Neumann: „Urheberrecht soll nicht in ein Verbraucherrecht umgedeutet werden“

von , 26.5.11

Es ist gerade in Mode, sich über die netzpolitischen Ambitionen von Nicolas Sarkozy zu mokieren. Dabei wird übersehen, dass Kulturstaatsminister Bend Neumann bei der „Media Night“ der CDU nicht mit Positionen und Forderungen gegeizt hat:

– Die Verlage sollten der Content-Allianz beitreten.

– Die Urheber sollten Ausgangspunkt aller urheberrechtlichen Überlegungen bleiben. Das Urheberrecht dürfe nicht in ein Verbraucherrecht umgedeutet werden.

– Es soll ein Warnhinweismodell bei Urheberrechtsverletzungen geben – unter Beteiligung der Internetprovider.

– Eine Ablehnung der Kulturwertmarke des Chaos Computer Clubs.

– Eine Bestätigung eines Leistungsschutzrechtes für Presseverlage, womit die gewerbliche Nutzung der Online-Presse abgabenpflichtig werden soll.

– Begrenzung der öffentlich-rechtlichen Online-Angebote durch regelmäßige Tests.

– Forderung nach einem Mindestmaß an Information in den privaten Vollprogrammen.

– Forderung nach Lockerung des Medienkonzentrationsrechts im Rundfunkbereich.

Carta dokumentiert hier die Rede des Kulturstaatsministers vom 24. Mai 2011 (Hervorhebungen durch Carta):


Anrede,

bereits das Programm dieser Media-Night macht es deutlich: Die Medienlandschaft ist nicht nur im Wandel, nein, sie hat sich bereits deutlich gewandelt. Die sogenannte Netzpolitik steht im Vordergrund, die klassische Medienpolitik im Hintergrund. Bei unseren Anstrengungen für immer schnellere und kostengünstige Übertragungswege dürfen wir aber nicht den Anspruch an kreative und niveauvolle Inhalte aus den Augen verlieren! Dieses ist meine Sorge.

Ich bin deshalb Jürgen Doetz vom VPRT und den weiteren Initiatoren wie ARD, ZDF, GEMA, Börsenverein sowie Musik– und Filmwirtschaft dankbar, dass sich mit der jüngst gegründeten Content-Allianz Interessenverbände privater und öffentlich-rechtlicher Medienunternehmen branchenübergreifend zusammengeschlossen haben, um die Anbieter- und Angebotsvielfalt auch in der digitalen Welt zu sichern. Ich fände es im Übrigen auch sinnvoll, wenn die Verleger dieser Allianz beitreten.

Alles steht heute unter der Überschrift: Digitalisierung. Die Aufgabe unserer Medienpolitik muss es sein, die Chancen der Digitalisierung auszuschöpfen und ihre Risiken zu minimieren. Zu den Chancen gehört es zum Beispiel, über digitale Bibliotheken und Online-Portale die Schätze unserer Kultur, unser kulturelles Erbe wie auch die aktuelle Kunst quasi jedermann zugänglich zu machen. Einen wichtigen Beitrag hierzu wird zukünftig die Deutsche Digitale Bibliothek leisten, deren technische Infrastruktur derzeit auch mit Mitteln meines Hauses aufgebaut wird.

Die digitalen Schätze der rund 30.000 deutschen Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen auf diese Weise für jedermann zugänglich zu machen, ist natürlich eine große Herausforderung.

Die aktuelle Debatte zeigt vor allem auch eins: Der Finanzbedarf in den nächsten Jahren und Jahrzehnten für die Digitalisierung von Kulturgut ist enorm. Er übersteigt bei weitem das, was Bund, Länder und Kommunen gemeinsam leisten können. Ich stehe deshalb einer Kooperation öffentlicher Einrichtungen mit der Privatwirtschaft durchaus aufgeschlossen gegenüber, so wie es die Bayerische Staatsbibliothek mit Google schon erfolgreich praktiziert. Eines muss hierbei ganz klar sein: Weder darf dies zu Informationsmonopolen privater Unternehmen führen, noch dürfen die Vorgaben des Urheberrechts missachtet werden. Auch im Falle der Kooperation mit Privaten müssen Digitalisate den öffentlichen Einrichtungen weiter frei zur Verfügung stehen.

Zu den Risiken der digitalen Entwicklung gehört, dass der Schutz des geistigen Eigentums nicht gesichert ist. Dies gefährdet die Existenz von Künstlern und von Kultur- wie Medienschaffenden, die von den Tantiemen für die Nutzung ihrer Werke leben. Beleg hierfür ist die massenhafte Verbreitung illegaler Raubkopien im Internet und eine weit verbreitete Gratis-Mentalität. Und hiervon betroffen ist nicht allein die Film- und Musikindustrie.

