Fingerabdruck abgeben. Dieser wird mit anderen Daten in einer zentralen Datenbank (EURODAC) gespeichert um wiederholte Asylanträge zu vermeiden. Nun soll auch die Polizei zur Verfolgung von Straftaten – verdachtsunabhängig – auf die Datensammlung Zugriff erhalten. Datenschützer sind über die Pläne empört: Sie bezweifeln die Sinnhaftigkeit des Vorhabens und machen geltend, dass grundlegende Prinzipien des Datenschutzrechts verletzt würden. Ende November werden die EU-Innenminister über den Vorschlag abstimmen.

Vorratsdatenspeicherung nur noch bei kommerziellen Angeboten?
Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung forderte den neuen Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP dazu auf, die Vorratsdatenspeicherung allein auf kommerzielle Angebote zu beschränken. Die EU verpflichte nur solche Anbieter zur Vorratsdatenspeicherung, deren Angebot eine „Verbindung zu einer Tätigkeit wirtschaftlicher oder kommerzieller Art” aufweise. Dies bestätigte auch die zuständige EU-Kommissarin Viviane Reding. Die weitergehende deutsche Regelung könne daher ohne europarechtliche Konsequenzen auf kommerzielle Anbieter beschränkt werden. Davon profitierten die nicht-kommerziellen Anbieter, die meist nicht in der Lage seien, die Vorratsdatenspeicherung zu gewährleisten.

Streit um Abmahnung von taz-Journalistin
Vergangene Woche ist eine heftige Diskussion um die urheberrechtlichen Grenzen des Zitatrechts und der damit verbundenen Abmahnpraxis entbrannt. Die taz-Journalistin Eva Schweitzer hatte einen Blogger wegen der Verwendung eines Textauszuges abgemahnt. Dieser hatte den Auszug zwar als Zitat kenntlich gemacht und die Quelle genannt, nach Schweitzers Auffassung sei die Verwendung ihres Textes dennoch nicht vom Zitatrecht erfasst. Pikant: Die Abmahnung erfolgte nicht durch die Journalistin selbst, sondern durch ein spezialisiertes Unternehmen, das Schweitzer offenbar von jeglichem Kostenrisiko freigestellt hatte.

In Zusammenarbeit mit Telemedicus präsentiert Carta jede Woche zentrale Entwicklungen des Medien- und Informationsrechts. Carta übernimmt den Wochenrückblick mit freundlicher Genehmigung. Dieser Wochenrückblick wurde zusammengestellt von Anja Assion.

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