#G20

G20: Die multipolare Welt und die Rückkehr des Protektionismus

von , 14.11.08

Am Freitag und Samstag trafen sich die 20 Staatschefs der größten Ökonomien in Washington. Dass schon vorher feststeht, was dort herauskommt, hätten wir uns fast gedacht. Aber dass Dani Rodrik das Abschluss-Communiqué schon vor drei Tagen gepostet hat, ist doch amüsant:

Through my contacts in the Bush administration I have managed to get my hand on the communiqué.

Welche Freunde auch immer ihm das Papier weitergereicht haben, eine der Hauptgefahren sehen die Verfasser vernünftigerweise im aufkeimenden Protektionismus.

Hence the most serious challenge for the global trading regime at the present is to ensure that the financial and economic crisis does not lead to a vicious cycle of protectionism, greatly exacerbating the economic downturn.

Dass diese Gefahr real ist, zeigt sich bisher zwar noch nicht in politischen Beschlüssen, wohl aber im tatsächlichen Güterverkehr, zum Beispiel am Chart des Baltic Dry Sea Indexes, der täglich internationale Cargopreise aufzeichnet. Auch der internationale Flugverkehr ist im September zum ersten Mal seit 5 Jahren gesunken. Die materielle Seite der Globalisierung befindet sich also bereits auf dem Rückzug. Und es ist die große Frage, ob einzelne Länder nun das Heil in der Abschottung suchen. Möglich aber auch, dass die Globalisierung sich einfach neue Wege und Mittel sucht, immaterielle wie zum Beispiel das Netz.

Ökonomisch lässt sich das wohl am ehesten an der Vernetzung der Finanzmärkte ablesen. Für Banken ist die Sache ohnehin klar. Nach langem, fast verschüchtertem Schweigen haben sich die Herren vom größten Bankverband, dem IIF, wieder einmal gemeldet. In einem Brief an Dear President Bush (pdf) fordern sie nichts weniger als ein zünftiges weiter so, indem sie an ihre heroischen Leistungen seit dem letzten Weltkrieg erinnern:

… to preserve, reinforce and strengthen the open, market-based framework for trade, investment and capital flows that has contributed so much to the world’s prosperity in the past 60 years.

Das aber bitte schön nicht etwa zu den Bedingungen der Staaten als neuer Eigentümer den halb-bankrotten Banken, sondern so bald als möglich wieder unter rein privater Leitung, wie gehabt:

Financial systems should be restored to a private sector footing, to operate on a
competitive market basis, as soon as circumstances allow.

Was auch immer uns Abschluss-Comuniqués sagen wollen, stammen sie nun von Freunden oder anderen Bekannten, es war immer nie falsch, einmal vorab bei den Interessenvertretern der großen Vermögen nachzusehen, was sie sich genau wünschen. Auf die Erfüllung ihrer Wünsche mussten sie ja in letzter Zeit nicht allzu lang warten.

Dass aber ohnehin nicht viel geschehen wird, ist nicht nur absehbar, weil es Kommentare überall verkünden, sondern weil Hank Paulson höchstpersönlich von vorne weg das Minimalziel ausgibt.

This weekend provides an opportunity for nations to take an important step, but only one step, on the necessary path to reform.

Einen und keinen Schritt weiter bitte! So bleibt das einzig Interessante an dem nun stattfindenden Treffen das Hintergrundrauschen. Und das verkündet nur allzu deutlich, dass die Zeit einer monopolaren Welt, in der die ehemaligen Kolonialmächte die Richtung vorgeben, zu Ende geht. Ansonsten… Frühstücksdiplomatie.

The most realistic outcome is an agreement to start putting in place principles for reforms, and then agree to meet again.

kommentiert der vielgelesene Blogger Brad Setser. Dann: Guten Appetit in Washington!

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