#Minarettverbot

Medienhype um Minarette

von , 11.12.09

Was ihren Nachbarn, den Schweizern jetzt widerfährt, kennen die Österreicher ja schon: Wenn das Stimmvolk einmal aufmüpfig aus dem Konsens der „political correctness“ ausschert, auf den sich die politischen Eliten stillschweigend zu verständigen zu pflegen, dann ist die Hölle los, dann fallen die grossen Nachbarn über kleine Länder her, dann kommt es zu den Medienhypes der Mainstream Media: Weil „man“ sich ja bei den kleinen Nachbarn, einschliesslich in deren Seelenleben, bestens auszukennen glaubt, wird wild darauf los spekuliert und geschrieben. Und weil Recherche Geld und Zeit kosten würde, schreibt obendrein einer vom anderen hemmungslos ab.

Den Schweizern ergeht es jetzt so, weil sie mehrheitlich ihr Land nicht mit Minaretten bestückt sehen wollten. Unisono wird ein Problem, bei dem es im Kern um eine baurechtliche Regelung und allenfalls um die Ästhetik von Stadtarchitektur geht, zu einer Frage von Menschenwürde und Religionsfreiheit hochstilisiert, als würden in der Schweiz Muslime an ihrer Religionsausübung gehindert, während in Mekka Kirchglocken und Muezzins im friedlichen Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der Gläubigen konkurrierten.

Vor ein paar Jahren ging es den Österreichern ähnlich, als Jörg Haider seine grossen Wahlerfolge erzielte. Damals konnte Putin in Tschetschenien ziemlich ungestört seinen brutalen Krieg führen und ein ganzes Land in Schutt und Asche legen. Die Medien waren vollauf damit beschäftigt, Österreich zu diskreditieren. Heute ist Putin noch immer an der Macht. Und in Italien toleriert und akzeptiert EU-Europa einen Premierminister, der das Fernsehen und fast alle anderen wichtigen Medien kontrolliert, der wie ein Postfaschist agiert, der das Verfassungsgericht und den Staatspräsidenten verunglimpft, der seit Jahren nach Lust und Laune Gesetze erlässt, die entweder ihn selbst vor Strafverfolgung schützen oder sein Medienimperium geschäftlich privilegieren. Das wird von Europas Leitmedien zwar nicht völlig untergebügelt, aber irgendwie hingenommen, jedenfalls nicht so skandalisiert, wie es geboten wäre. Denn sie sind ja vollauf damit beschäftigt, über die älteste Demokratie Europas, die kleine Schweiz, herzufallen.


Stefan Russ-Mohl schreibt diese Kolumne für die österreichische Wochenzeitung Die Furche und Carta.

Zustimmung, Kritik oder Anmerkungen? Kommentare und Diskussionen zu den Beiträgen auf CARTA finden sich auf Twitter und auf Facebook.