Rechtsfragen der Informationsgesellschaft – Leseplätze, SWIFT, Regulierungsferien

von , 7.12.09

„Regulierungsferien” gekipptDie Regelung in § 9a Telekommunikationsgesetz (TKG) ist nicht mit europäischem Recht vereinbar; das hat der Europäische Gerichtshof entschieden (Az: C-424/07). Nach dieser sog. „Lex Telekom” waren in Deutschland neue Märkte (wie der Aufbau des VDSL-Netzwerks) grundsätzlich von einer Regulierung ausgenommen. Dies sei aber mit diversen EU-Richtlinien nicht vereinbar, außerdem werde das Ermessen der Bundesnetzagentur in unzulässiger Weise eingeschränkt. Die Bundesregierung hatte die Regelung als legitimen Investitonsschutz verteidigt, während Kritiker negative Auswirkungen auf den Wettbewerb befürchteten. Nun muss das Gesetz jedenfalls geändert werden. Experten sehen allerdings auf die Praxis keine großen Änderungen zukommen, weil die Telekom sich mit ihren Konkurrenten bereits auf die Modalitäten des Zugangs zu ihrem VDSL-Netzes geeinigt habe.

Umfang der GEMA-Rechte bei Werbung
Der Bundesgerichtshof hat die Urteilsgründe zu einer Entscheidung in Sachen GEMA veröffentlicht (Urteil vom 10. Juni 2009, Az. I ZR 226/06). Darin hatte er einen Zahlungsanspruch der Verwertungsgesellschaft abgelehnt, wenn ihr Repertoire im Rahmen von Werbespots verwendet und dann als Arbeitsprobe im Netz veröffentlich wird. Die Richter sind der Auffassung, aufgrund der Verträge habe die GEMA überhaupt kein Recht, ihre Mitglieder auch „hinsichtlich der Verwendung von Musikwerken zu Werbezwecken” zu vertreten. Die Vorinstanzen gingen nach ihrer Vertragsauslegung von einer Wahrnehmungskompetenz aus. Deren Ansicht entspricht der gängigen Praxis der GEMA, auch Gebühren für mit Musik unterlegte Werbespots zu erheben. Kommentatoren gehen deswegen von erheblichen Veränderungen durch dieses Urteil aus.

EU-Rat billigt SWIFT-Abkommen
Am Montag hat der EU-Rat das umstrittene SWIFT-Abkommen mit den USA beschlossen. Darin werden die Voraussetzungen für eine Übermittlung von Bankdaten festgesetzt. Offizielles Ziel ist die Terrorismusbekämpfung. Datenschützer monieren aber die laxen Anforderungen an den Datentransfer, nach denen schon der geringste Verdacht ausreicht. Außerdem wird die lange Speicherzeit der Informationen kritisiert: Dagegen sehe das Abkommen auch keine ausreichenden Kontrollrechte bzw. Rechtsschutzmöglichkeiten vor. Deutschland, Österreich, Ungarn und Griechenland hatten sich der Stimme enthalten. Weil der Beschluss einen Tag vor Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages gefasst wurde, kann das EU-Parlament nun lediglich für oder gegen ihn stimmen. Inhaltliche Änderungen sind nicht mehr möglich.

Bibliothekenprivileg bei elektronischen Leseplätzen eingeschränkt
Das Oberlandesgericht Frankfurt hat in einem Urteil vom 24. November (Az. 11 U 40/09) das Bibliothekenprivileg aus § 52b Urheberrechtsgesetz eingeschränkt: Danach darf man an elektronischen Leseplätzen keine Speicherungen auf USB-Sticks vornehmen oder die digitalisierten Werke ausdrucken. Diese Vervielfältigungen könnten im Einzelfall zwar von dem Recht auf Privatkopie (§ 53 UrhG) gedeckt sein, hier sei eine Kombination verschiedener Schranken aber unzulässig. § 52b UrhG erlaube als Annex-Kompetenz die Digitalisierung der Werke, weitergehende Nutzungshandlungen seien aber zu Verwirklichunng des Bibliothekenprivilegs nicht erforderlich. Die Vorinstanz hatte noch angenommen, Papierkopien seien für eine sinnvolle Arbeit mit längeren Texten notwendig.

