#Europawahl

Der Antifaschismus ist die Basis unserer Demokratie

Der Wertekonsens, der nach dem Zweiten Weltkrieg von Schuman, Monnet und den Föderalisten Spinelli und Co. als ein Grundstein europäischer Integration gelegt wurde, zerbricht. Machen wir den Antifaschismus wieder bürgerlich, er gehört nicht allein in die linke Ecke.

von , 1.4.19


Wenn wir die europäische Demokratie am Leben erhalten wollen, dürfen wir uns nicht weiter die Frage stellen, wie mit Rechten zu reden sei. Das Ergebnis dieser Anstrengung steht immer schon fest: Eine Normalisierung rechter, nationalistischer Ideologien. Und damit letztlich die Abschaffung pluralistischer, offener Gesellschaften. Stattdessen gilt es 100 Tage vor der Europawahl diese müßige Perspektive einmal umzukehren – und die sogenannte Mitte der Gesellschaft kritisch in den Blick zu nehmen. Die Frage muss anders gestellt werden auf den Podien, in den Talkshows und in den Diskussionen bis zu den Europa-Wahlen: Welche Rolle spielen die sogenannten liberalen Eliten und Verteidiger der liberalen Demokratie beim Aufstieg rechter und nationalistischer Kräfte? Und: welche Rolle spielt Deutschlands Politik beim Aufstieg nationalistischer Kräfte z.B. in einem Land wie Italien, das aufgrund deutscher Sparpolitik nie eine Grundsicherung für seine Bevölkerung einrichten konnte. 

Es wurde viel geschrieben über Steve Bannon, der seine Netzwerke und sein Geld in Europa verbreitet und hinter den Kulissen rechte Kräfte bündelt. Es wurde auch viel geschrieben über die Internationalisierung der Nationalisten, die sich längst über nationale Grenzen hinweg sehr erfolgreich strategisch zusammentun und versuchen dieses Europa autoritär umzukrempeln. Der Bundespräsident warnte bei seiner Amtsantrittsreise nach Paris 2017 vor der »Faszination des Autoritären«. Was in dieser Debatte aber fast immer fehlt, ist der Blick auf die Faszination der etablierten politischen und gesellschaftlichen Kräfte für das Autoritäre und die Koalitionsbereitschaft mit Rechtsaußen. In Deutschland, wie in vielen weiteren Ländern, öffnen konservative bis liberale Kräfte Rechtsaußen das Tor zur Mitte der Gesellschaft. Max Czollek nennt das in seiner Polemik »Desintegriert Euch« die Rhetorik der Zärtlichkeit gegenüber Rechten. Ihr gegenüber steht eine Rhetorik der Härte gegenüber Migranten, Muslimen und Geflüchteten. Maxim Biller hat das neulich in einem Welt-Artikel das Phänomen der »Linksrechtsdeutschen« genannt. Intellektuelle und Angehörige der liberalen Elite, die mit Deutschtümelei wenig Probleme haben und mit autoritären Gesellschaftsentwürfen liebäugeln. Das lässt sich auf Europa ausdehnen. In Spanien zum Beispiel, wo im April Neuwahlen anstehen, streben die Konservativen der Partido Popular und die liberalen Ciudadanos eine Koalition mit der neu gegründeten rechtsradikalen Partei Vox an. In Österreich ist mit ÖVP und FPÖ, bereits eine solche  Konstellation aus Rechtsradikalen und Rechts-Konservativen an der Regierung. Wer nur auf die Ränder schaut, verkennt die Gefahr des Extremismus der Mitte. Hier findet eine Normalisierung rechten Gedankenguts statt. 

Was nicht übersehen werden darf: die etablierten, sich als pro-europäisch darstellenden Parteien der Mitte entwerfen keine echten Zukunftsvisionen gegen das Konzept der Nationalisten. Während die Nationalisten ein Europa ohne gemeinsame soziale Standards, ohne Umwelt-oder Klimaauflagen, ein wirtschaftsfreundliches Europa fordern, erhalten pro-europäische Parteien einen Status quo aufrecht, der offensichtlich nicht funktioniert, weil er politische, soziale und wirtschaftliche Krisen produziert. 

Wenn wir aktiv sein wollen und es als Chance begreifen, dass wir in diesen Tagen bis zur Wahl noch etwas tun können, dann lohnt sich ein Blick dorthin, wo ein anderes Europa bereits im Entstehen ist. Es gibt sie die anderen, die Vielen, die sich stark machen, für das was gerade in Europa auf dem Spiel steht, wenn die Faszination des Autoritären in die Mitte der Gesellschaft hineinfunkt: #Unteilbar, #wellcomeunited, die Frauenstreiks, die Klimastreiks, Seebrücke, die Solidarity Cities: sie leben und zeigen das Europa der Vielen und das Europa der Menschenrechte: ein Europa, das auf Gleichheit, Frieden und Brüderlichkeit aufbaut. All diese, sehr diversen, Bewegungen stehen für eine Vision von Europa, die einen sozialen, gerechten und lebenswerten Raum für alle bietet. 

Es gibt keine »Sowohl-als-auch-Haltung« gegenüber der Demokratie. Oder, wie der dem Linkssein eher unverdächtige Karl Popper es sagte: Uneingeschränkte Toleranz führt dazu, dass die Toleranz verschwindet. Denn die Intoleranten werden ihrerseits die Toleranten nicht tolerieren und diese letztlich vernichten.

Die Europawahlen werden einerseits zeigen, wieviele Menschen denjenigen folgen, die sich schon außerhalb eines Toleranzkonsenses bewegen. Sie werden aber noch etwas anderes deutlicher machen: sie werden im Nachgang zeigen, in den Parlamentsabstimmungen der nächsten Jahre, welche Anträge und Gesetzesentwürfe von Mitgliedern der AfD, der Fidesz Partei, der Front National, der italienischen Lega und wie sie alle heißen, von Mitgliedern der auch im Europaparlament ewig herrschenden Großen Koalition mitgetragen werden. Werden wir das einfach hinnehmen und aus Desinteresse wegsehen? Oder werden wir aktiv sein und das Zermalmen der Demokratie durch die selbstbewusste neue-alte Rechte nicht einfach als demokratisch legitimiertes Geschehen akzeptieren? Ich habe das im Geschichtsunterricht gelernt: der Faschismus wurde 1933 an die Macht gewählt.

Der Wertekonsens, der nach dem Zweiten Weltkrieg von Schuman, Monnet und den Föderalisten Spinelli und Co als ein Grundstein europäischer Integration gelegt wurde, zerbricht. Wo sind sie heute die Konservativen, die den Antifaschismus zur Basis ihres demokratischen Handelns machen? Machen wir den Antifaschismus wieder bürgerlich, er gehört nicht allein in die linke Ecke.

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