von Leonard Novy, 21.7.12
Während in den USA beim Umgang mit der Homo-Ehe in den letzten Jahren deutliche Veränderungen zu beobachten waren, die es Präsident Obama ermöglichten, sich im Wahlkampf klar dafür (statt unbestimmt nett) zu positionieren, spaltet das Recht auf Waffenbesitz Amerika wie eh und je. Zwei Jahre nachdem der Supreme Court das „Waffen zu halten und zu tragen“ ausgeweitet hat und mitten im Präsidentschaftswahlkampf zeigen das auch die medialen Reaktionen auf den Amoklauf von Aurora. Keine Trägodie, sondern Mord – in dieser Einschätzung stimmen New Yorker und National Review überein. Wenn es um die politische Dimension der Tat beziehungsweise daraus zu ziehende Konsequenzen geht, sieht das anders aus.
New Yorker-Autor Adam Gopnik betont in seinem Blog-Post von Donnerstag, dass Aurora eine weitere Episode in einer „erwartbaren“ und sicher eine Fortsetzung findenden „Routine“ sei, deren Ursache er eindeutig in der überkommenen (und die USA von weiten Teilen der zivilisierten Welt trennenden) Obsession des Landes mit Waffen verortet.
Erneut trauen sich Vertreter beider politischer Lager, auch Präsident Obama in seiner ersten Stellungsnahme, nicht, den „Wahnsinn unkontrollierter Waffen“ zu thematisieren, kritisiert Gopnik. Diejenigen, die sich in der ideologisch aufgeheizten Debatte um die Interpretation des zweiten Verfassungszusatz für das Recht auf Waffen aussprechen („blood lobby“), erklärt er für „moralisch mitverantwortlich“:
Of course, we don’t know, and perhaps never will, what exactly “made him” do what he did; but we know how he did it. Those who fight for the right of every madman and every criminal to have as many people-killing weapons as they want share moral responsibility for what happened last night—as they will when it happens again. And it will happen again.
Die konservative Interpretation der Geschehnisse von Aurora und der daraus (nicht) zu ziehenden Konsequenzen finden sich im National Review Online, Onlineableger einer der wichtigsten Publikationen der konservativ-intellektuellen Elite der USA. Der geht es, in guten so in schlechten Zeiten, um den Einzelnen und individuelle Verantwortung. So wirft Charles C. W. Cooke den politischen Gegner vor, die Tat eines Einzelnen für ihre politische Agenda zu missbrauchen
[T]his crime was ultimately about people. It was about the shooter, the victims, and their families — and very little else besides — and we would do well to avoid breathlessly proposing radical changes to our constitutional order because a man abused his liberty. Those with evil in their hearts are prone to do evil things, and those willing to violate strict prohibitions against murder do not care much about regulation of firearms or much else.
Man könne unzählige weitere Beispiele anführen, muss man aber nicht. Denn mit den beiden Texten sind die Positionen im Wesentlichen umrissen. Die der Republikaner wird sich in den kommenden Wochen im Wesentlichen an Cookes’ Argumentation orientieren. Abzuwarten bleibt, wie sich Barack Obama verhält. Für ihn besteht die strategische Herausforderung in den nächsten Monaten darin, einerseits die teils tief enttäuschte Linke für sich zurückzugewinnen, und andererseits Mitt Romney, dem Mormonen aus Massachusetts, keine Gelegenheit zu geben, die nach wie vor mit ihm fremdelnde Wählergruppen weit rechts für sich zu mobilisieren. Ein Spagat. Doch die Linke wird eindeutige Botschaften fordern und schwerlich mit der rhetorischen Überwindung dichotomer Positionen (Triangulation) und der Ansprache des Gemeinsamen zufriedenzustellen sein.