von , 11.12.08

Dummheit hat Herr Nobelpreisträger Krugman dem Minister Steinbrück vorgeworfen, schreibt Reuters. Und der Spiegel setzt noch eins drauf, nicht Steinbrück, nein der ganzen Regierung habe er Dummheit vorgeworfen. Stimmt:

And if Germany prevents an effective European response, this adds significantly to the severity of the global downturn. In short, there’s a huge multiplier effect at work; unfortunately, what it’s doing is multiplying the impact of the current German government’s boneheadedness.

Dickschädeligkeit könnte man auch übersetzen. Anlass ist ein Interview, das Steinbrück letztens dem Magazin Newsweek gab. Und dort erzürnt Krugman vor allem folgende Passage.

The same people who would never touch deficit spending are now tossing around billions. The switch from decades of supply-side politics all the way to a crass Keynesianism is breathtaking. When I ask about the origins of the crisis, economists I respect tell me it is the credit-financed growth of recent years and decades.

Wer sind wohl die Ökonomen, die Steinbrück respektiert? Wohl nicht der jüngste Nobelpreisträger. Nein, sondern einer seiner ewigen Widersacher, der Dickschädel Otmar Issing, den Merkel erst jüngst zum Leiter der Expertengruppe “Neue Finanzarchitektur” berufen hat. Dass Issing’s Position als Monetarist in krassem Widerspruch zu den Rezepten der Keynesianer um Krugman steht, ist bekannt. Aber die Frage, die Steinmeier aufwirft, zielt in eine andere Richtung. Wie kommt es, dass ausgerechnet all jene, die den Staat all die Jahre aus dem Spiel halten wollten und damit im Kern monetaristische Rezepte befolgt haben, sich nun plötzlich über Nacht verwandeln?

Es lohnt sich, einen Blick in einen Artikel eines anderen Nobelpreisträgers zu werfen. John Stiglitz hat auf Vanityfair sehr klar und anschaulich beschrieben, wie die Krise zustande kam .. und vor allem, wer uns hineingeritten hat. Ums kurz zusammenzufassen: 1. Der falsche FED-Präsident Greenspan statt Volcker (der jetzt wieder Obama berät), 2. die globale Deregulierung, 3.falsche Anreize sowohl der Steuerpolitik wie auch der Zentralbank, 4. betrügerische Buchführung und zuletzt 5. unsinnige Rettungsmaßnahmen.

Und hier geht Stiglitz, der ansonsten eher auf der Seite von Krugman zu finden sein sollte, erstaunlich konform mit Steinbrück / Issing:

If the administration had really wanted to restore confidence in the financial system, it would have begun by addressing the underlying problems—the flawed incentive structures and the inadequate regulatory system.

Welchen Sinn macht es, ein bankrottes Finanz-System zu retten, ohne dessen Spielregeln anzutasten. Am Gebahren der Banken hat sich wenig geändert.

Banks are, if nothing else, entirely predictable. If there is a way to game the system, they will avail themselves of it.

Anstatt ihre Bücher zu konsolidieren, verschieben sie in großem Umfang Gelder in intransparente und schwer zu bewertende Papiere des sogenannten Level 3, wie die Financial Times berichtet.

The biggest US financial institutions reported a sharp increase to $610bn in so-called hard-to-value assets during the third quarter, raising concerns about the hidden dangers on balance sheets.

Es macht kaum Sinn, in dieses Fass ohne Boden Milliarden von Steuergeldern zu schütten. Da hat Steinbrück wohl recht. Aber das ist auch nicht, was Krugman genau fordert. Er wil ein Konjunkturprogramm, besser heute als morgen. Gleichzeitig weiss er aber auch, dass manche Wirtschaftszweige nach Jahrzehnten der Misswirtschaft kaumzu retten sind, wie die Huffington-Post meldet.

Nobel economics prize winner Paul Krugman said Sunday that the beleaguered U.S. auto industry will likely disappear. “It will do so because of the geographical forces that me and my colleagues have discussed,” the Princeton University professor and New York Times columnist told reporters in Stockholm. “It is no longer sustained by the current economy.”

Wo also das Geld hinschütten? Und mit welchen Folgen? Die Streiterei darüber wird noch eine Weile weitergehen. Während die schlechten Nachrichten sich häufen werden.

In all der Debatte geht etwas anderes leicht unter, nämlich die geopolitischen Veränderung, die sich unter Hand vollziehen. Was waren die Ergebnisse des G20-Gipfels? Keine? Falsch, sondern das, dass es ihn überhaupt gegeben hat, und dass die G20 die Agenda setzt und nicht mehr die G7.  Das gleiche betrifft die Rolle Deutschlands. Auf die Frage, ob Deutschland nicht tatsächlich innerhalb der EU eine Führungsrolle inne hat, antwortet Steinbrück sehr zurückhaltend.

I’m ambivalent about leadership. That Germany makes its contribution, that our capabilities are neither underestimated nor overestimated, I can live with that.

Krugman sieht die Sachlage hier etwas anders.

… the nature of the crisis, combined with the high degree of European economic integration, gives Germany a special strategic role right now

Dort liegt vielleicht einer der Konflikte, die quasi hinter den Kulissen ausgetragen werden und Machtverhältnisse verschieben. Vorsicht!

Zustimmung, Kritik oder Anmerkungen? Kommentare und Diskussionen zu den Beiträgen auf CARTA finden sich auf Twitter und auf Facebook.