von Robin Meyer-Lucht, 17.7.10
Auf der Tagung „Umbrüche in der Medienlandschaft“ in der Akademie für politische Bildung in Tutzing hat Focus.de-Chef Jochen Wegner (tw) am Freitag “23 Thesen” zur Zukunft des Journalismus präsentiert – so viele hat zumindest Dorin Popa von “Nice Bastard” gezählt und aufgezeichnet. Hier sind sie:
- Journalistische Qualität ist keine Frage des Substrats. (z.B. Print, Radio, Fernsehen, Online)
- Journalistische Qualität ist eine Frage der Ressourcen.
- Die Reichweite vieler digitaler Töchter übertrifft bald die der analogen Mütter.
- Die Erlöse digital:analog verhalten sich wie 1:10. (Focus Online z.B. verdient ein Zehntel von dem, was die Printredaktion erlöst. International hat Wegner bei anderen Redaktionen ähnliche Zahlenverhältnisse recherchiert.)
- Das Internet hat keinen Geburtsfehler.
- Das Kernprinzip des Internet ist Effizienz.
- Die freie Presse ist nicht gottgegeben. (Sie ist keine Selbstverständlichkeit, sondern man muß darum, dafür kämpfen.)
- Journalisten müssen Unternehmer werden.
- Der Artikel wird zum Geschäftsmodell – und darf es keinesfalls werden. (z.B. Publishing-Sites wie ehow.com, aber auch sonst durch die Verknüpfung mit Google Ads. Das funktioniert hervorragend bei Service-Artikeln, aber wer will in Zusammenhang mit Kriegsberichten aus Afghanistan werben?)
- Nur originäre Inhalte haben eine Zukunft.
- Die neue Ökonomie der Medien gleicht der Ökologie des Regenwalds. (Prächtig gedeihen die Baumriesen und das – teils parasitäre – Kleingewächs am Boden. Wie im Regenwald stirbt aber der Mittelbau in den Medien aus. Das Dumme ist nur, daß dort die meisten Journalisten arbeiten.)
- Zeit, Ort und Substrat verlieren ihre Bedeutung. (Ob man z.B. die Tagesschau um 20 Uhr live im Fernsehen, zeitversetzt am Rechner oder auf dem Handy erlebt, ob man eine Serienepisode im Fernsehen, als VoD oder auf DVD anschaut, spielt immer weniger eine Rolle. Ausnahmen sind Fernsehübertragungen mit Eventcharakter wie der „Tatort“ oder Fußballspiele.)
- Niemand braucht Print, Radio und TV.
- Neue Medien verhalten sich parasitär.
- Print, Radio und TV werden noch lange leben.
- Parasitismus ist kompliziert.
- Es entstehen permanent neue Medien…
- …mit völlig neuen Metaphern.
- …und neue Formen der Monetarisierung.
- Ein Ökosystem digitaler Magazine entsteht…
- Viele Mittelsmänner werden ausgeschaltet. (z.B. Kiosk, Zeitungsausträger)
- Die digitalen Medien haben längst nicht zu sich gefunden…
- …und werden noch sehr oft transformiert.
Meine Lieblingsthesen sind: 11., 5., 8. und 22.