Justizministerin: „Ein durchsetzbares Urheberrecht im Internet wird eine andere Gestalt als bisher haben.“

von , 1.5.11

In ihrem vielbeachteten Gastbeitrag für die F.A.S. über eine “Internet-Charta” schrieb Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger viel über gemeinsame Werte, aber wenig über das Urheberrecht. Der einzige diesbezügliche Satz lautete:

“Eine Charta für das Internet muss … die Ansprüche der kreativen Urheber berücksichtigen.”

Deutlich ertragreicher war diesbezüglich ihre Rede „Rechtsetzung und Rechtsdurchsetzung im digitalen Zeitalter – neue Technik vs. altes Recht?“, die Carta Mitte April übertragen hat, zu der aber bislang ein Transkript fehlte (Video hingegen auf der Seite des BMJ hier). Eine solche Textfassung hat die medienpolitische Zeitschrift promedia nun in Auszügen veröffentlicht:

„Die digitale Welt lässt sich nicht vollständig nach analogen Mustern erklären, und demzufolge ist das Recht nicht beliebig anpassungsfähig. Wer die alten Regeln vollständig auf die digitale Welt übertragen wollte, müsste dafür die Möglichkeiten der digitalen Welt künstlich beschränken und massiv in Freiheitsrechte eingreifen.

Wir stehen vor neuen Herausforderungen, für die wir neue Ideen benötigen. Nehmen wir das Beispiel des Urheberrechts. Thomas Hoeren hat treffend formuliert: „Jura ist nicht dazu da, antiquierte Geschäftsmodelle zu schützen.“

Natürlich müssen Rechtsinhaber ihre Rechte auch bei Rechtsverletzungen im Internet effektiv durchsetzen können. Denn ansonsten würde das Urheberrecht wertlos. Diese berechtigte Forderung kann aber nicht dazu führen, dass die Absicherung dieses Anspruchs die freie Entwicklung des Netzes übermäßig stark behindert. Ein durchsetzbares Urheberrecht im Internet wird eine andere Form und Gestalt als bisher haben.

Grenzen, die in der digitalen Welt nicht mehr bestehen, dürfen nicht nachträglich als künstliche, rechtliche oder technische Barrieren aufgebaut werden. Es ist für mich auch undenkbar, den Weg zu beschreiten, den unsere Nachbarn in Frankreich und Großbritannien einschlagen. Nach der Devise „Three strikes and you are out“ soll dort nach der dritten Urheberrechtsverletzung der Internet-Zugang eines Users für einen bestimmten Zeitraum gesperrt werden.

Internet-Sperren sind aus meiner Sicht ein grundweg falsches Mittel, Rechtsverletzungen im Internet zu bekämpfen. Wir haben uns deshalb bereits im Koalitionsvertrag eindeutig gegen solche Maßnahmen ausgesprochen, denn sie gefährden das Internet, das ein freiheitliches Kommunikationsmittel ist.

Die Abschaltung des Internets bedeutet doch den Verlust der digitalen Staatsbürgerschaft und somit einen tiefen Eingriff in die Rechte der Bürger, der zudem verfassungsrechtlich sehr bedenklich, weil übermäßig ist, denn die ins Offline Gestoßenen verlieren für vergleichsweise geringe Rechtsverstöße elementare Teilhaberechte …

… Unsere Hauptschwierigkeit liegt darin, dass der Gesetzgeber nur national, maximal noch europäisch agieren kann, die Regelungsmaterie jedoch globalisiert ist. In einer entgrenzten Welt fehlen aber demokratisch legitimierte oder auch nur allgemein akzeptierte Institutionen.

Wer die beim Cloud-Computing auf mehreren Servern in mehreren Staaten parallel und dezentral stattfindenden Datenverarbeitungsprozesse erfassen will, braucht dazu internationale Standards.

Das muss allerdings nicht zwangsläufig eine staatliche oder völkerrechtliche Regelung sein. Parallel und schneller als durch staatliche Regulierung kann die Netzgemeinde sein, wenn sie es denn will. Selbstregulierung an Stelle des staatlichen Eingriffs ist potentiell der beste Weg um die bestehende Regelungslücke zu füllen.”

/th

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