#Gesundheit

Dubiose Pharma-Deals: Bei Krankheit “Geld zurück”

von , 23.4.09


In antiken China wurden Ärzte angeblich nur dann bezahlt, wenn der Patient gesund blieb. Auch wenn Historiker das längst als Mär widerlegt haben, hält sich dieser Mythos hartnäckig – weil er einfach so schön ist. Der Pharmagigant Merck will jetzt daraus ein Geschäftsmodell entwickeln. Mit Cigna, dem weltweit führenden Anbieter von Krankenversicherungen für international tätige Unternehmen, hat Merck einen Deal geschlossen, der den Preis für die Diabetes-Mittel Januvia und Janumet an ihre  Erfolgsquote koppelt (via New York Times): Wenn das Medikament die Erwartungen nicht erfüllt, bekommt der Hersteller nicht den gewünschten Preis.

In den USA mit ihrem traditionellen Optimismus, was die Mächte des Marktes angeht, gelten solche Wirkgarantien als großer Schritt in Richtung Gesundheit. Wenn sich ein Patient trotz des Medikaments Actonel (Procter  & Gamble/Sanofi-Aventis) die Hüfte bricht, übernehmen die Hersteller mit 30 000 Dollar die Krankenkosten. In England verspricht Johnson&Johnson Rückerstattungen, falls nach dem Chemotherapeutikum Velcade der Tumor nicht schrumpft.

Diabetes-Mittel Januvia von Merck

Diabetes-Mittel Januvia von Merck

Klingt verführerisch, die “bei-Krankheit-Geld-zurück-Idee“. Als hätte der Patient nun eine echte Garantie für seine Gesundheit – oder zumindest für das Geld, das er monatlich für seine Versicherung bezahlt. Aber das Gegenteil ist der Fall: Solche Modelle verbreitern die Einbahnstraßen im Gesundheitssystem. Schon die bisherigen Positivlisten der Krankenversicherer in Deutschland haben die Therapiefreiheit entscheidend eingeschränkt. Die Kassen tun so, als würde nur der Wirkstoff zählen und finanzieren deshalb mit Vorliebe die billigeren Generika. Dabei wussten schon die Alchimisten als Vorläufer der Pharmakologen, dass die Galenik, die Art und Weise, wie Wirkstoffe zubereitet und in einer Arzneiform verpackt werden, ganz entscheidend für ihre Wirkung ist. Die Unterschiede zwischen Mitteln mit ein und demselben Wirkstoff können deshalb beachtlich sein.

Zum zweiten verstärken solche Deals den Irrglauben, dass Gesundheit ein Produkt sei und der Patient ein Kunde. Aus diesem Denken resultiert die Annahme, dass dasjenige Medikament, was am meisten verschrieben wird, anscheinend das Beste ist. Das kann man aber so nicht sagen. Selbst die erprobtesten und etabliertesten Medikamente haben einen Prozentsatz von Therapieversagern, bei denen eine Arznei nicht anschlägt. Während die Biomedizin über Genanalysen und immer bessere Erforschung der molekularen Vorgänge im Körper – Andock- und Aktivierungsmechanismen, Botenstoffe, neurovegetative Einflüsse – die Hintergründe aufdeckt und an einer immer stärker individualisierten Therapie arbeitet (zum Beispiel in der Krebsforschung), versucht die Pharmaindustrie hier den umgekehrten Weg: Massenrabatte für Massenbehandlungen. Denn, auch das zeigt das amerikanische Beispiel: Der Deal hat das Ziel, die Therapievielfalt zu begrenzen. Die Versicherer werden über großzügige Preisnachlässe dazu gebracht, ihre Mitglieder bei der Stange zu halten, was die ausgewählten Präparate angeht.

Auf der Strecke bleiben Patienten, die aufgrund genetischer Zufälle nicht in das Massen-Muster passen. Auf der Strecke bleiben auch Pharmafirmen, die nicht die Marktmacht haben, um in dieser Weise mit den Kassen zu pokern. Über den Zwang, die Wirkweise eine einzelnen Substanz in teuersten Langzeitstudien nachzuweisen, waren schon viele pflanzliche Medikamente vom Markt selektiert worden, die auf Arzneistoffgemischen beruhen.  Auf der Strecke bleiben Ärzte, die auf diese Weise zum Vollstrecker eines Marktmechanismus werden. Medikamentenherstellung ist kein Milchkrieg, mit Dumpingpreisen, um die Kleinen vom Markt zu fegen. Leben ist Vielfalt. Ohne Geld-zurück-Garantie.

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