von Robin Meyer-Lucht, 15.9.10
Vor zwei Wochen schrieb der NZZ-Medienredakteur Rainer Stadler in seiner Kolumne über mangelnde Sympathien für ein Verleger-Leistungsschutzrecht, er habe durchweg nur negative Leserreaktionen erhalten:
Das Vorhaben der Verleger wird als rückwärtsgewandt und protektionistisch wahrgenommen.
Gestern nun antwortete ihm Axel Springer-Chef Mathias Döpfner persönlich (“Wer liberal ist, verteidigt geistiges Eigentum“). Stadlers Text habe ihn “nachhaltig verwundert”: ein besserer Schutz des geistigen Eigentums von Verlagen im Internet sei nicht protektionistisch, sondern ein Ausdruck von Freiheit, so Döpfner.
In sechs Punkten argumentiert Mathias Döpfner anschließend für das Leistungsschutzrecht – besonders spannend erscheint dabei Punkt 5:
Fünftens droht laut NZZ angeblich ein «Gebührensystem, ein grenzüberschreitendes bürokratisches Monster». Das ist falsch. Die deutschen Verlage erwägen, ihre Online-Rechte für gewerbliche Nutzung von einer Verwertungsgesellschaft wahrnehmen zu lassen wie alle anderen kreativen Branchen auch. Wer Leistungen nutzen möchte, kann freiwillig einen Lizenzvertrag abschließen. Wer es nicht möchte, lässt es bleiben. Kein Druck, kein Zwang, keine Gebühr.
Döpfner beginnt seinen Text mit einem Aufschlag für liberale Grundwerte – und sortiert anschließend auch eine Verwertungsgesellschaft als liberales Konzept ein. Damit ist ein ganz wichtiger Kern der Leistungsschutzdebatte angesprochen und entsprechend gerahmt – die Frage nämlich: Wie liberal ist hier eigentlich der Ansatz einer Verwertungsgesellschaft?
Noch ist nicht genau bekannt, wie eine solche Verwertungsgesellschaft ausgestaltet wäre und welche ihre Tarife wären. Doch die Grundkonzeption einer solchen Einrichtung ist klar. Grundelemente werden mutmaßlich sein:
- Es wird eine Pauschalabgabe für die Nutzung von Online-Presseprodukten geben – möglicherweise auch einen sehr groben Stufentarif.
- Die Vergütung der Anbieter wird nach einem Einheitspreis pro Nutzungsvorgang erfolgen – möglicherweise wird es auch einen sehr grob abgestuften Vergütungsschlüssel geben.
- Die Nutzer können lediglich einen Lizenzvertrag über die Nutzung aller Online-Presseprodukte abschließen – nicht über die Nutzung bestimmter Angebote.
Eine Vergütungsgesellschaft verfügt strukturell über sehr eingeschränkte Preis- und Lenkungsmechanismen: Es gibt Pauschalgebühren, Einheitspreise und wenig Auswahl.
Ein solches System besonders liberal zu nennen, wäre wohl vermessen. Vergütungsgesellschaften ersetzen vielmehr ein System freiheitlicher Preisfindung durch ein staatlich gestattetes Verwertungskonsortium aller Anbieter in einem Segment – nach staatlich beaufsichtigten Preisen.
“Kein Druck, kein Zwang”? – zumindest hätte der gewerbliche Nutzer in Zukunft wohl nur noch die Wahl, einen Lizenzvertrag für alle Verlagsprodukte abzuschließen – mutmaßlich zum Einheitspreis.
Aus liberaler Sicht sollten Verwertungsgesellschaften immer nur als zweitbeste Lösung gelten – als Notnagel, wo keine anderen Abrechnungs- und Vergütungsformen denkbar sind. Ist das im konkreten Fall so? Daran kann gezweifelt werden.
Die Forderung nach einem Leistungsschutzrecht kann sich in der Tat auf liberale Grundsätze berufen. Bei der Forderung nach einer Verwertungsgesellschaft als zukünftig zentraler Abrechnungsmechanismus im Online-Journalismus, sollte jedoch gefragt werden: Wie liberal ist eine Pauschalabgabe?