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Finanzkrise Griechenland: Muntere Marktmanipulation durch den Staat

von , 22.3.10

Man könnte annehmen, dass in diesem Punkt Einigkeit besteht: Märkte zu manipulieren – das ist unzulässig und gehört umfassend sanktioniert. Doch ist dies wirklich so? Gilt dies auch für Staaten?

Aus Sicht der Europäischen Union ist die Gewährleistung von Marktintegrität eine wichtige Voraussetzung für eine stabile wirtschaftliche Entwicklung in der Gemeinschaft. Daher wurde mit der Richtlinie 2003/6/EG über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) bereits im Jahr 2003 eine Regulierung der Finanzmärkte auf den Weg gebracht, welche marktschädigendes oder manipulatives Verhalten umfassend sanktioniert. Marktmanipulation umfasst alle Handlungen, die einen Preis herbeiführen, der nicht demjenigen entspricht, der bei einem unbeeinflussten Ausgleich von Angebot und Nachfrage entstanden wäre. Hierzu zählt auch die „Verbreitung von Informationen über die Medien einschließlich Internet oder auf anderem Wege, die falsche oder irreführende Signale in Bezug auf Finanzinstrumente geben oder geben könnten.“ Es scheint generell sachgerecht, vorsätzlich unzutreffende amtliche Berichte über Gesamt- und Neuverschuldung eines Mitgliedsstaates als Marktmanipulation aufzufassen. Diese beeinflussen nämlich den Preis – den Zinssatz – für die Aufnahme von Schulden durch die öffentlichen Institutionen.

Es verwundert daher nicht, dass die Regierungen mit Artikel 7 eine Ausnahmeregelung vom Recht für sich selbst gleich eingebaut haben: „Diese Richtlinie gilt nicht für Geschäfte, die [..] im Rahmen der Verwaltung der öffentlichen Schulden von einem Mitgliedstaat [..] getätigt werden.“ Dies drückt nicht nur die Doppelmoral politischer Entscheidungsträger aus, sondern erweist sich rückblickend als fatale Einladung für staatliche Angriffe auf das Vertrauen in die europäischen Finanzmärkte und somit die Finanzmarktstabilität.

Auch wenn ein Großteil der gegenwärtigen Probleme der griechischen Staatsfinanzen wohl auf eine zu expansive Zinspolitik der Europäischen Zentralbank zurückzuführen sind, darf der Verdacht auf Marktmanipulation durch den griechischen Staat nicht heruntergespielt werden. Nicht nur in der deutschen Presse halten sich Vermutungen über statistische Falsch- und Fehlmeldungen zu wesentlichen fiskalischen Kennziffern.

Eine gerichtliche Prüfung des Verdachtes von Marktmanipulation ist durch die Ausnahmeregelung im europäischen Recht wohl verbaut. Eine Sanktion dieser möglichen Straftat ist somit bislang ausdrücklich ausgeschlossen. Lediglich könnte gegen Griechenland wegen eines möglichen Verstoßes gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt vorgegangen werden – ohne persönliche Konsequenzen für Bürokraten und Politiker.

Letztlich würden diese Sanktionen auf die griechische Bevölkerung durchschlagen, welche mit Steuererhöhungen und öffentlichen Leistungskürzungen für mögliche Straftaten von Regierungsvertretern in Haftung genommen werden. Bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt belasten die sprunghaft gestiegenen Finanzierungskosten des Staates – die Schulden von gestern sind die Steuererhöhungen von heute – alle Alters- und Einkommensgruppen in Griechenland. Mittelfristig werden vor allem die Ratingabstufungen für den Staat auch die Refinanzierung der Geschäftsbanken verteuern, wodurch wiederum die Kreditzinsen für Bürger und Unternehmen weiter steigen werden. Der wirtschaftliche Schaden für unbescholtene Bürger in Griechenland ist immens.

Dass hierfür nicht Spekulanten verantwortlich sind, hat zuletzt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) noch einmal unmissverständlich klargestellt: „Bislang keine Anhaltspunkte für massive Spekulation gegen griechische Anleihen“ heißt es in einer offiziellen Stellungnahme. Die jüngst forcierte Initiative zur Regulierung behaupteter Spekulationen gegen Griechenland reiht sich in ein stimmiges Bild der politischen Verantwortungsvertuschung.

Es bedarf daher gesetzlicher Maßnahmen, um staatlich verursachte Marktmanipulation zukünftig wirkungsvoller zu ahnden. Vor allem die individuelle Abschreckung von Entscheidungsträgern muss verstärkt werden. Das bloße Streichen der Ausnahmeregelung in der europäischen Richtlinie scheint jedoch nicht ausreichend. Auch in diesem Fall würde es wohl an einer individualstrafrechtlichen Verantwortlichkeit natürlicher Personen fehlen, die gerade unabhängig eines von ihnen bekleideten, offiziellen Amtes zu greifen hat.

Um es noch einmal klar zu sagen: Manipulationen, die nachweislich auf den Börsen- oder Marktpreis eingewirkt haben, sind nicht nur in der Bundesrepublik Straftaten, die mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe geahndet werden können. Dies sind keine Kavaliersdelikte! Es darf daher zum Schutz der Marktintegrität keine doppelten Standards für Spekulanten, Unternehmensvorstände und Bürokraten geben. Daher ist zu prüfen, das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) um staatliche Vermögensdelikte entsprechend zu erweitern.

Steffen Rutter ist Referent für Finanzmärkte der FDP-Bundestagsfraktion.

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