Die Logik des Bankrotts

von , 26.5.10

Auszug aus dem sehr lesenswerten Essay von Fichtner, der im Spiegel 19/2010 erschien:

Man muss Abschied nehmen von der Vorstellung, geschult an alten Größen wie George Soros oder Warren Buffett, dass Investoren Meisterdenker mit breiten Hosenträgern sind, die die Weltlage mit scharfem Verstand beurteilen und anschließend kaltblütig ihre Entscheidungen treffen. Dass George Soros das britische Pfund im Alleingang aus dem europäischen Währungsverbund gekegelt habe, war immer eine Legende. Auch Soros schwamm schon in einem großen Schwarm von Entscheidern, deren kollektive Handlungen erst zum großen “Marktereignis” wurden.

Heutige Hedgefonds-Manager sitzen nicht zusammen und diskutieren darüber, ob griechische Sparpläne sinnvoll sind, ob Thailands Regierung sich halten kann oder ob Angela Merkel ja oder nein sagt. Sie füttern vielmehr ihre Maschinen mit immer neuen Daten, speisen Material in Computer ein, deren Festplatten ohnehin schon randvoll sind mit Zahlen, und sie – die Maschinen, gestützt auf mathematische Modelle – spucken aus, was in dieser oder jener Situation am besten zu tun sei.

Eingespeist wird alles, was an wirtschaftlichen Statistiken zu haben ist, und zwar am besten zurück bis an den Beginn der Menschheit. Die Computer dieses Londoner Hedgefonds werden, auch wenn das klingt wie ein Scherz, mit Bankdaten aus dem 17. Jahrhundert gefüttert, mit Haushaltszahlen der florentinischen Republik zu Zeiten der Renaissance, mit Marktstatistiken aus Kriegs- und Krisenzeiten. Wie haben sich britische Staatsanleihen während der Französischen Revolution entwickelt? Welchen Einfluss hatte der Krim-Krieg? Welche Phasen hatte die Hausse vor dem Ersten Weltkrieg? Wie verlief der Absturz nach dem zweiten Golfkrieg?

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