Die Perspektive deutscher Netzpolitik: konservativ

von , 22.6.10

Netzpolitik hat es heute ganz hoch auf die Startseite geschafft: Auf Zeit Online kommentiert Kai Biermann: “Das Internet des Dr. de Maizière”. Vor allem im konkreten Teil überwiegt hier die konservative Sichtweise. De Maizière plane

heftige Eingriffe in Freiheiten, es überwog die Angst vor den Bedrohungen und er konterkarierte teilweise die in seiner Einleitung formulierten Prinzipien. Kurz, die konkreten Gesetzesideen sind offensichtlich der Versuch, ein sicheres Netz zu bauen, eine Insel deutscher Gründlichkeit im Meer des Chaos.

Vielleicht aber sollte man von der ersten Grundsatzrede eines deutschen Innenministers nicht zu viel erwarten, auch wenn es das Netz schon eine Weile gibt. Ist es doch schon ein Fortschritt, dass sich überhaupt einer zusammenhängende Gedanken darum macht.

Siehe auch Kai Biermann zum elektronischen Personalausweis.

Johannes Kuhn berichtet auf sueddeutsche.de ausführlich über die Rede: “Das Internet wird konservativ”

Während er auf der einen Seite Selbstregulierung vor staatliche Regulierung setzt, würden einige seiner Vorschläge dem Staat größere Kontrollmacht geben: So plädiert der Minister für eine europaweite Erlaubnispflicht für Dienste wie Medikamentenversand, Ortungsdienste oder die Vermittlung von Krediten.

(Und neben den automatisierten Verlinkungen finden sich im Artikel sogar Links auf Quellen außerhalb von sueddeutsche.de)

Erwartbar rufen die Thesen de Maizières nicht überall Begeisterungsstürme hervor. Fefe beispielsweise nimmt die Rede bzw. viele der Thesen auseinander:

Das meisste davon klingt nicht schlecht, bis man genau hinguckt, und keinerlei tatsächliche Zusagen findet. Das ist alles könnte-sollte-müsste. Aber na gut, Politiker halt. Die Rhetorik kommt mir auch sehr bekannt vor, wenn da von freier Entfaltung, Selbstbestimmung und Eigenverantwortung die Rede ist. (…)

Es fällt mir schwer, den Finger drauf zu legen, wieso ich das alles als so negativ empfinde. Vielleicht sind es Sätze wie dieser hier:

“Mehr Wettbewerb im Netz stärkt Selbstbestimmung und Eigenverantwortung der Nutzer.”Äh, wie meinen? Inwiefern? Und als er dann behauptet, uns solle ermöglicht werden, unseren Datenbestand mitzunehmen beim Umzug von einem sozialen Netzwerk zum nächsten, dann habe ich den Eindruck, dass der Mann überhaupt nicht verstanden hat, wovon er redet.

Insgesamt bleibe noch viele Unklarheiten, Thomas Stadler wirft zum Beispiel die Frage des Verkehrssicherungshaftung auf:

Sollen Provider und Inhaltsanbieter also haften, wenn es ihnen nicht gelingt, Viren oder Malware von den Nutzern fernzuhalten? Das scheint dem Innenminister vorzuschweben. Damit würde man dann ein neues Kapitel der Providerhaftung aufschlagen. Ob sich dieser Regulierungsansatz nicht außerdem mit dem Gebot der Netzneutralität beißt, ist eine Frage, die ebenfalls zu diskutieren sein wird.

Und auch der Koalitionspartner findet nicht nur Zustimmung. Die Aussage Datensicherheit sei wichtiger als Datenschutz greift Jimmy Schulz in seiner Pressemitteilung auf:

In einigen Punkten aber gibt es weiter Diskussionsbedarf. Es wäre wünschenswert gewesen, in den Bereichen Netzneutralität oder auch Anonymität im Netz klarere Worte zu hören. Datenschutz kann nicht gegen Datensicherheit ausgespielt werden – die Stiftung Datenschutz wird hier einen wertvollen Beitrag liefern.

Stefan Krempl hat am Montag auf heise online über ein Eckpunktepapier für eine solche Stiftung berichtet, das jedoch noch nicht mit der Union abgestimmt war.

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