#2010

Exit-Strategie und Euro-Lösung. Die Carta-Umfrage (Teil III)

von , 30.12.10

1. Am meisten beeindruckt hat mich Zbigniew Brzezinski, der US-Sicherheitsberater von 1978 bis 1981. Warum? Weil er ein Held des Rückzugs ist. Er fragte vor kurzem: Wer trainiert die Taliban? Eine einfache Frage. Sie zu beantworten führt über 30 Jahre zurück. Damals hat Brzezinski die afghanischen Mudjaheddin bewaffnet und die Russen in die Falle gelockt, in den Friedhof der Weltreiche. Jetzt suchen die Amerikaner nach einer Exit-Strategie.

Mit seiner Frage skizziert Brzezinski einen Weg. Sie macht Schluss mit den politischen Lügen des Afghanistankriegs. Sie macht Schluss mit der Idee, eine afghanische Armee und Polizei aufzubauen. Sie macht Schluss mit einem Krieg, der nicht zu gewinnen ist. Wer trainiert die Taliban? Die Antwort liegt auf der Hand. Die afghanischen Mudjaheddin haben die Russen vertrieben. Ihre Ahnen haben die Engländer vertrieben. Wen vertreiben ihre Kinder und Enkel? Sie trainieren sich selbst. Brezinski zieht einen Vergleich. Kabul sei eine Stadt des späten 20. Jahrhunderts, Kandahar eine Stadt des frühen 20. Jahrhunderts. Viele Regionen Afghanistans seien Siedlungen des 14. Jahrhunderts. Das Land ist eine Stammesgesellschaft mit lokalen und tribalen Loyalitäten.

Brezinski beschreibt den Weg aus dem Schlamassel. Er sagt: Finanziert den Aufbau von lokalen Milizen. Seht zu, dass Afghanistan ein pro-pakistanisches Land wird und die indischen, iranischen und chinesischen Interessen anders kompensiert werden.

.

2. Am intensivsten beschäftigen wird uns im Jahr 2011 die Lösung der Euro-Krise durch den Aufbau einer neuen Institution, die den Ausweg aus der Verschuldungsfalle und der Gefahr einer wirtschaftlichen Depression bahnt. Die Europäische Union erfindet auch künftig ihre wichtigsten Entwicklungsimpulse in den tiefsten Krisen. Was wir in der Hinsicht im Jahr 2010 erlebt haben, sah nicht nach einer klugen Lösung aus, mehr nach Zeitgewinn und Taktieren. Es geht um die Frage, wie die Krise durch eine gemeinsame europäische Wachstumsstrategie überwunden werden kann.

Diese Frage prägt auch die deutsche Innenpolitik des nächsten Jahres. Gibt es eine neue nationalistische Partei? Was wird aus der FDP? Die Reden der Bundeskanzlerin zu europäischen Themen könnten präziser und durchaus auch emphatischer werden. Aus der schwäbischen Hausfrau spricht keine Gemeinschaftsperspektive. Aber genau darum wird es 2011 gehen: in der Innenpolitik und in der Europapolitik.

Zustimmung, Kritik oder Anmerkungen? Kommentare und Diskussionen zu den Beiträgen auf CARTA finden sich auf Twitter und auf Facebook.