#Ausweisung

Der höchste Repräsentant

von , 11.7.14

Wow! Der „höchste Mann“, der „oberste Repräsentant“ der US-Nachrichtendienste in Deutschland – so steht’s in allen Blättern – wird von der Bundesregierung aufgefordert, das Land zu verlassen. Die Tagesschau spricht sogar vom „Top-CIA-Mann“. Und von einem Warnschuss.

Eine starke Reaktion, kommentieren die Kommentatoren. Eine mutige symbolische Geste. „Ein beispielloser Akt des Protests“ (SZ). Genau das sollte die Maßnahme bewirken: Ein Umschwenken der nörgelnden Medien. Weg vom „Die tun nichts, die stellen sich taub, die trauen sich nicht“, hin zum „Donnerwetter! Alle Achtung! Klare Kante!“
 

Aufmacher, 11. Juli:

SZ (Print): „Regierung wirft US-Geheimdienstler raus“

FAZ: „Amerikanischer Agentenführer soll Deutschland verlassen“

Die Welt: „Bundesregierung weist obersten US-Geheimdienstler aus“

Bild: „Darum ließ Merkel den US-Chefspion rauswerfen“ (mit böse drein schauender Merkel).

Focus: „Deutschland weist obersten CIA-Mann aus“

Spiegel: „Regierung fordert Top-Geheimdienstler der USA zur Ausreise auf“

usw.usf.

 
Der „höchste Repräsentant der US-Nachrichtendienste in Deutschland“ ist aber wohl das, was zu Bismarcks Zeiten (während der Sozialistengesetze) der Sitzredakteur bei sozialdemokratischen Zeitungen war: ein formal Verantwortlicher, der seinen Leuten den Rücken frei hielt. Der Sitzredakteur hatte die Aufgabe, in den Knast zu gehen, wenn die Zeitung mal wieder wegen Majestätsbeleidigung verurteilt worden war. B. Traven schrieb in seinem Roman „Die weiße Rose“:

„Die sozialistischen und kommunistischen Zeitungen haben zuweilen sogenannte Sitz-Redakteure, die alle Strafen, die den Zeitungen auferlegt werden, in irgendeiner Form abzubrummen haben, damit die wertvolleren Arbeitskräfte der Zeitung erhalten bleiben.“

 
Aber vermutlich interessiert es nächste Woche eh keinen mehr, ob der namenlose höchste Repräsentant das mittelgroße Land im Zentrum Europas tatsächlich verlassen hat. Oder ob er nur mal über das große Meer in die wichtigste Stadt des stärksten Landes geflogen ist, um sich neue Anweisungen vom höchsten Repräsentanten des stärksten Landes zu holen. Anschließend kann er dann seine Geheimdienst-Spielchen in der großen Stadt im Zentrum Europas wieder aufnehmen.

 
P.S. Die Berliner US-Botschaft macht ihre Website mit einem Besuch des amerikanischen Botschafters im Berliner Zoo auf.

P.P.S. Im Vorspann zu einem „Interview zur Eskalation der Spionageaffäre“ heißt es auf tagesschau.de: „Der oberste US-Geheimdienstler muss Berlin verlassen. Ist dieser Schritt angemessen? Er war notwendig, meint ARD-Terrorexperte Becker“. Oha! Sind wir schon so weit, solche Dinge von Terrorexperten beurteilen zu lassen?

P.P.P.S. Die Hamburger Mopo titelte am gleichen Tag: „Endlich Vorfahrt für Fahrräder!“
 

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