Münchau – Die Null im Kopf

von , 7.4.10

Wolfgang Münchau erörtert in der FTD den deutschen Volkssport Lohnzurückhaltung:

Eines der wirklich interessanten Phänomene der deutschen Wirtschaft ist die Bereitschaft der Arbeitnehmer, Nullrunden über mehrere Jahre kampflos zu akzeptieren – vor allem in der verarbeitenden Industrie. Einer der tiefen Gründe dieser zutiefst pathologischen Entwicklung liegt in der Art und Weise, wie wir in Deutschland den Arbeitsmarkt reformiert haben. Einerseits wurde die langfristige Arbeitslosenunterstützung durch die Hartz-IV-Gesetze brutal gekürzt. Andererseits bleibt der Arbeitsmarkt weiterhin überreguliert. Das heißt, Arbeitnehmer sind bereit, Nullrunden hinzunehmen, weil es bei Arbeitsplatzverlust keine Alternativen auf dem Arbeitsmarkt gibt und weil Langzeitarbeitslosigkeit erhebliche Einkommensverluste mit sich bringt. Die Nullrunde ist also eine Art Versicherung auf Erhalt des Arbeitsplatzes in einem dysfunktionalen Markt.

Sehr hübsch auch sein Deutschland-China-Vergleich: “Unsere Methode ist martialischer.”

Wie in jedem Land mit hohen Exportüberschüssen glauben auch die Deutschen, die Ursachen ihrer Überschüsse lägen in der Qualität heimischer Produkte. Die Chinesen behaupten im Übrigen dasselbe. Der wirkliche Grund des deutschen und des chinesischen Erfolgs liegt darin, dass beide eine Form des Dumpings betreiben. Die Chinesen halten ihren nominalen Wechselkurs niedrig, während wir mit unseren tariflichen Nullrunden den realen Wechselkurs abgewertet haben. Unsere Methode ist martialischer.

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