SPD will neuen ZDF-Staatsvertrag
Als Reaktion auf die Causa Brender hat Kurt Beck Änderungen für den ZDF-Staatsvertrag vorgeschlagen. Danach sollen neue Regeln bei der Besetzung von Gremien für mehr Staatsferne des ZDF sorgen. Der Vorschlag sieht vor, die Rechte des Intendanten in puncto Personalfragen zu stärken; in den Aufsichtsgremien soll die Anzahl der staatlichen Vertreter gesenkt werden. ZDF-Intendant Markus Schächter hat diesen Vorstoß bereits begrüßt. Einer Änderung müssten allerdings alle Ministerpräsidenten zustimmen.

Haftung beim E-Mail-Adressenkauf verschärft
Der Käufer von E-Mail-Adressen darf sich nicht auf die Zusicherung des Verkäufers verlassen, es liege eine Einwilligung des Betroffenen für Werbe-Mails vor. Das hat das Oberlandesgericht Düsseldorf entschieden (Az. I-20 U 137/09) und damit dem Käufer eine eigene Prüfungspflicht auferlegt. Weil § 7 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb sogar eine ausrückliche Einwilligung verlange, müsse diese auch irgendwie dokumentiert werden. Die „Ausrede”, man habe die Adressdaten nur von Dritten erhalten, ist nach diesem Urteil völlig bedeutungslos. Auf welche Weise es dem Käufer überhaupt möglich ist, selbst an die Einwilligung zu gelangen, fällt allein in seine Riskikosphäre.

NRW-Landtag beschließt neues Medienkonzentrationsrecht
In Nordrhein-Westfalen sind Änderungen des Landesmediengesetzes und des WDR-Gesetzes in Kraft getreten. Neben Verschärfungen des Jugendschutzrechts und Regelungen zum digitalen Hörfunk enthält das Gesetzespaket auch eine Novelle des Konzentrationsrechts. Künftig dürfen sich Zeitungsverlage zu 100 Prozent auch an privaten lokalen Rundfunksendern beteiligen. Auflagen wie Programmfenster für unabhängige Dritte sollen die Meinungsvielfalt sichern. Mit der Senkung der zulässigen Beteiligungshöchstgrenze will der Gesetzgeber den Verlagen TV-Aktivitäten erleichtern.

EU einigt sich auf neues Patentrecht
Der EU-Rat hat sich auf eine Reform des europäischen Patentrechts geenigt. Danach soll das EU-weit geltende Gemeinschaftspatent künftig schneller erteilt werden können. Außerdem ist ein einheitliches Patentgericht in Europa vorgesehen, um widersprüchliche Entscheidungen zwischen den Staaten zu vermeiden. Der Vorschlag wird nun vom EuGH auf seine Vereinbarkeit mit europäischem Recht geprüft und muss auch noch vom Parlament beraten werden.

Dauer-Video-Verkehrsüberwachung unzulässig
Das Oberlandesgericht Oldenburg hat entschieden, dass eine Dauer-Video-Überwachung von Fahrbahnen unzulässig ist. Eine solche Maßnahme zur Feststellung von Verkehrsverstößen stelle einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar. Das hat das Bundesverfassungsgericht bereits im August für einen Fall in Mecklenburg-Vorpommern entschieden. Weder in diesem Bundesland, noch in Niedersachsen existiert eine spezielle Ermächtigungsgrundlage, die einen solchen Eingriff rechtfertigen könnte. Nach Ansicht des Gerichts dürfen auf diese Weise gewonnene Messdaten auch nicht als Beweismittel verwendet werden. Das Beweiserhebungsverbot führe zwar nicht in jedem Fall auch auch zu einem Verbot der Verwertung. Hier komme jedoch erschwerend hinzu, dass durch die Überwachung eine Vielzahl von Menschen in ihren Grundrechten betroffen sei.

In Zusammenarbeit mit Telemedicus präsentiert Carta jede Woche zentrale Entwicklungen des Medien- und Informationsrechts. Dieser Wochenrückblick wurde zusammengestellt von Christiane Müller.

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