von Peter Glaser, 21.4.09
In den zwanziger Jahren stand das Bauhaus als Synonym für ganzheitliche Gestaltung und die radikale Modernisierung des Lebens. Heute sind es Computer und das Netz, die uns zu einer Neuerschaffung der Welt auffordern.
Vieles an der Situation, die zur Entstehung des Bauhaus geführt hat, erinnert an die heutige Situation – der massive Technisierungsschub ebenso wie die sozialen Umstrukturierungen, in deren Folge auch damals erhebliche Teile der Bevölkerung proletarisiert worden sind; heute heißt das “Zweidrittel-Gesellschaft” oder “Prekariat”.
“Jeder Stuhl, jeder Tisch und jedes Bett, jeder Löffel, jeder Krug und jedes Glas” sollte nach dem Willen der Bauhaus-Meister neu erfunden werden. Ähnlich umfassend vollzieht sich die digitale Revolution. Eine “Kultur des Volkes für das Volk” zu schaffen, lautete der Bauhaus-Anspruch – das Netz als Medium, in dem alle zu allen sprechen, ist unsere zeitgemäße Entsprechung.
Heute wie damals wollen die schöpferischen Geister Kunst und Maschine versöhnen. “Erschaffen wir gemeinsam den neuen Bau der Zukunft, der alles in einer Gestalt sein wird – Architektur und Plastik und Malerei”, schrieb Gropius. Die elektronischen Medien bewirken eine neuerliche Verlagerung des Geschehens. Friedrich Kittler, der deutsche McLuhan, hat bereits die Vermutung geäußert, dass der Computer den Begriff der Medien in der Mehrzahl einkassiert und zum Medium schlechthin wird. Alles in einer Gestalt.
Das große Experiment der Moderne war die Auflösung. Damit verbunden war die Hoffnung, eine neue Unendlichkeit zu eröffnen, in der Freiheit als unausgesetztes Gefühl von Erweiterung erfahrbar ist.
Dass wir uns nur nicht zu wohl fühlen, war die heimliche Angst der alten Griechen. Sie haben das Maß gepredigt, um nicht aus Übermut böse zu werden. Dass wir uns nur nicht zu wohl fühlen, ist noch heute die Sorge der Kunst, die “unbequem” sein möchte.
Der experimentellen Auflösung folgt jetzt die Überschreitung, das Prinzip der Hyperkultur. Die Seite überschreitet sich, der Text, das Bild, der Ton, alle fließen über von Links, die den trostlosen Ausgangszustand der Vereinzelung beheben wollen – der Artefakte und ihrer Menschen.
Peter Glaser bloggt auf Glaserei, wo auch dieser Beitrag erschienen ist.