#Finanzkrise

Brutalstmögliche Aufklärung

von , 1.11.08

In der derzeitigen Finanzkrise gab es bisher aber recht wenig aufsehenerregende Enthüllungen, die Licht in das Dunkel der Ursachen bringen. Das Meiste kratzt an der Oberfläche. Was die 300-Millionen-Überweisung der KfW an die Bank Lehman Brothers betrifft, hörte man lange Zeit gar nichts. Erst vergangene Woche erfuhr man, dass nun plötzlich die Staatsanwaltschaft gegen die Handelnden der Bank ermittelt. Warum hat man dazwischen nichts gehört? Gab es nichts zu berichten?

Die einschlägigen Politmagazine wie Panorama, Kontraste oder Monitor haben sich in letzter Zeit zumindest teilweise und dabei mit unterschiedlicher Intensität in investigativer Weise mit dem Thema Finanzkrise beschäftigt. Ansonsten herrscht in der deutschen Presselandschaft größtenteils Einheitsbrei. “Wie konnte das passieren?”, “Wie können wir das für die Zukunft verhindern?” oder “Wieviel dürfen Manager verdienen?” lauten die immer wiederholten, aber selten befriedigend beantworteten Fragen.

In dem Kontraste-Beitrag mit dem Titel “Nichts gelernt aus der Finanzkrise – Zocken als ob nichts gewesen wäre” gehen die Autoren darauf ein, dass die Bankenaufsicht keine effektiven Prüfungen durchführen kann, weil Risiken in den Bilanzen der Banken versteckt werden. “Wir haben einen Paragraphen im Kreditwesengesetz, der es der Bankenaufsicht zwar erlaubt, die Finanzströme zwischen den Banken zu kontrollieren, aber nicht erlaubt, in die einzelnen Produkte hineinzugucken”, weiß der Bankrechtsexperte Professor Hans-Peter Schwintowski von der HU Berlin. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass der Chef der Bankenaufsicht, Jochen Sanio, vor zwei Jahren fast wegen einem Betrugsskandal in seinem Haus zurücktreten musste.

Wie die Banken zwar von dem Rettungspaket profitieren, auf der anderen Seite aber anscheinend ungestört Kunden dabei helfen ihr Geld am deutschen Fiskus vorbeizuführen, zeigte Panorama in seiner gestrigen Ausgabe mit versteckter Kamera. Eng damit zusammen hängt die persönliche Haftung der Manager bei den Landesbanken, die Panorama ebenfalls unter die Lupe nahm. Wie die geschassten Manager flugs eine neue Anstellung finden, hat sich Report Mainz angeschaut. Auch die Rolle und Verantwortung der Wirtschaftsprüfer war Thema des Panorama-Beitrags “Bankenkrise – das Versagen der Wirtschaftsprüfer”. Das NDR-Magazin “Extra 3” nimmt es humorvoll und schreibt “Liebe Amerikaner, wir sind ja nicht undankbar, deshalb möchten wir uns natürlich für die Care-Pakete damals revanchieren und die US-Banken retten! Ganz einfach: mit unserer super-praktischen, präzisions-geprüften, Dax-optimierten, krisensicheren, formschönen, deutschen Krötengeld-Kopiermaschine 2.0!”.

Auch mit der Finanzkrise zusammenhängend: Die Armut in Deutschland hat sich fast verdoppelt und insbesondere die Kinderarmut drastisch erhöht. Bisher habe ich keinen Journalisten gesehen, der einen Politiker gefragt hätte, wie er diesen Trend umkehren will. Stattdessen berichten Financial Times Deutschland und andere über das neue Buch von Friedrich Merz (CDU), dem Erfinder der Steuererklärung auf dem Bierdeckel, das den vollmundigen Titel “Mehr Kapitalismus wagen!” trägt. Darin schreibt der Sauerländer mit Blick auf die Finanzkrise: “Es liegt nichts Verwerfliches darin, dass sich die Kapitalmärkte von den Gütermärkten abgekoppelt haben und mittlerweile auf der Welt mindestens 50 Mal so viele Geldtransaktionen stattfinden wie reale Warengeschäfte”. Das Buch wurde übrigens an dem Tag vorgestellt, an dem Merz’ Parteikollegin Angela Merkel das 500-Milliarden-Rettungspaket bekannt gab.

Zustimmung, Kritik oder Anmerkungen? Kommentare und Diskussionen zu den Beiträgen auf CARTA finden sich auf Twitter und auf Facebook.