von Franz Sommerfeld, 22.3.16
Der Terror geht weiter. Und wer es dramatisch liebt, kann sagen, er rücke näher. Tatsächlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch in Deutschland ein Anschlag gelingen wird. Dass dies bislang noch nicht geschah, ist einerseits Glück, andererseits auch der wohl immer noch vorhandenen Sorgfalt deutscher Sicherheitsbehörden zu verdanken oder vielleicht auch dem Respekts der Terroristen vor ihr.
Auf jeden Fall habe sich die Terroristen für ihren jüngsten Anschlag die Hauptstadt eines der desolatesten Staaten Europas ausgewählt. Doch wird das nicht ihr einziges Motiv gewesen sein. Denn Brüssel ist auch zugleich der Regierungssitz Europas. Ihm gilt der Terror, nicht nur weil die USA nach ihrer gelungenen Abschottung als Angriffsziel ziemlich ausfallen. Europa repräsentiert in vielen seiner Regionen, wo gegen die Terroristen kämpfen: Kein ideales, aber ein einigermaßen ordentliches Leben in Selbstbestimmtheit, Demokratie und Freiheit unter den Bedingungen des Rechts. Die Gnadenlosigkeit, mit der sich die Terroristen gegen das Leben anderer und ihr eigenes wenden, zeigt, dass sie nur noch für den Tod einstehen. Sie haben sich selbst durch eine Religion verblendet, deren Repräsentanten sich nur mühsam auf die Moderne einstellen. Doch wer nur für den Tod lebt, ist ohne Zukunft. Die westlichen Werte, Freiheit, Recht, Wohlstand, Sex und Drogen werden sich durchsetzen, weil sie dem Wesen des Menschen am nächsten kommen.
Das ist eine Frage der Zeit, im Zweifel bitterer Zeiten. Und zugleich eine politische Herausforderung Europas. Denn dem globalisierten Terror ist nicht national zu begegnen, selbst wenn sich Ungarns Regierung unter russischen Schutz begäben würde. Jeder nationale Rückzug gefährdet die Sicherheit in den einzelnen Nationen Europas. Das gilt für die unmittelbare Terrorabwehr, aber erst Recht für jeden Versuch, ihn längerfristig einzudämmen.
Europa wird sehr viel mehr politische, ökonomische und auch militärische Verantwortung für die Regionen übernehmen müssen, aus denen die Terroristen menschliche, politische und materielle Kraft schöpfen. Dass dies der EU auch in Krisenzeiten gelingen kann, hat der von Angela Merkel initiierte und jüngst verabschiedete Flüchtlingsplan gezeigt. Bei allen Schwächen bleibt das der einzige Weg für Europa und auch im Kampf gegen den Terror: Es wird nur gemeinsam gelingen, und es wird viel Kraft, Ressourcen und Geld erfordern.
Begleitet von Anschlägen, Kriegen und Flüchtlingsströmen beginnt eine Neuordnung der Regionen rund um Europa. Britische Ängste und polnische Selbstvergessenheit bieten keine Zukunft. Vielleicht festigen die anhaltenden Anschläge die europäische Staatengemeinschaft.
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