Ein Kernvorhaben mit Blick auf die Digitalisierung ist daher die Reform des Urheberrechts. Hierbei muss eines klar sein: Der Urheber bleibt Ausgangspunkt aller rechtlicher Überlegungen. Für eine Neuformulierung des Schutzzwecks des Urheberrechts zugunsten der Nutzer besteht kein Anlass. Freier Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken kann im digitalen Zeitalter nicht auf Kosten der Kreativen erfolgen, in dem das Urheberrecht in ein Verbraucherrecht umgedeutet wird.

Zur besseren Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte sollte der rechtliche Rahmen daher um ein sogenanntes Warnhinweismodell ergänzt werden, das es ermöglicht, bei illegaler Nutzung zu verwarnen, ohne sofort zu bestrafen. Bei wiederholter Rechtsverletzung muss aber mit einer ernstzunehmenden Reaktion zu rechnen sein, z.B. einer kostenträchtigen Abmahnung.

Die Urheber und sonstigen Rechteinhaber sind zur Verwirklichung ihrer Rechte auf die Mitwirkung aller, die von der Verwertung kreativer Leistung profitieren, angewiesen. Dazu gehören auch die Provider, deren Haftung fortzuentwickeln ist. Die angemessene Vergütung der Urheber und Rechteinhaber ist entsprechend dem analogen Bereich sicherzustellen. Vorschläge wie die Einführung einer Flatrate oder jüngst die einer Kulturwertmarke sind abzulehnen. Sie sind unpraktikabel, verfassungsrechtlich bedenklich, sichern keine angemessene Vergütung und führen zur Enteignung der Kreativen.

Die digitale Revolution stellt auch die Presseverleger vor große Herausforderungen. Die Bedeutung der Presse für die Demokratie kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Denn ohne die vielfältige Presselandschaft mit anspruchsvollen journalistischen Inhalten wäre das kulturelle, politische und gesellschaftliche Leben in Deutschland deutlich ärmer. Deshalb ist es wichtig, die Leistungen von Presseverlegern wie die anderer Werkvermittler angemessen zu schützen.

Mit der Einführung eines Leistungsschutzrechts werden die Rahmenbedingungen für Presseverleger verbessert und Ihnen ein eigenes rechtliches Fundament zur Durchsetzung ihrer Rechte im Internet geboten. Das Leistungsschutzrecht soll nur die gewerbliche Nutzung betreffen. Auch den Journalisten als Urhebern muss die Stärkung der Rechtsposition der Verleger zugutekommen.

Die Konkurrenz durch Online-Angebote öffentlich-rechtlicher Anstalten erschwert die Situation der Verleger. Deshalb müssen die öffentlich-rechtlichen Aktivitäten begrenzt und durch regelmäßige echte Tests evaluiert werden.

Auch im Zeitalter digitaler Übertragungswege wird es der Rundfunk bleiben, der einem Großteil der Bevölkerung Zugang zu Informationen, Meinungen, kulturellen und kreativen Inhalten verschafft. Das duale Rundfunksystem hat sich bewährt. Es hat uns in Deutschland eines der vielfältigsten Rundfunkangebote der Welt eingebracht.

Der Qualitätsanspruch richtet sich zuallererst an die öffentlich-rechtlichen Anstalten, aber auch der private Rundfunk hat eine gesellschaftliche Verantwortung und sollte auf Qualität im Programm nicht völlig verzichten. Ein Mindestmaß an Informationen und Nachrichten muss in den privaten Vollprogrammen gewährleistet werden.

Dualer Rundfunk heißt nicht nur eine Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, sondern auch faire Chancen für die privaten Anbieter.

Für den privaten Rundfunk gilt es, die Rahmenbedingungen im Medienkonzentrations- und Kartellrecht zu verbessern. Das Verhältnis von Meinungsmacht, marktbeherrschender Stellung und Wettbewerbsfähigkeit für den Medienbereich ist neu zu definieren. Es kann nicht sein, dass deutschen Unternehmen mit dem Argument der Marktmacht versagt ist, Anteile an deutschen Medienunternehmen zu übernehmen und damit deren Existenz zu sichern – andererseits sich dann nichtdeutsche Medienoligarchen mit viel größerer Medienmacht einkaufen und anschließend das Unternehmen finanziell ausgeplündert wird. Hier sind auch die Länder besonders gefordert.

/th

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